Unter dem Schauer der Scheune in Hiddingen stehen sie wie überdimensionale Bohnenstangen, die nicht mehr gebraucht werden. Eines haben die Kiefernstämme alle gemeinsam: einen Bogen in unterschiedlicher Höhe. Die sogenannten Posthornbäume sammelt Heiner Kemna nicht von ungefähr: Jetzt hat er zwei Kunstwerke aus ihnen zusammengestellt. Zu sehen sind sie während des Kunst- und Kulturwochenendes in der Gemeinde Kirchlinteln am Samstag und Sonntag, 18. und 19. August, auf einer Wiese bei Schafwinkel.
Vor zwei Jahren wurde der Hiddinger Künstler zum ersten Mal zu dem besonderen kulturellen Wochenende eingeladen. Die Grundidee stammt von Margret Find, die die Umsetzung allerdings nicht mehr erleben sollte. Sie hatte solche Wochenenden im Wendland erlebt, wo sie aus der Anti-Atom-Protestbewegung erwachsen sind. In Kirchlinteln wurde das Projekt dann von Kurt Hoffmann und einigen Mitstreitern realisiert. Und für Kemna ergab sich die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen Künstlern aus der Region in einer Scheune in Schafwinkel Skulpturen und Fotos auszustellen. Das tat er auch im Folgejahr, macht damit nun aber eine Pause. Wo er allerdings dennoch vertreten ist, das ist bei dem Teilprojekt Landart. Kunst in der Landschaft gibt es nämlich ebenfalls seit 2010 an dem Kulturwochenende. Der Wittorfer Schäfer Heiner Gerken stellte dafür seine Weide zur Verfügung und sprach Künstler aus seinem Bekanntenkreis an, ob sie nicht ebenfalls Lust hätten, mit Skulpturen dabei zu sein. Was entstand, war etwas Skurriles: Der verrostete riesige Tankdeckel vom inzwischen verschrotteten Tank der alten Molkerei in Schafwinkel fand sich dort ebenso wieder wie eine Grasfläche – belegt mit alten Fliesen. Ein Tunnel aus Stahl und Wolle wurde aufgestellt und eben auch eine Skulptur von Kemna. "Da hatte ich im Wald zwei Fichten entdeckt, die eine verkrüppelte Krone hatten. Die habe ich aneinandergesetzt und so eine Windharfe geschaffen“, erklärt der Hiddinger. Die steht auch heute noch auf der Wiese. Und etwas Neues ist hinzugekommen. Kemna betreibt neben seiner Kunst auch Waldwirtschaft. Und dazu ist er viel zwischen seinen Bäumen unterwegs. Immer mit einem Blick für das Außergewöhnliche. Und so stieß er irgendwann auch auf die Posthornbäume. "Der s-förmige Schlenker im Stamm entsteht, wenn der Kieferntriebknospenwickler die jungen Bäume anpiekst, um seine Eier hineinzulegen. Das hindert das gerade Wachstum und der Baum treibt seitlich weiter. Weil er dann aber wieder in die Senkrechte wachsen will, ergeben sich die typischen Bögen“, erklärt Kemna. Für die Holzwirtschaft seien solche Bäume eigentlich nicht zu verwerten. Außerdem werden sie in der Regel früh durch Windbruch abgeknickt. "Der Bogen ist eine natürliche Schwachstelle“, so Kemna. Auf einer Karte markierte er die Stellen, an denen solche Posthornbäume zu finden waren. Irgendwann wurde es Zeit: Er suchte die Stellen auf und fällte die Bäume, um sie dann bei sich unter dem Scheunenschauer aufzustellen, bis sie eine Verwendung fänden. Das war jetzt der Fall: Einen über dem Bogen abgebrochenen Stamm und zwei besonders kräftige Bäume wählte er als Ständer für die erste Skulptur aus, ein schlangenförmiger Baum wurde darauf montiert. Kemna schälte die Bäume, schliff die Stämme und bemalte sie anschließend rot. Schwierig gestaltete sich das Aufstellen. Kemna war klar: "Entweder wir brauchen einen Kran, um die Stücke in einer Höhe von sieben Metern zu montieren, oder wir mussten das Objekt in einem Stück aufrichten.“ Als Letzteres geschah, fühlte sich Kemna an Urlaube im spanischen Asdurien erinnert, wo die Bewohner der Dörfer zum Carmen-Fest einen Wettbewerb austragen, bei dem es gilt, den größten Baum von Hand in seinem Dorf aufzustellen. Und so bekam die Skulptur ihren Namen: Carmen. Warum das passt? "Egal – ich kenne die Frau ja nicht“, sagt Kemna mit einem Schmunzeln. Ihm kam es bei den Objekten nicht auf einen tieferen Sinn an. "Es ist mehr der Spaß und keine so verdammt ernste Sache“, erklärt er. Und wie kommt er dann zu seinen Gestaltungsideen? "Ein wenig ist das wie bei Kindern, die 30 Legosteine in die Hand und gesagt bekommen: Mach mal was daraus.