Elisabeth Voss (84) arbeitet jetzt im eigenen Atelier - VON WIELAND BONATH

"Als wären sie meine Kinder“

In ihrem kleinen Atelier kann Elisabeth Voss endlich wieder ihrer künstlerischen Arbeit nachgehen Foto: Bonath
 ©Rotenburger Rundschau

"Ich hätte 20 Jahre eher anfangen müssen“, sagt Elisabeth Voss. Die 84-Jährige, die viele Jahre in Scheeßel glücklich verheiratet war und seit sieben Jahren im Fliednerhaus des Diakonissen-Mutterhauses lebt, meint damit ihre künstlerische Arbeit, die Bildhauerei und das Töpfern. Mit einem strahlenden Lächeln fügt sie dann aber hinzu: "Aber dann hätte ich diese drei wunderbaren Jungen nicht gehabt.“

Angestoßen wurde die große Leidenschaft der ausgebildeten Kinderschwester – sie nennt sich bescheiden Autodidaktin, dabei darf ihr ungewöhnliches Talent als Künstlerkönnen eingestuft werden – von ihrem Sohn Wolf, freischaffender Künstler in Hamburg: "Mutter, fang etwas mit deiner Begabung an!“ Ein Rat an den unermüdlichen Mittelpunkt der Scheeßeler Zahnarzt-Familie, an Elisabeth Voss, die "in ein ganz großes Loch fiel, als die drei Söhne aus dem Haus gingen“. Ein Rat, der sehr schnell in die Tat umgesetzt wurde. Sie meldete sich zu einem Töpferkursus an und dort hörte sie bald von ihrem Lehrer: "Deine Begabungen liegen auf einem anderen Gebiet. Du musst zur Bildhauerei!“ Drei unvergessliche Jahre an einer Kunstschule in Bremen schlossen sich an. Voss’ großes Vorbild, Käthe Kollwitz, deren schlichte und ausdrucksstarke Formen sie seit jeher besonders beeindruckt hatten, sollte künftig ihre künstlerische Arbeit leiten. Als Material wählte sie Quarzsandstein. Geformt wurden die Kunstwerke mit gezielten Schlägen in begeistert-besessener Arbeit oft bis tief in die Nacht hinein. Die hochgewachsene Frau, die sich selbst "einen eher schwerblütigen Menschen“ nennt, schuf unter anderem Werke zu diesen Themen: "Die gefesselte Menschheit“, "Lebenslust“, "Die Familie“, "Resignation und Auflehnung“, "Der Liebesbaum“. Als Hilfe dienten kleine, flüchtige Zeichnungen. Voss, die übrigens ein ergänzendes Studium bei dem Worpsweder Künstler Albert Siuta machte, hat die meisten ihrer Arbeiten längst veräußert, in der Regel zu einem Preis, der den Sohn Wolf immer wieder zu dieser Feststellung brachte: "Mutter, du verkaufst deine Arbeiten zu billig.“ Für die jetzt 84-jährige Dame scheint allerdings der Zorn über die raffinierten Schnäppchenjäger weniger groß zu sein als die Tatsache, dass sie nur einen Teil ihrer Werke fotografiert und im Album eingeklebt hat. Und besonders wichtig ist für sie auch, dass der "Profi-Sohn“, der anfänglich über ihr künstlerisches Mühen gelächelt habe, sie inzwischen längst anerkenne und Fachgespräche quasi auf Augenhöhe mit ihr führe. Auf dem Schrank steht ein Skulptur von Enkelin Poulin, als die jetzt 37-Jährige gerade 14 Lenze zählte. Auf sie ist die Oma stolz wie auf alle Enkel und Urenkel. Der Nachwuchs ihrer Söhne zeichnet sich nämlich durch musikalische Begabung aus. Poulin beispielsweise ist Solocellistin im "Oslo Philharmonic Orchestra“ und wird in wenigen Tagen im Fernsehen im Konzert "Nordische Musik“ zu sehen und zu hören sein. Ein anderer Enkel verdiente seine musikalischen Sporen bei Paul McCartney. Elisabeth Voss musste nach einem Schlaganfall 1989 ihre geliebte bildhauerische Arbeit aufgeben. Es war einfach zu kräftezehrend. Sie wandte sich ihrer zweiten Leidenschaft, dem Töpfern, zu und fand darin ihre künstlerische Befriedigung. Vor sieben Jahren entschied sie sich für das Betreute Wohnen im Fliednerhaus. Den Umzug nach Rotenburg hat sie bis heute nicht bereut, auch wenn sie aus Platzgründen auf viele geliebte Dinge verzichten musste und auch wenn sie gezwungenermaßen eine Schaffenspause einlegen musste. Sie konnte sich jetzt besonders ihren zahlreichen Büchern widmen. Allerdings: Die Sehnsucht nach eigener künstlerischer Arbeit ließ sie nicht los. Dann, fast wie vom Himmel geschickt, die Projektwoche an der Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik, die unter dem Motto "Jung sieht Alt“ stand und bei der Elisabeth Voss eine beratende Funktion übernommen hatte. Eine Woche, die für sie ein besonderes Erlebnis war ("Mir schien, als ob die Schülerinnen meine Kinder wären.“) und die für sie ein phantastischer Startschuss sein sollte. Der 84-jährigen Künstlerin wurde nämlich, für sie völlig unerwartet, ein kleines Atelier zur Verfügung gestellt. Dort hat sie inzwischen angefangen zu arbeiten. Seit etwa einem halben Jahr widmet sie sich in unterschiedlichen Variationen dem Thema "Kinder in Gottes Hand“. Elisabeth Voss, eine Frau der leisen Worte, sitzt im Fliednerhaus mit Sigrid Helmke neben einem ihrer letzten bildhauerischen Werke: "Trost & Trauer“, eine Skulptur, die 1989 entstand. Helmke, die als Mitglied einer Trauergruppe versucht, Kraft für ihr Leben zu schöpfen, ist von der ausdrucksvollen und schlichten Skulptur beeindruckt.

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