Vom kooperativen Unterricht profitieren behinderte ebenso wie nicht behinderte Schüler - VON WIELAND BONATH

Berührungsängste? Keine Spur!

Auch das gibt es: Schüler freuen sich, wenn die Ferien zu Ende sind und die Schule endlich wieder anfängt... Was wäre ein besserer Beweis dafür, wie begeistert die Acht- bis Zehnjährigen der Klasse 4a der Lindenschule der Rotenburger Werke sind? Die acht Mädchen und Jungen der Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung lernen im dritten Jahr zusammen mit den 16 Kindern der 4b der Grundschule Hemslingen.

Von montags bis donnerstags singen, basteln, malen, rechnen und schreiben sie im gemeinsamen Klassenverband. Kooperativer Unterricht nennt sich das, wenn behinderte und nicht behinderte Mädchen und Jungen zusammen die Schulbank drücken. Und um es vorweg zu nehmen: Diese zumindest in Niedersachsen noch sehr seltene Unterrichtsform funktioniert ausgezeichnet. An diesem Mittwoch ist das Thema Indianer an der Reihe. Alle sitzen in einem großen Oval, rund um ein imitiertes Lagerfeuer, auf dem Boden von Raum 1, den die Lindenschule für zehn Jahre von der Gemeinde Hemslingen gemietet hat. Mit dabei sind die Klassenlehrerin der 4b, Andrea Himmel (42), ihre Kollegin, die Förderschullehrerin Ester Krey (37), die Heilerziehungspflegerin Karin Baden (38) und der Zivildienstleistende Danny. Vorgelesen wird die Geschichte vom kleinen Indianerjungen. Anschließend haben die Kinder die Aufgabe, das Gehörte in Bilder umzusetzen. Dabei klappt der Umgang miteinander völlig problemlos und es ist selbstverständlich, dass geholfen wird - immer dann, wenn ein Kind aus Rotenburg danach fragt. Ester Krey: "Unsere Schüler haben einen besonderen Förderbedarf im Bereich geistiger Entwicklung. Sie brauchen ein besonders handlungsorientiertes Lernumfeld und intensive Zuwendung. Es ist mir wichtig, dass behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam leben, lernen und spielen." Ihre Hemslinger Kollegin Andrea Himmel ergänzt: "Ich möchte, dass meine Schüler lernen, dass Menschen verschieden sind und sein dürfen. Ich bin sicher, dass die Kinder beider Klassen durch das Miteinander soziale Kompetenzen erwerben. Um es an einem Beispiel deutlich zu machen: Wenn zum Beispiel ein Kind der 4a mit seiner Arbeit nicht weiterkommt, dann ist es klar, dass ein Kind meiner Klasse die eigene Arbeit liegen lässt und erst einmal hilft." Den beiden Frauen, selbst Mütter, ist anzumerken, dass ihnen die Arbeit im Rahmen des kooperativen Unterrichts Freude macht. Und das überträgt sich ganz offensichtlich auf die Mädchen und Jungen: gemeinsamer Schulunterricht, von dem beide Seiten profitieren, der aber längst noch nicht so verbreitet ist, wie es wünschenswert wäre. In Rotenburg kooperieren inzwischen die Kantor-Helmke-Schule und die Stadtschule mit der Lindenschule. Andere Schulen halten sich (noch) heraus. Als der Leiter der Lindenschule, Eberhard Thamm (52) vor rund vier Jahren mit seinem Anliegen in Hemslingen anklopfte, wurde er mit offenen Armen aufgenommen. Das achtköpfige Kollegium mit Rektorin Ulrike Eckerleben-Schaefers an der Spitze sagte vorbehaltlos Ja zum kooperativen Unterricht. Eine Entscheidung, die auch deshalb so leicht fiel, weil die rund 85 Schülerinnen und Schüler zählende Schule ein Konzept entwickelt hat, das sich mit dem der Lindenschule sehr gut verbinden ließ. Auch der Schulelternrat sprach sich daher einstimmig für den kooperativen Unterricht aus. "Wir sind keine Bittsteller. Wir haben den anderen Schulen etwas zu bieten. Unsere Lehrkräfte bringen sich mit ihrer Kompetenz in den Schulalltag ein", betont Eberhard Thamm, dessen Schule in Rotenburg von 174 Schülerinnen und Schülern besucht wird. Der Rektor möchte den kooperativen Unterricht auf jeden Fall fortsetzen. Deshalb macht er sich, auf die Kinder der 4a bezogen, ein wenig Sorgen: Wird es für sie, wenn sie sich im kommenden Jahr im Sekundarbereich befinden, eine ähnliche Unterrichtsversorgung wie in den vergangenen drei Jahren geben?

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