Die Geils erinnern sich gern an ihre sieben Jahre auf Hooge - Von Wieland Bonath

Einmal Hallig, immer Hallig

Die Familie Geils im Jahre 2006 auf der Hallig Hooge (von links): Elke Geils, Hans-Joachim, Holger mit Töchterchen Celina, Katja und Martin
 ©Rotenburger Rundschau

Sieben Jahre, die sie nie vergessen werden, lagen am 10. Oktober 2006 hinter den Mitgliedern der Familie Geils, als sie vom Anleger der Hallig Hooge mit der 8-Uhr-Fähre Hilligen Ley in Richtung Festland ablegten - im Möbelwagen ihr sämtliches Hab und Gut. Die gelernte Einzelhandelskauffrau Elke Geils (damals 46) und Gemeindearbeiter Hans-Joachim Geils (56) mit ihrer Tochter Katja (21) mussten aus gesundheitlichen Gründen in ihren Heimatkreis Rotenburg zurückkehren.

Vier Tage zuvor waren auf Einladung von Bürgermeister Otto Dell Missier fast alle 112 Bewohner des 5,5 Quadratkilometer kleinen Eilandes ins Gasthaus Zum Seehund zur Verabschiedung der Hallig-Kaufleute gekommen. Immer wieder, besonders wenn sie zusammensitzen, fliegen jetzt ihre Gedanken und Erinnerungen aus der Tilsiter Straße in Scheeßel über die Nordsee nach Hooge zur "Königin der Halligen“. Geils‘ haben in ihrer alten Heimat längst wieder Arbeit und Anschluss gefunden, sie haben sich eingelebt und wollen jetzt hier bleiben. Aber die sieben Jahre waren einfach zu prägend, als dass sie beiseite gelegt und abgehakt werden könnten. Elke Geils: "Das Wichtigste, was wir von Hooge mit aufs Festland genommen haben, ist die innere und äußere Ruhe. Das können wir im oft hektischen Alltag gut gebrauchen.“ Einmal Hallig, immer Hallig. Zwar möchten die Geils nicht von Wehmut sprechen, wenn es ums Hooge-Rückerinnern geht. Aber in ihrem Einfamilienhaus in Scheeßel gibt es überall Reminiszenzen. Zum Beispiel die Bilder von Gretchen Manz. Eines stellt die Westerwarft dar, einen der künstlichen Erdhügel, die die Wohnhäuser vor den Sturmfluten schützen sollen. "Land unter“ – ja, meint Hans-Joachim Geils, von einem gewissen Wasserstand an könne einem schon ganz schön mulmig werden. Aber der Mann aus Jeddigen hat die Bedeutung der Halligen längst verstanden: "Wenn es sie nicht mehr gibt, dann wird es über kurz oder lang auch Schleswig-Holstein verschwinden. Die Halligen sind die Wellenbrecher für das Festland.“ Für junge Leute bieten die Halligen kaum Perspektiven. Das Angebot an Arbeitsplätzen ist verschwindend klein. Dennoch: Seine Frau Elke, die den kleinen Kaufmannsladen auf der Hanswarf führte, brauchte sich um den Umsatz wenig Sorgen zu machen. Ihre Aufgabe war es, für die Bewohner die Grundnahrungsmittel und noch ein bisschen mehr bereitzuhalten. Eine Arbeit, die ihr sehr viel Freude machte. Wenn dann noch die Fähre mit der Ware einigermaßen pünktlich festmachte, war schon alles gerettet. Elke Geils‘ Geschäft war auch ein Treffpunkt. Hier wurden die neuesten Informationen ausgetauscht. "Jeder“, erinnert sich die Kauffrau schmunzelnd, "weiß über den anderen sofort Bescheid. Man schaut über die Hallig und man sieht alles.“ Klar, es komme auch vor, dass über einen anderen mal gelacht werde, aber das habe auch bald sein Ende. Bösartiges Hinter-dem-Rücken-Tuscheln gebe es nicht. Vornan stehe die nachbarliche Hilfe. Dazu seien die Menschen durch die Natur geprägt. Ihre Erfahrung: "Sagen die wortkargen Hallig-Bewohner nichts, ist alles in Ordnung. Nur wenn es Kritik anzumelden gibt, kommen sie mal aus der Reserve.“ Trotz dieser Zurückhaltung haben die Geils in der winzigen, scheinbar geschlossenen Gesellschaft unvoreingenommene und freundliche Aufnahmen erfahren. Das mag auch einer der Gründe gewesen sein, der ihnen den Abschied von der Hallig so schwer machte und sie immer wieder an die sieben Jahre draußen in der Nordsee denken lässt. Hans-Joachim Geils war und ist begeistertes Mitglied der Theatergruppe Hooger Speeldeel, die ihren Saal im Keller des Gemeindehauses hat. Seine Frau fungierte als Souffleuse. Austreten? Nein, das bringt er nicht übers Herz. Genau wie Elke Geils, die auch heute noch dem Boßel-Verein angehört. Auf ihre Erfolge gleich beim ersten Wettkampf auf den winterlichen Fennen (Wiesen) ist sie noch heute stolz: "Das Boßeln hat eine große Bedeutung, es kommt für die Hallig-Bewohner gleich nach Weihnachten.“ Übrigens sei die Mitgliedschaft im Verein ausschließlich Hallig-Bewohnern vorbehalten. Außerdem gibt es für ihren Mann noch einen weiteren Draht zur Hallig, den er auf keinen Fall kappen möchte: seine Mitgliedschaft im HSCH (Hallig Segelclub Hooge). Die Mitglieder benutzen kleine Katamarane, Hoby-Cats 16. Mit Broder Dietrichsen stellt der Verein den amtierenden Europameister und Vizeweltmeister. Martin, der jüngere Sohn der Geils, ist derjenige, der die Hallig am meisten vermisst. Er kann sich noch gut an seine Schulzeit als einer von nur neun Schülern erinnern, die Lehrer Uwe Jessel unterrichtete. Inzwischen hat der junge Mann keine Bedenken mehr, seine Sünden von damals zu gestehen: "Ich habe immer heimlich geraucht und bin dazu zum Deich gegangen.“ Stolz ist er auf seinen Erfolg als 14-Jähriger beim Hooge-Lauf über eine Distanz von zehn Kilometern: In seiner Altersgruppe belegte er damals den ersten Platz. Und dass er für die Landwirte immer Heu fahren durfte, daran erinnert sich Martin gern. In ihrer jetzigen Umgebung sei vieles anonymer als auf Hooge, hat Schwester Katja festgestellt. Ihrem Lebensgefährten Oliver will sie möglichst bald einen Eindruck der sieben Jahre "in der Nordsee“ vermitteln. Damit die Geils nicht etwa auf die Idee kommen, Hooge zu vergessen, schickt ihnen Holger Wulf, der Betreiber des kleinen Heimatmuseums auf der Hallig, Jahr für Jahr einen Kalender mit Hooge-Fotos. Und selbstverständlich sind die Motive des Bildschirmschoners ebenfalls von der Hallig: die Trachtengruppe, das Wattenmeer, ein glühender Sonnenuntergang...

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