Beekeschüler führen neue Inszenierung auf

Das Ende: kaum auszuhalten

(vg). Zwei Ansagen noch, dann kann’s losgehen. Zwei Bitten vielmehr, "um Freundlich- und Höflichkeiten", dabei macht das Publikum auf den ersten Blick gar keinen unfreundlichen Eindruck. Höflichkeiten abzuschätzen scheint verfrüht. Zum einen sollen jedenfalls die Mobiltelefone aus. Zum anderen sollen die Getränke, die in der Pause dann verzehrt werden bitte nicht werweißwohin gestellt oder mitgenommen werden, "sondern bitte wieder an den Verkaufstresen zurück".

Der Mann, der diese bestimmte wie freundliche Ansage macht, die aber noch nicht zum gleich erst beginnenden Drama gehört, ist Heribert Eiden. Er hat das Theaterstück "Ein Beispiel: Marie" gemeinsam mit der ehemaligen Schülerin Katharina Stöckmann verfasst und ebenso mit ihr die Regie geführt. Auf der Bühne sind wieder einmal zum Teil schon bekannte Akteure aus der schon in den vergangenen Jahren viel beklatschten Theater-Arbeitsgemeinschaft der Beekeschule Scheeßel zu stehen. 14 Mädchen und neun Jungen stehen diesmal im Rampenlicht. Schipperte die letzte Inszenierung, die Komödie "Das Traumschiff", noch in der Gegenwart, wurde für "Ein Beispiel: Marie" die Zeit zurückgedreht. Zurück bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts. Eine Zeit, in der nicht darum gebeten werden musste, Handys auszuschalten, weil an die noch gar nicht zu denken war. In der aber die liebe Ordnung auch bemüht wurde. Wenn auch nicht in Bezug auf Leergut. Eine Zeit, in der zudem Vorurteile und Hass geschürt wurden. Was auch heute noch der Fall ist. Der Fall Marie war jedenfalls so einer. Marie ist zunächst mal vor allem eine unauffällige, aber durchaus ordentliche Person. Deshalb passt’s gut, dass Marie Schömer (Wencke Böhling) in der ersten Szene im Hintergrund vorbeigeht. Um ganz leise und genauso fleißig Kräuter zu sammeln. Hinein in einen Korb. Mit geübten Handgriffen. Während Hans Leider (Joshua Stehnken) - dass tragische der Figur ist schon im Namen angelegt - sich gerade noch mit seinem Freund Michel (Sascha Leuenroth) gebalgt hatte, führt die Geschichte, die gerade erst begonnen hat, schnell hin zum Dilemma. Marie wird ausgegrenzt. Gerüchte sagen ihr Hexerei nach. Sie wird als ungewöhnlich wahrgenommen, weil sie offenbar lieber mit ihrer Katze spricht, als sich mit den anderen Mädchen bei der Kirchweih zu amüsieren. Weil sie, so wie ihre Mutter das konnte, die Heilkräfte von Kräutern einzuschätzen weiß. Weil vielen das unheimlich vorkommt. Die Ausgrenzung entwickelt sich weiter und ist eine, die brutal ausfällt. Nicht erst als Marie am Ende schließlich gefoltert wird. Michel, dessen Darsteller Joshua Stehnken immer noch als tolpatschiger Traumschiff-Kapitän aus dem Vorjahr in Erinnerung ist, emfpindet Sympathie für die junge Frau. Schon durch ein offenes Gespräch mit Marie, gerät der Sohn zwischen die Fronten von Familie und Freunden, die dann schnell keine mehr sind. Eidens Gruppe hat sich also einem durchaus ernsten Thema angenommen, einem großen. Die Geschichte stellt, wenn auch vorwiegend durch die Erwähnung von Orten und Städten, einen Bezug an die Region her. Die Handlung haben Eiden und Stöckmann an einen Hexenprozess angelehnt, der in Rotenburg an der Wümme gegen Ende des 17: Jahrhunderts gegen die 16-jährige Margarete Meineken aus Westeresch geführt wurde. Bei der Premierenvorstellung überzeugt vor allem Wencke Böhling als Marie. Und das, obwohl sie durchaus auch unvereinbar agiert. Zum einen ist sie die eher unscheinbare, die den anderen den Rücken zukehrt, weil sie mit ihnen wenig anzufangen weiß und anders denkt. Die immer irgendwie in sich gekehrt bleibt und den Blick zumindest ein wenig senkt, auch wenn sie Dialoge spricht. Zum anderen aber ist sie bei der Kirchweih und in anderen Situationen, wenn ihr unrecht geschieht oder Hans, ganz präsent. Genau artikuliert sie dann, was so nicht sein darf. Steht auf einmal tonangebend mitten in der Menge. So, wie das von ihr ohne Wut kaum vorstellbar ist. Gegen das Böse zu handeln ist die Intention von Superintendent Rimphoff, der von Philip Blum in Szene gesetzt wird. So, dass der Inquisitor im Kampf gegen Hexerei das Zeug zu einem Gegenspieler furchteinflößenden Kalibers hat. Und das obwohl Rimphoff von seinem Standpunkt, dem Recht aus seiner Sicht, immer auch noch mit sich im Konflikt abwägt. Sich dann aber auch durch eine innere Unruhe be-wegen lässt und lautstark Entscheidungen trifft, die Nadelprobe vorzuziehen. Und weiterzukommen. In Sachen Wahrheit: Außerdem drückt dem Superintendenten immer wieder der Magen. Also muss alles schnell gehen. Der Schreiber (Anna Stöckmann), mit dem so eine Art verschwörerische Übereinkunft besteht, lässt schon mal die Feder über das zur Zeit passend aufgerollte Papier kritzeln. Ein Beispiel: Marie überlässt wenig dem Zufall. Die Konflikte werden im Dialog auf den Punkt gebracht. Zwischen den Zeilen bleibt wenig Raum. Dichter dafür fällt die Atmosphäre des darstellenden Spiels im wahrsten Wortsinn aus. Kaum aus-zuhalten, weil sie so bedrückend daherkommt, ist eine Szene am Ende der Aufführung. Als die gefolterte Marie im Keller liegt. Sie weint und schreit zugleich. Die Beine und Arme sich vor Schmerz nicht mehr bewegen lassen. Wenn auch manchmal leise. Einmal schluchzt sie ein christliches Lied dazu. Nur der Wachmann ist dann noch da. Und der Traum auf ein besseres Leben. Vielleicht in Amerika. Der Schein einer Fackel. Und die Schreie.

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