“ Das Material gibt die Form vor. So entstand auch das zweite Objekt. 16 der Posthornbäume stellte er dafür in eine mehr oder minder gerade Reihe, einer liegt schräg dazwischen. Die schräge und die letzte stehende Stange färbte der Hiddinger blau ein. "Das sieht aus, als stünden da irgendwelche Wesen in ihrer eigenen Verkrüppeltheit. Und der Blaue scheint umgekippt zu sein. Das ist etwas aus der Welt, die uns umgibt, das wir aber selten wahrnehmen.“ Und welchen Titel trägt das Objekt Nummer zwei? Kemna: "Ich habe es mal die 16 Apostel genannt.“ Aber es sind doch 17 Stangen!? "Da kann jeder überlegen, wer nicht dazugehört“, erklärt der Künstler. Die Landart-Wiese findet sich etwa 500 Meter vom Ort Schafwinkel entfernt und ist ausgeschildert. _________________________________________ Kunst Kultur Kirchlinteln Das Programm am Samstag und Sonntag, 18. und 19. August Wenn nicht anders angegeben, sind die Ausstellungen an beiden Veranstaltungstagen von 11 bis 18 Uhr geöffnet. - Brunsbrock (Müllerhaus) Corinna Müller (Kunsthandwerk) Kulturkreis Lintelner Geest (Töpferarbeiten, Malerei, Schmuck) Sabine Heidel (Schmuck) - Groß Heins (Hof Diercks) Gabriela Löbe (Malerei) 10 bis 18 Uhr: Heinz Eggers (Museum de Imkerstuv) - Groß Sehlingen (Mosterei) Dein Obst, dein Saft Martin Turner (Holzbildhauerei) Ragna Reusch-Klinkenberg (Kunsthandwerk) Ingrid Brenke (Schmuck) Helga Koch (Schmuck) Felix Hasloop (Holzarbeiten) Britta Haffke (Malerei) Karin Sarzio (Naturkosmetik) Samstag, 20 Uhr: Konzertabend mit Strings on Wings, Go UK und anderen Sonntag, 15 Uhr: Chorkonzert mit Ver-Voices - Hohenaverbergen (Kürbishof Cordes) Astrid Cordes (Genuss und Kürbiskunst) Silvia Neumeyer (Schmuck mit Magnetkraft) Marion Palm (Malerei) Ingeborg Müller (Malerei) - Holtum Geest (Hoff Norn) Erich Schwinge (Malerei) Vernissage am Freitag, 17. August, 18 Uhr AG Kunst Kultur Kirchlinteln (Malerei) Vernissage am Freitag, 17. August, 18 Uhr Samstag, 18 Uhr: Liederabend mit Angelika Hoffmann Sonntag, 15 Uhr: Theater mit der Holtumer Theatergruppe - Kirchlinteln (Lintler Krug) Dirk Bodenstein (Malerei) Waltraud Storm (Stoff) Margitta Ludwigs (Musik und Fotoausstellung) Sven Ampts (Fotografie) Sonntag, 15.30 Uhr: Konzert Gitarrenensemble Margitta Ludwigs Sonntag, 17 Uhr: Chorkonzert mit Ver-Voices - Kirchlinteln (St. Petri) Silke Ahrens (Gemeinschaftsprojekt/Ausstellung Gedenkbretter) 13 und 15 Uhr: Silke Ahrens (Führungen zur Bestattungskultur) - Kirchlinteln (Kükenmoorer Straße 7) Dr. Rainer-Georg Bohlius (Keramik, Skulpturen aus Paperclay) Hannelore Breitlow (Mode) Thomas Hoffmann (Malerei) Dr. Sigrun Kurz (Bildinstallationen) Kerstin Heipel (Malerei) Ulla Kreuzträger (Malerei) - Kirchlinteln (Alter Kohlenförder Weg 8) Samstag, 11 bis 18 Uhr, Diana Lindhorst (Malerei) - Kreepen (Süderwalseder Straße 21a) Rosana Camargo Blaschke (Malerei und Skulpturen) Hilton Luiz Gonzales y Alvaro Lillo (Musik) - Neddenaverbergen (Dorfplatz) Ingrid Panten (Kultur-Tour) Samstag, Erntefest (13.30 Uhr, Abholung der Erntekrone, Ernteumzug mit Musik; 15 Uhr, Kaffeetrinken auf dem Dorfplatz; 20 Uhr, Festball) - Neddenaverbergen (Neddener Dorfstraße 9) Sonntag, 11 bis 17 Uhr: Holger Winter (Hundeschlittensport) - Neddenaverbergen (Marienstraße 9b) Michaela Kanz (Malerei) - Neddenaverbergen (Neddener Dorfstraße 38) Ulrike und Thomas Bartsch (Bücher und CDs) - Schafwinkel (Alte Molkerei) Anna Teichler (Keramik) Wolfgang Hannen (Malerei) Jann Grotum (Fotografie) Samstag, 11 bis 18 Uhr Gerhard Bünker (Crepes und Kaffeespezialitäten) - Schafwinkel (Tragende Gemeinschaft) Gloria van Krimpen (Installationen) Olliver Gorecki (Fotografie und Holzarbeiten) Sonntag, 16 Uhr Konzert mit Olliver Gorecki und dem Toc-Quartett Sonntag, 11 bis 18 Uhr Gerhard Bünker (Crepes und Kaffeespezialitäten) - Schafwinkel (Schafweide) Heiner Kemna, Heiner Gerken und andere (Landart)
