Schenkung: 20 Ölgemälde und über 100 Aquarelle von Lisel Oppel für den Barkenhoff Worpswede - Von Uwe Lehmann

Erinnerung an ein abenteuerliches Leben

Lisel Oppels "Selbstbildnis mit Claudio" entstand im Jahre 1938, das Porträt ihres Sohnes als 18-Jähriger 1950
 ©Rotenburger Rundschau

Erinnerung an ein abwechslungsreiches und abenteuerliches Leben: Lisel Oppel (1897 – 1960) hat es geführt - und sie hat es festgehalten: in Briefen, einem Tagebuch, vor allem aber in Zeichnungen, Aquarellen und Ölgemälden. Die in Bremen als siebentes Kind des Oberrealschullehrers Professor Dr. Alwin Oppel Geborene war eine leidenschaftliche Malerin.

Anders als die ebenfalls aus Bremen gebürtige Paula Modersohn-Becker war es "bei uns selbstverständlich, dass ich eines Tages Malerin werden musste“, erinnerte sie sich später. Das lag wohl auch daran, dass in der Familie ihrer aus der Schweiz stammenden Mutter zwei ihrer Tanten Malerinnen waren. So konnte Lisel Oppel ohne Umwege 1914 bis 1918 in München und Bremen Malerei studieren. Eine deutliche Beziehung gibt es zu Paula Modersohn-Becker: Als deren Briefe und Tagebuch-Aufzeichnungen von Sophie Gallwitz 1917 erstmals ausführlicher veröffentlicht wurden, bewirkte ihre Lektüre, dass die junge Malerin 1919 dauerhaft nach Worpswede zog. Bestärkt wurde sie darin durch den Bremer Walter Müller, der bald darauf Bettina Vogeler, eine Tochter Heinrich Vogelers, heiratete. Mit Heinrichs Frau Martha verband Lisel Oppel schon bald eine lebenslange Freundschaft, so dass sie zu Martha ins Haus im Schluh zog. Aus dieser Freundschaft resultiert ein Briefwechsel, der im Worpsweder Archiv im Barkenhoff erhalten und nunmehr durch eine hochherzige Schenkung Claudio Oppels ergänzt wurde. Anlass für den Briefwechsel waren die zahlreichen Reisen, die Lisel Oppel, manches Mal auch impulsiv, unternahm -obwohl sie von ihrer Malkunst allein nicht leben konnte. So arbeitete sie in den Krisenjahren nach dem Ersten Weltkrieg im Emsland auf einem Bauernhof und verdiente sich später in Italien am Golf von Salerno als Keramikerin ihren Lebensunterhalt. Dass sie ihre Touren, etwa 1936 in Kalabrien, als Anhalterin unternahm, bot zusätzliche Anreize, Land und Leute kennenzulernen. Während ihrer zweiten Italienaufenthalts, der immerhin fünf Jahre dauerte, wurde 1932 ihr Sohn Claudio auf Ischia geboren. Immer wieder aber zog es Lisel Oppel nach Worpswede zurück, von dem sie 1921 begeistert geschrieben hatte: "Ich bin in Worpswede! Ich liebe es, ich liebe die Landschaft, und fast jeden Tag male ich“. Mit dieser Liebe zur Landschaft konnte sie sich eins wissen mit den Mitgliedern der Worpsweder Künstlerkolonie der ersten Generation, denen die Einheit von Mensch und Natur am Herzen lag. Diese Einheit zu verwirklichen, ist auch das Ziel Lisel Oppels. Sie erreicht es, indem sie darauf verzichtet, den Betrachter ihrer Bilder durch fotografisch naturalistische Wiedergabe einzuengen. Sie malt zwar, was sie sieht, aber vom Auge geht der Eindruck in ihre Seele und erst dann in Hand und Pinsel. Auf diese Weise bietet sie dem Betrachter an, auch seine Eindrücke an das Bild heran- und seine Empfindungen in es einzutragen, sie in die Stimmung des Bildes einschwingen zu lassen. Wie ihre Vorgängerin Paula Modersohn-Becker orientiert sie sich an Gauguin und van Gogh, malt in kraftvoll leuchtenden Farben, setzt mit expressivem Duktus