Warum Hecken gegen Monokulturen helfen und Lebensraum für zahlreiche Tiere bieten - Von Christiane Looks

Unterschlupf für Eidechsen

In Nindorfer Hecken ist Artenreichtum zu finden. Foto: Joachim Looks
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Nindorf. Ein brauner Briefumschlag, laut Poststempel im Dezember 1988 in Lingen (Ems) abgeschickt, enthielt ein mittlerweile etwas vergilbtes, offenbar mit einer Schreibmaschine angefertigtes Anschreiben, in dem seitens der Stadtverwaltung eine Broschüre angekündigt wurde, die dem Schreiben beiläge. Auch diese mehrseitige Information war in der Zwischenzeit nicht mehr so weiß wie vermutlich beim Absenden, aber ihr Inhalt überraschte nach fast dreißig Jahren.

Darin stellte der für Umweltschutz zuständige Bereich des Ordnungsamtes fest: „Jede Tier- und Pflanzenart ist auf irgendeine besondere Weise spezialisiert. Je vielfältiger die Landschaft ist, um so größer ist die Zahl möglicher Spezialisten und umso vielschichtiger sind die Beziehungen, in die sie miteinander treten. Je mehr verschiedene Arten es gibt, desto dichter ist das Netz der Wechselwirkungen geknüpft und um so größer ist die Stabilität der Lebensgemeinschaft.“ Weiter wird festgehalten: „Der Normalfall der landwirtschaftlichen Nutzung ist, dass die Vielzahl der ursprünglich auf Äckern, Weiden und Wiesen vorkommenden Pflanzenarten zugunsten einiger weniger wirtschaftlich genutzter Kulturpflanzen zurückgedrängt wird. Aus der ursprünglichen Vielfalt wird die Monokultur. Damit geht auch die ursprüngliche Stabilität der Lebensgemeinschaft verloren. Es gibt Tier- und Pflanzenarten, die sich im Übermaß vermehren und dann als sogenannte Schädlinge auftreten. Nur eine vielschichtige, abwechslungsreiche Landschaft kann dieses verhindern.“

Es überrascht, wie hier mit wenigen, prägnanten Sätzen ein Problem umrissen wird, welches dreißig Jahre nach dem Abschicken des Briefes an Brisanz in keinster Weise geringer wurde. Nicht weniger erstaunt: Die Verfasser dieser Broschüre klagten nicht nur, sondern zeigten einen Weg auf, Verlorenem zu begegnen, der auch heute nichts an seiner Gültigkeit verloren hat. Sie stellten fest, dass eine Vielzahl an Tierarten Hecken als Lebensraum annähmen und von dort aus auf Nahrungssuche gingen. Dem fielen auch solche Insekten zum Opfer, die Erwerbsanbau schädigten.

Natürlich könnten so große Flächen nicht abgedeckt werden, weil zum Beispiel Zauneidechsen, wenn sie denn Hecken als ihr Zuhause erwählten, nur 20 Meter um ihren Wohnort auf Nahrungssuche gingen. Aber Schlupfwespen, Raupenfliegen und viele andere würden ebenfalls helfen, Schadinsektenbefall an Kulturpflanzen zu verringern. Wichtig sei außerdem, dass Wildbienen, Hummeln und Schmetterlinge von Hecken profitierten, weil bei geeigneter Auswahl Pollen und Nektar gesammelt werden könnten.

Was die kleine Broschüre darüber hinaus so bemerkenswert macht, ist die Auflistung einer Vielzahl an geeigneten Heckenpflanzen, die nicht nur in Bezug auf ihre Standortansprüche dargestellt werden, sondern auch vor dem Hintergrund ihrer Bedeutung für Mensch und Natur. Ratsuchende erfahren, dass Schlehen (Prunus spinosa) nicht nur Bienen erfreuen, menschlicher Nahrung (Marmelade) dienen, von Vögeln gerne genommen werden und überdies als Zierpflanze im Frühjahr das Auge mit ihren weißen Blüten erfreuen, sondern selbst der Vogelbeerbaum (Sorbus aucupana) seine Früchte als menschliche Nahrung anbietet. Da mir im Elternhaus noch vermittelt worden war, Vogelbeeren seien giftig, durchstöberte ich neugierig sogenannte Feld-, Wald- und Wiesenkochbücher. Sie bestätigten, die dekorativen Beeren seien gekocht genießbar, sollten aber wegen ihres herben, teilweise bitteren Geschmacks besser zusammen mit Äpfeln zu Kompott oder Marmelade verarbeitet werden.

Die Broschüre charakterisiert Hecken als „unentbehrlich für die jagdliche Nutzung und den ästhetischen Wert unserer Landschaft“. Rund zehn Jahre später entschloss sich der Visselhöveder Ortsteil Nindorf zu einem Flurbereinigungsverfahren. Dabei wurden erhebliche Mittel in Heckenanpflanzungen investiert, mit denen nicht nur der ästhetische Wert der Nindorfer Umgebung aufgewertet wurde. Wer sich selber den hinzu gewonnenen Mehrwert ansehen möchte, biege von Visselhövede aus kommend von der B 440 beim Hof Rießel nach links in die K 245 nach Nindorf ab. Nach etwa 500 Meter erneut links einem befestigten Weg folgen, der zum Nindorfer Holz führt. Unmittelbar vor dem Wald geht es nach rechts weiter, und ab Waldende lässt sich eine der sehenswerten Nindorfer Hecken am besten zu Fuß erkunden. Immer mal wieder ist ein weiter Blick über die vielfältig strukturierte Landschaft nach Visselhövede möglich. Wissensbegierige werden auch ohne erläuternde Tafel mit geeigneten Hilfsmitteln elektronischer oder papierener Art rasch herausfinden, was dort alles wachsen darf. Monokultur? Für diese Hecke gilt das nicht.

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