Zeremonie des Instandsetzungsbataillon 3 in Scheeßel

600 Rekruten geloben, treu zu dienen

(vg). Richtungsentscheidungen zu treffen, fällt in der Menge offenbar leichter. Nicht nur bei den 600 Rekruten, deren Gelöbnisfeier im Scheeßeler Stadion Waidmannsruh stattfindet, ist das zu beobachten. Einzeln sind die jungen Soldaten für die Beobachter ohnehin kaum auszumachen bei der längst einsetzenden Dunkelheit. Mit ihren einheitlich grauen Mänteln und den roten Baretts stehen sie nur als Grüppchen zu erkennen am Rand des Rasenfeldes kurz vor der Auslinie und sprechen lautstark nach: "Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen. Und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes zu verteidigen."

Das Publikum harrt zunächst wie kurz zuvor angewiesen auf der gegenüberliegenden Seite hinter der Tartanbahn aus. Ein Mann in der Menge, der aussieht wie der Protagonist aus Fassbinders Film "Warum läuft Herr R. Amok", ist plötzlich verblüfft. Der Grund: im Augenblick, als das Herresmusikkorps I auf das Fußballfeld marschiert, setzen sich die Zuschauer um ihn herum wie zusammen verschworen über die bis dahin eingehaltene Regel hinweg und verlassen den für sie vorgesehenen Platz. Sie spazieren rüber zum Rasen, um eine bessere Sicht zu haben. "Wieso gehen jetzt alle dahin?", fragt Herr R. noch kurz und deutlich vernehmbar, hat kurzentschlossen aber auch längst die Seite gewechselt. Der erste, der sich an die zum Instandsetzungsbataillon 11, Nachschubbataillon 11, Panzerflugabwehrkanonenregiment 11, Stabs- und Fernmeldebataillon 1 und Instandsetzungsbataillon 3 gehörenden Soldaten wendet, ist Militärpfarrer Herwart Argow. Er begrüßt die Rekruten und stimmt mit ihnen zur Eröffnung des Gelöbnis-Gottesdienstes das Lied "Danke" an. Eher unfreiweillig komisch als den Gesang unterstützend erweist sich dabei die dünne musikalische Begleitung aus der Konserve. Im Angesicht eines großen Holzkreuzes legt Argow den Soldaten den Psalm-23-Text "Der gute Hirte" ans Herz. Sein Rednerpult ist schwarz-rot-golden beklebt, der Sockel wie Tore und Banden mit Tarnnetzen verhangen. Respektvoll und sogar die Hände gefaltet stehen einige Angehörige dar, Großmütter, Eltern, Geschwister, Freundinnen, Ehepartner. Andere haben keine Hand frei, halten die Veranstaltung geduldig im Bild fest - auf Video oder auf Kleinbildfilmen. Einer Schülerin reicht’s, die feierlichen Wort einseitig zu hören. Sie widmet sich, einen Ohrhörer eingestöpselt, lieber aktuellem Pop. Gastredner Kurt Palis, Mitglied des Bundestages, bezeichnet indessen das Gelöbnis als "ein bedeutendes Ereignis für die Bundeswehr". Er dankt allen, die durch Anwesenheit ihre Verbundenheit mit den Soldaten bezeugten. Den Dienst, den die jungen Menschen "für die Freiheit unseres Landes leisten wollen, ist zugleich ein Symbol für die Gemeinsamkeit der Deutschen". Palis findet "das Leitbild vom Staatsbürger in Uniform für unser Land ebenso wie für Europa so modern und zukunftsweisend wie vor 40 Jahren". Er weist darauf hin, dass das 20. Jahrhundert den Völkern viel Leid gebracht habe. Dass zum Beginn des 21. Jahrhunderts aber die Chance bestehe, die Weichen richtig zu stellen. Der kalte Krieg sei vorbei, die militärische Bedrohung aus dem Osten verschwunden. Palis: "Wir müssen jederzeit bereit sein, Frieden und Sicherheit für unser Land und Europa zu wahren. Und notfalls auch durchzusetzen." Oberstleutnant Harald Christoph, neuer Kommandeur des Instandsetzungsbataillon 3, betonte, dass die Entscheidung, Wehrdienst zu leisten, Anerkennung und Unterstützung verdiene. Dankbar zeigte er sich, dass so viele Gäste angereist seien. Christoph wies darauf hin, "dass wir heute an der Schwelle zum 21. Jahrhundert in einer Zeit des Um- und Aufbruchs leben. Die Chance zu einer erweiterten europäischen Gemeinschaft und Partnerschaft wirken sich massiv auch auf die deutschen Streitkräfte aus. Zum ersten Mal sind wir ausschließlich von befreundeten Nationen umgeben." Als eine Herausforderung für die Streitkräfte sieht der Oberstleutnant eine grundlegende Strukturreform: "Ziel ist eine Bundeswehr, die sehr flexibel auf unterschiedliche Einsatzspektren und mobil auf mögliche Einsatzorte reagieren kann." Ruhige Stunden beim Gelöbnis haben die Einsatzkräfte der Polizei. Hauptkommissar Detlev Kaldinski hat dabei noch ganz andere Zeiten in Erinnerung: "Früher sind bei den Gelöbnissen in Rotenburg jedesmal 30 bis 50 Störer aufgetaucht. Deshalb wurden die Zeremonien in die Kaserne verlegt." Inzwischen, meint Kaldinski, hätten sich die Zeiten aber geändert. So hat er am Abend im Scheeßeler Stadion Waidmannsruh nur "einen Einsatz". Der Anlass: Ein Junge ignoriert die Tarnnetze und macht in der Weitsprunganlage große Sprünge. Weil ihm das wichtiger ist.

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