Realitätsnahes Bühnenstück im Gemeindesaal der Stadtkirche - VON FRED OLTHOFF

Kein Hotel hat mehr Sterne

Viel Beachtung bei den Zuschauern fand das Stück "Abwärts zu den Sternen", das von der Hamburger Laienspielgruppe Obdach-Fertig-Los im vollbesetzten Saal der Rotenburger Stadtkirchengemeinde aufgeführt wurde. Die Akteure spielten nicht nur Theater, sondern einige Schauspieler berichteten von ihrem eigenen Leben.

Die Geschichte des Stücks ist schnell erzählt: Schlosser Harry (Gerhard Arland) ist Quartalssäufer und verfällt immer mehr der Alkoholsucht. Er wird von seiner Frau aus der Wohnung geschmissen und verliert seine Arbeit. Auf der Suche nach einer billigen Absteige trifft er auf den Obdachlosen Andy (Thomas Dominik), der ihm einen Schlafplatz "auf Platte" anbietet: "Es gibt kein Hotel, das mehr Sterne hat als meins." Andy zeigt Harry, wie das Leben auf der Straße funktioniert. Nach der Pause erfährt die Aufführung einen Bruch. Tobias Holst, der einen Wachmann spielt und eigentlich keinen Auftritt mehr haben sollte, platzt in die Szene: "Wie die Geschichte weitergeht, kann sich jeder denken. Die Frage ist doch: Hat das Leben auf der Straße die Menschen kaputt gemacht oder waren sie es vorher schon?" Kneipenwirtin Mona sagt: "Die Straße macht die Menschen kaputt." Tatjana (Anneliese Riedler), eine verlassene Ehefrau, meint: "Der psychologische Knacks war vorher schon da." Nun fallen einige der Schauspieler aus ihrer Rolle und erzählen schonungslos offen ihre Lebensgeschichte. Auch wenn das gewollt ist und das Theaterstück von Regisseurin Maja Feil so inszeniert wurde, wirken die bewegenden Monologe sehr realistisch. Die Frage, ob die Lebensbeichten authentisch sind, bejahen die Laienschauspieler im Anschluss an das Stück. Der Hamburger Boris-Falke Härting, berichtet, wie er auf der Straße landete und auf die Laienspielgruppe stieß: "Ich habe das Stück vor neun Wochen bei der Caritas gesehen und war sofort begeistert." Härting entschloss sich sogleich, mitzumachen. "Bei uns ist jeder willkommen, egal, ob er Talent hat oder nicht", sagt Gerhard Arland, Mitbegründer von Obdach-Fertig-Los. Die Theatergruppe trifft sich jeden Dienstagabend, um zu proben. "Meine Mutter ist eine geborene Fritsch und hat Musik und Gesang studiert", fährt Härting fort. "Sie hat mein Interesse für Musik geweckt. Außerdem ist Schauspieler Thomas Fritsch ein Onkel von mir." Härting hat heute keinen Kontakt mehr zur Familie. Nachdem seine Mutter gestorben war, geriet er in die Drogenszene, erst Kokain, dann Heroin. Heute ist er von der Nadel weg. "Ich habe selbst entzogen, ohne jede Hilfe", sagt der obdachlose Hartz-IV-Empfänger. "RTL und die Musik sind heute meine Familie." Er schreibt gern Kurzgeschichten und Kochrezepte. "Ein großer Lebenswunsch von mir ist es, als Musikreporter zu arbeiten und von Rockkonzerten zu berichten." Obdach-Fertig-Los besteht aber nicht nur aus Obdachlosen und Hartz-IV-Empfängern. Diakone, Sozialarbeiter und Studenten unterstützen die Gruppe ehrenamtlich. Die Aufführung wurde gemeinsam von Diakonischem Werk und der Stadtkirchengemeinde veranstaltet. "Das Stück passt nach Rotenburg", sagt Pastorin Heide Wehling-Keilhack. "In Zeiten von Hartz IV haben wir verstärkt mit armen Menschen zu tun. Mit dem Stück wollen wir Betroffenheit erzeugen." Das ist gelungen. Aber es gab auch viel Applaus für die realistische Spielweise. Die Schauspieler waren erfreut über das große Publikumsinteresse. "Vor so vielen Zuschauern spielen wir selten", lautete das Fazit der Akteure.

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