Rotenburger Spätaussiedler feiern 25-jähriges Jubiläum - Von Fred Olthoff

Gesellschaft bereichert

Herbert Neumann im Gespräch mit einigen Zeitzeugen Foto: Olthoff
 ©Rotenburger Rundschau

In einem gemeinsamen Festakt ließen die Stadt Rotenburg und die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland (ehemals UdSSR) die wechselvolle 25-jährige Geschichte der Spätaussiedler in Rotenburg mit Grußworten, Zeitzeugenberichten, Musikbeiträgen und Folklorevorführungen Revue passieren.

„Sie haben mit Ihren Fähigkeiten, Ihrem Fleiß und Ihrer Kultur ganz wichtige neue Aspekte in die Stadt gebracht und unsere Gesellschaft so bereichert“, erklärte Bürgermeister Detlef Eichinger in seiner Laudatio. „Zehn Prozent aller Bürger der Stadt haben heute einen Aussiedlerhintergrund“, berichtete er. „Ich sage das bewusst so, denn sie sind kaum noch als Aussiedler zu erkennen, so gut haben sie sich integriert.“ Eichinger blickte auf die Anfänge zurück. Ab dem Frühjahr 1988 waren bereits einige Aussiedler aus Polen und der DDR nach Rotenburg gekommen. „Im Laufe des Jahres kamen vermehrt Aussiedlerfamilien aus der damaligen UdSSR nach Deutschland, die Grenzdurchgangslager platzten aus allen Nähten und Städte und Gemeinden waren gefordert, Aussiedlerfamilien aufzunehmen“, schilderte Eichinger. Der damalige Rotenburger Bürgermeister Bodo Räke und Stadtdirektor Ernst-Ulrich Pfeifer wollten diesen Menschen helfen. „Eine gute Entscheidung, wie wir heute wissen“, so Eichinger. Da das Predigerseminar in der Ahe seinerzeit leer stand, nutzte die Stadt die Möglichkeit, die Räume von der Landeskirche für die Unterbringung der Zuzugswilligen anzumieten. Eine Abordnung der Wümmestadt bestehend aus Superintendent Gerhard Chrzanowski, Sozialamtsleiter Siegfried Janke und Info-Büroleiter Heinz Gehnke fuhr damals ins Durchgangslager Osnabrück, um bei den dort untergebrachten Aussiedlern für den Wohnstandort Rotenburg zu werben. Im Dezember selben Jahres kamen die ersten drei miteinander verwandten Familien aus der damaligen UdSSR an die Wümme und wurden mit einem Empfang im Rathaus willkommen geheißen. Bis es dazu kam, galt es aber, einige Hürden zu überwinden. Der Sprecher des Arbeitskreises Integration und Sozialarbeiter im Jugendmigrationsdienst des Diakonischen Werkes, Herbert Neumann, befragte dazu in der Feierstunde einige Zeitzeugen, beispielsweise Emilie Beutelspacher (quasi Aussiedlerin der ersten Stunde), Gerhard Chrzanowski, Arbeitsvermittler Dirk Rudert und Irmentraut Pfeiffer-Ubadi (VHS) die von Hoffnungen, Vorstellungen, Sehnsüchten und Wünschen berichteten. Die Werber der Stadt waren erstaunt, auf welche Skepsis sie in Osnabrück stießen. „Gibt es denn dort auch einen Arzt oder eine Apotheke?“, lautete beispielsweise eine der bangen Fragen nach der Infrastruktur der Wümmestadt. Drei Familien, bestehend aus sechs Erwachsenen und acht Kindern, entschieden sich dennoch, ihren künftigen Lebensmittelpunkt nach Rotenburg zu verlegen. „Wir wussten ja gar nicht, wo wir da landen“, schilderte Beutelspacher ihre Empfindungen, als sich der Bus ihrem Zielort, dem Predigerseminar abseits des Stadtkerns im Ahewald, näherte. Aber die Tatsache, dass die Familien dort zusammenblieben und spätere Besuche vieler engagierter Rotenburger sorgten für die Zuversicht, die richtige Wahl für den Neustart getroffen zu haben. Geholfen hätten zudem die Deutsch-Sprachkurse an der VHS, finanziert vom Arbeitsamt, in denen die Neubürger auch viele lebenspraktische Tipps erhalten hätten, wie beispielsweise den Umgang mit dem ungewohnten Überangebot im Supermarkt beim täglichen Einkauf. 1989 stellten zur Unterstützung der Aussiedler der Landkreis Rotenburg den inzwischen verstorbenen Innozenz Grad und die Kirche Sozialarbeiter Herbert Neumann ein. Auch Sozialamtsleiter Janke und seine Mitarbeiter begleiteten und unterstützten die Familien bei den zu stellenden Anträgen und halfen bei der Wohnungssuche, denn das Predigerseminar sollte nur als Übergangslösung dienen. Bereits damals entwickelte sich ein loses Netzwerk, aufgebaut von vielen engagierten Menschen. Mit deren Hilfe konnten Wohnungen angemietet werden. Immer neue Aussiedlerfamilien kamen nach. In den ersten drei Jahren waren es 590 Menschen. In den Jahren 1992 bis 1993 wurden von der Stadt mehrere Blöcke mit 64 Wohnungen an- und weitervermietet. Bis Ende 1996 verzeichnete die Stadtverwaltung 1.362 Aussiedlerzuzüge. Mittlerweile haben viele der Menschen in unterschiedlichen Baugebieten Gründstücke erworben und eigene Häuser gebaut. Ende 1996 wurden alle Beteiligten zu einem runden Tisch eingeladen, aus dem sich der heute noch aktive Arbeitskreis Integration entwickelte.

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