Schauspieler und Regisseur Dirk Rademacher fand seine Heimat in Clüversborstel - zumindest vorerst...

Sie nannten ihn den Marlon Brando von Zürich

(az). Dirk Rademacher ist kein Mensch, der Luxus zum Leben braucht. In Clüversborstel wohnt er in einem kleinen, gerade mal 36 Quadratmeter großen Haus und führt ein bescheidenes Dasein. Dort genießt er auf Plastikstühlen im Garten die Sonne, trinkt Kaffee und verbringt viel Zeit mit seinen Töchtern Marlene (10) und Ivana (15). "Ich mag den Ort und die Menschen hier sehr", sagt er, fügt jedoch schnell hinzu: "Obwohl ich nie ein Landmensch war." Denn eigentlich dient Clüversborstel nur als fester Punkt - oder eben "Zuhause". Zumindest solange, bis seine Töchter erwachsen sind. Dann wird es Dirk Rademacher vermutlich wieder in eine Großstadt ziehen. Je nachdem, welches Theater ihm das beste Angebot macht. Denn: Der 40-Jährige spielte bereits in unzähligen Stücken an Schauspielhäusern in ganz Deutschland sowie der Schweiz und zeichnete für diverse Produktionen als Regisseur verantwortlich.

Rademachers Karriere begann klein: Im Kindergarten übernahm er die Rolle des Esels der Bremer Stadtmusikanten. "Damals war mir schon klar, dass ich später Schauspieler werden möchte", versichert der Mime. Mit 15 wirkte er in zwei semi-professionellen Theatergruppen mit und als 19-Jähriger hatte er das Glück, auf der Schauspielschule in Essen angenommen zu werden. Dort traf er auf seinen Mentor, Hermann Wedekind. Der war seinerzeit Intendant in Basel, München und Saarbrücken. Die Zusammenarbeit war für Rademacher ein einschneidendes Erlebnis "zumal er ein sehr internationaler Mensch mit vielen Kontakten war". Ein dreiviertel Jahr nach Studienbeginn entschied sich der Clüversborsteler jedoch, alles wieder hinzuschmeißen. Nicht etwa, weil es ihm nicht gefallen hätte. "Ich bekam das Angebot, am Karlsruher Theater in ‚Unsere kleine Stadt’ von Thornton Wilder mitzuspielen", erinnert er sich. Keine Frage, dass die Chance nicht ungenutzt blieb. Eines der Dinge, die er seinerzeit lernte, war: Trinke nie Alkohol, bevor du auftrittst! "Einmal habe ich mir vor der Aufführung zwei Cognacs gegönnt und auf der Bühne die gesamten Requisiten umgerissen", erklärt der Künstler. "Das war mir eine Lehre." Im Anschluss an die Spielzeit in Karlsruhe nahm er selbst die Zügel in die Hand und mietete mit einem befreundeten Maler eine Ziegelei in Karlsruhe - mit dem Ziel, Theater und Kunst zu verbinden. Anfangs lief es ganz gut, bis Rademacher auf die Idee kam, das Kammerorchester Oberrhein für die Inszenierung "Die Geschichte vom Soldaten" zu engagieren. "Wir konnten die Kosten für das Orchester nicht wieder einspielen". Die Konsequenz war die Pleite, die auch die Rückkehr auf den Boden der Tatsachen bedeutete - ein Job im Betonschwellenwerk folgte. Ein trauriges Ereignis brachte 1987 die Idee für ein neues Stück mit sich. "Ein Freund von mir starb an Aids. In meinem Stück habe ich die abweisende Art, mit der selbst seine Familie mit ihm umging, dargestellt." Das Resultat begeisterte das Publikum, die Rechte verkaufte der Schauspieler jedoch wenig später. Ein weiteres Engagement am Theater folgte ein Jahr später - in München spielte Rademacher auf der Avantgarde Bühne des Theaters "Studio 69" und bezeichnet den Kontakt zu den Schauspielern des absurden Theaters als "sehr spannend". Dort traf er auf Frederico Pfaffen, Leiter des "Komedy", eines Avantgarde-Theaters in Zürich, der ihm anbot, für ihn zu