blaue Begrenzungslinien in Landschaftspartien. Ihre Liebe gehört den Kindern. Immer wieder tauchen sie in Bildern vom Schlittenfahren auf oder – wie die Schröderschen Kinder – vor dem Restaurant Haus Niedersachsen am Weyerberg. Oft bleiben die Gesichter bloße Ovale oder werden Gesichtszüge nur angedeutet. Stimmungen drücken sich in der Bildgestaltung aus, in der Einbettung in die Natur. Karussell- und Schützenfestbilder wirken fröhlich, dabei genrehaft intim und voller Wehmut. Besonders verbunden fühlte Lisel Oppel sich dem Aquarell. Es kam ihrer Spontaneität entgegen, gestattete ihr, Augensblickseindrücke festzuhalten. Das zeigt sich vor allem in den Konvoluten der späten Reisebilder: Prozessions- und Tanzszenen aus Sevilla, Straßenbilder und Porträts aus Ägypten. Aber schon von ihren Italienreisen bringt sie diese leuchtenden Farben mit, die sie in Positano und auf Keramiken in Vietri erprobte. Auf Ischia entstand dann das eindrucksvolle, an Paula Modersohn-Becker erinnernde Gemälde "Claudio im Taufkleid“. Gleichzeitig mit ihr lebten auch der Hamburger Maler Eduard Bargheer und Max Peiffer Watenphul auf der Mittelmeerinsel. Wie bei Watenphul finden sich auch in den Bildern Lisel Oppels die eigenwillige Umsetzung des geheimnisvollen Lichts und der silbrig schimmernden Landschaft durch feine, lebendig machende Farbspritzer. Im Dritten Reich lehnte sie es ab, in die Reichskulturkammer einzutreten und erhielt daraufhin keine Bezugscheine für Malfarben mehr. Daher war sie in Bremen und auf der Fraueninsel im Chiemsee wieder als Keramikerin tätig (die Worpsweder Keramikerin Heide Weichberger begleitete sie als junges Mädchen). Ein politisch verbotener Kontakt zu einem französischen Kriegsgefangenen führte noch 1945 zur Verhaftung. Schon 1947 konnte sie wieder in den Süden reisen, später dann nach Spanien, Marrakesch und Kairo. 1952 entstand ein noch einmal an Paula Modersohn-Becker erinnerndes Selbstporträt mit Kugelschreiber. Lisel Oppel starb 1960. Lisel Oppel im Barkenhoff Es ist ein überaus hochherziges und großzügiges Geschenk, das Claudio Oppel, der zunächst in Scheeßel, jetzt in Rotenburg lebende Sohn der Worpsweder Malerin Lisel Oppel, am 136. Geburtstag Heinrich Vogelers im Dezember 2008 dem Barkenhoff übereignete. Hintergrund: Eine lange Freundschaft verband Lisel Oppel mit Martha, Heinrich Vogelers Frau, die auch das Worpsweder Archiv gegründet hat. So ist es nur zu berechtigt, die Stiftung dorthin zu geben: 20 Ölgemälde, über 100 Aquarelle (darunter 50 aus Ägypten und 20 aus Sevilla), dazu Zeichnungen, Notizen, ein Tagebuch und Briefe. An den Gemälden hat Claudio Oppel sich Jahrzehnte hindurch täglich erfreut – und diese Freude möchte er nun den Besuchern des Barkenhoff weitergeben. Das aber ist nur möglich, wenn der Nachlass seiner Mutter sich nicht durch Verkäufe in Privathand verliert. Es unterstreicht den konsequenten Entschluss des Stifters, dass er nunmehr nur noch Kopien, Fotos und Drucke von den geliebten Werken um sich hat. Und: "Die dauerhafte Existenz einer Sammlung von Bildern meiner Mutter ist mir weitaus mehr wert als der Erlös aus deren Verkauf“ - ein Erlös, der sicher eine fünfstellige Summe eingebracht hätte. Im Barkenhoff wird noch bis zum 15. Februar täglich von 10 bis 18 Uhr ein reicher Querschnitt durch Lisel Oppels Schaffen gezeigt.

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