Yukon Quest: Volkhard Jürgens aus Scheeßel fährt das härteste Hundeschlitten-Rennen der Welt - Von Dennis Bartz

1.600 Kilometer durch das ewige Eis

Ein Schlitten, ein Musher und 14 Huskys: Der nächste Checkpoint ist mindestens 100 Kilometer entfernt.
 ©Foto: Silvia Furtwängler

Scheeßel. Volkhard Jürgens steht vor der härtesten Aufgabe seines Lebens. Im wohlig warmen Wohnzimmer seines Hauses in Scheeßel erzählt er bei Kaffee und Kuchen von dem waghalsigen Abenteuer, auf das sich der 48-Jährige eingelassen hat. Im Kaminfeuer knistert ein Holzscheit. Es sind mindestens 25 Grad Celsius. An dieses Klima wird er noch oft denken, nachdem er seine Reise im Februar nächsten Jahres begonnen hat. Denn dann wird sich Jürgens ganz warm anziehen müssen. Er nimmt als zweiter „Musher“ (Hundeschlittenfahrer) im Team der Hunderennen-Legende Silvia Furtwängler am Yukon Quest teil.

Es gilt als das härteste Schlittenhunderennen der Welt und führt rund 1.600 Kilometer durch Alaska und Kanada. Im Feburar 2016 geht es los: Vom Start in Fairbanks (Alaska) geht das Rennen durch die einstige Goldgräberstadt Dawson City bis nach Whitehorse (Yukon Territory) im nordwestlichen Zipfel Kanadas. Die Witterung dort ist zu dieser Jahreszeit mörderisch: bis zu minus 50 Grad erwartet die bis zu 50 Gespanne.
Die Temperaturen sind aber nicht das schlimmste, das Jürgens und seinen 20 Huskys droht: Schneestürme und Blizzards sind in dieser Gegend keine Seltenheit. Wer darauf nicht optimal vorbereitet ist, hat keine Chance. Keine Chance, das Rennen zu gewinnen. Keine Chance, es zu überleben.Denn Hilfe gibt es nur an festgelegten Checkpoints. Dazwischen – mindestens 100 Kilomter lang, oft sogar noch mehr – gibt es entlang des Trails nichts bis auf Eis, Schnee und kahle, felsige Landschaften. Die Schlittenfahrer und ihre Hunde sind auf sich allein gestellt.„Über den zugefrorenen Yukon River, durch verschneite Wälder und über zerklüftete und steile Berge, fast immer allein mit den Hunden, den üblen Launen des kanadischen und alaskanischen Winters unweit des Polarkreises ausgesetzt“, heißt es auf der deutschen Internetseite des „Yukon Quest“-Rennens. Man muss schon ein besonderer Typ sein, um eine solche Reisebeschreibung verlockend zu finden.Volkhard Jürgens hat die Reise gebucht. Bis zu 50 Gespanne nehmen an dem Rennen teil – darunter voraussichtlich nur ein deutsches Team mit zwei Gespannen, die aber getrennt voneinander fahren. Das erste Gespann führt Silvia Furtwängler, eine der erfahrensten Schlitten-Profis, die schon etliche Rennen bestritten und einige sogar gewonnen hat: so zum Beispiel zuletzt das Volga Quest 2014.Am Yukon Quest hat sie schon dreimal teilgenommen. Für Jürgens wird es dagegen eine eisige Premiere, in der es für ihn vor allem um eines geht: ankommen. „Jeder Finisher wird gefeiert wie ein Sieger. Das letzte Gespann im Ziel sogar ganz besonders“, so Jürgens, der natürlich trotzdem lieber weiter vorne landen würde.Viel Platz für Gepäck bietet sein Schlitten nicht. Der Schlitten kann bis zu 150 Kilogramm wiegen, neben den persönlichen Dingen wie extra Bekleidung für den Notfall und Essen für den Musher, ist der größte Anteil für das Futter und Snacks für die Hunde bestimmt. Das Schlittenhunde-Rennen wird seit 1984 ausgetragen und erinnert an die historische Rolle des „Trails“ bei der Erforschung des amerikanischen und kanadischen Nordens sowie