arbeiten. Nach einjähriger Residenz in Bayern wartete in der Schweiz Außergewöhnliches auf den Künstler. Er lernte Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch kennen, arbeitete mit ihnen zusammen. Stücke wie "Die Vernissage" von Vaclav Havel oder "Den Anderen" und "Der Gerettete" von Dürrenmatt wurden in einer Arche - als Symbol für die Schweiz - im ganzen Land aufgeführt. "Die Zuschauer waren während der Vorstellung in der Baracke eingesperrt", beschreibt er den Schauplatz. "Auch die Art und Weise, wie gespielt wurde, war ganz ungewöhnlich". Das Skurrile: Am Ende gab es nie Applaus vom Publikum. Das war schlichtweg nicht in der Lage, zu klatschen, weil es von dem Dargebotenen so berührt war. Der Erfolg brachte einige Auszeichnungen für den jungen Deutschen mit sich. So wurde er zum Schauspieler des Jahres gekürt. "Die Insel" von Athol Fugar, die ebenfalls vom "Komedy" gespielt wurde, erhielt den Titel der Inszenierung des Jahres. "Die Zeitungen bezeichneten mich als Marlon Brando von Zürich", schmunzelt er. Als Rademachers Frau studienbedingt nach Ottersberg zog, beendete er schweren Herzens das Engagement in der Schweiz und folgte ihr in den Norden. Gastspiele in Freiburg, Frankfurt, Dortmund und Münster folgten. In dieser Zeit stand er mit den Größen des deutschen Theaters auf der Bühne. Zwischenzeitlich entschied sich der Mime, für das deutsch-französische Jugendwerk ein Projekt im Kosovo durchzuführen. "Ich habe mit kriegstraumatisierten Kindern gearbeitet", erzählt er. 1999 zeichnete er für die Organisation der Sottruminale verantwortlich, 2001 organisierte er das Erbhof-Festival in Thedinghausen. In den vergangenen beiden Jahren reiste Rademacher buchstäblich von Auftrag zu Auftrag. Dazu gehörten auch Fernseh-Rollen in Serien wie "Tatort" und "Der Alte" oder die Vertonung von Dokumentarfilmen für den NDR. "2001 habe ich 40.000 Fahrt- und Flugkilometer hinter mich gebracht", rechnet er nach. Die dringend verdiente Pause legt er in diesem Jahr ein. Stückverträge wurden abgelehnt, allein ein Auftritt mit dem von Paula Artkamp inszenierten Stück "Leben bis Männer", das er bereits im vergangenen Jahr für das Redart-Theater in Münster zeitgleich zur Fußball-WM spielte, während der Sottrumer Kunst- und Kabarettwoche stand in seinem Terminplan. Außerdem nahm er gemeinsam mit Claudia Amm, Günter Lamprecht und Peter Striebeck die CD "Hamlets Rache", einen Krimi nach William Shakespeare, auf, die ab sofort im Handel erhältlich ist. Angebote von Fernsehproduktionen wie "Kobra 11" oder "Balko" ließ er bisher unbeantwortet. Dirk Rademacher macht keinen Hehl daraus, erfolgreich im Schauspielgeschäft zu sein. Im Gegenteil. "Ich hasse arrogante Schauspieler", sagt er und verzieht das Gesicht. "Das sind meistens diejenigen, die nur Mittelmaß sind. Die müssen mehr scheinen als sein." Überhaupt interessiert ihn an seinem Beruf weniger der Erfolg auf der Bühne. "Mir ist die Zusammenarbeit mit den Menschen wichtig. Da sind mir Laien lieber als Möchtegern-Profis." Rademacher musste nie etwas dafür tun, angestellt zu werden, sagt er. - In seiner nun schon 20-jährigen Karriere hatte er lediglich einen einzigen Termin zum Vorsprechen. "Mir sind die Dinge immer nur passiert", sagt er. Allein eine Maxime verfolgt er: "Ich vertrau‘ auf das Leben, das es bisher immer gut mit mir gemeint hat."

28.02.2021

Landpark Lauenbrück

12.02.2021

Winterlandschaft in Rotenburg

22.12.2020

Weihnachtsbilder

29.10.2020

Herbstfotos der Leser