an die Gold-Schürfer, Fallensteller und Briefboten, die das Land ohne Hilfe moderner Beförderungsmittel erschlossen.Viele Musher bringt das Rennen an ihre körperlichen und geistigen Grenzen. Andere sogar darüber hinaus: Bis auf eine zweitägige, vorgeschriebene Pause in Dawson bleibt kaum Zeit zum Schlafen. „Wer das Rennen erfolgreich bestreiten will, dem bleibt nur wenig Zeit zum Ausruhen“, erklärt Jürgens.Die Anstrengungen, das Klima, der Schlafmangel – für einige war das am Ende zu viel: So wird erzählt, dass der Musher John Gurley während eines Rennens als Folge seiner Erschöpfung Zwerge auf dem Trail sah. Ein anderer soll auf seinem Schlitten eingeschlafen sein.Aber wie überstehen die Hunde die Anstrengung, das Eis, den Schnee und die frostigen Temperaturen? „Sie sind dann buchstäblich in ihrem Element“, verspricht Jürgens, der deutlich macht: „Für einen Husky kann das Leben in einer kleinen Mietwohnung eine Quälerei sein.  Die wichtigste Aufgabe eines Musher, besteht darin, auf seine Hunde zu achten, sie nicht zu überpowern und ihnen genügend Rast zu geben.     Jeder Musher hege und pflege seine Hunde: Damit sie auf dem schwierigen Untergrund keine Verletzungen erleiden, tragen sie Spezialschuhe. Rund 10.000 dieser „Booties“ werden in dem Yukon Quest verbraucht. 20 Tierärzte kontrollieren an jedem Checkpoint die Gesundheit der Tiere. Jeder Musher startet mit 14 Hunden, sollte einer ausscheiden, darf dieser nicht ersetzt werden. Daher ist die die große Aufgabe und die Plicht von einem Musher  sehr sehr sorgsam mit seinem Team umzugehen. Es gibt eine feste Hierarchie vor dem Schlitten, erklärt Jürgens: „Der Musher muss sich genau überlegen, welcher Hund an welcher Position eingesetzt wird.“ Ganz vorne stehen die beiden Lead-Dogs, dahinter zwei Swing Dogs. Dahinter folgen – ebenfalls in Zweierreihen – acht Team-Dogs. Und direkt vor dem Schlitten bilden die beiden Wheel-Dogs den Abschluss. „ Die wichtigsten Hunde im Team sind die Leader“, erklärt der Musher.Es sind übrigens in der Regel keine reinrassigen Huskys, die bei dem Yukon Quest und ähnlichen Rennen eingesetzt werden. Der heutige Alaskan Husky ist eine Züchtung zwischen Nordischen Hunden und Jagdhunden wie Pointer, Salukie und Hounds", weiß Jürgens. Er selbst bekommt die meisten seiner Team-Hunde von Teamführerin Silvia Furtwängler gestellt.Einfach vorspannen und drauf los fahren geht natürlich nicht: Der Musher muss sich auf seine Hunde verlassen, mit ihnen trainieren und sie gut einschätzen können. Denn sie sind für ihn wie eine Lebensversicherung. Wer tagelang quer durch die menschenleere, eisige Wildnis Alaskas fahren, den zugefrorenen Yukon River überqueren, steile Anstiege und rasante Talfahrten meistern, tückische Schneelöcher und scharfe Eisplatten umkurven möchte, der bezahlt sonst womöglich jeden Fehler mit etwas viel Kostbarerem als nur mit dem verpassten Sieg.Deswegen sind klare Ansagen auf dem Trail unerlässlich: „Gee!“ (Rechts), „Haw!“ (Links), „Wow!“ (Halt), „Go Ahead“ (Geradeaus) und „Hike!“ (Schneller) sind die wichtigsten Befehle des Mushers. Sie müssen sitzen. Schließlich möchte Volkhard Juergens das Rennen gesund überstehen und anschließend um eine einzigartige Erfahrung reicher zurück in sein gemütliches Heim kommen, wo er dann sicher vor dem Kamin von spannenden Abenteuern erzählen kann.

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