Der Botheler Heiko Greitschus-Kock ist Ultralangstreckenläufer - Von Stephan Voigt

Marathon vor dem Frühstück

Heiko Greitschus-Kock mit einem Kaffee gemütlich zu Hause in Bothel. Weniger bequem ist sein Hobby u2013 er ist Ultralangstreckenläufer Foto: Voigt
 ©Rotenburger Rundschau

Ein Marathon ist eine der härtesten Prüfungen, der sich ein Läufer stellen kann. Das denken sicher viele Menschen, doch der Botheler Heiko Greitschus-Kock sieht das anders. Der 46-Jährige wagt sich nicht nur auf die 42-Kilometer-Distanz sondern nimmt an Ultralangstreckenläufen teil.

Vor rund 15 Jahren begann alles mit Jogging zwei Mal in der Woche. Um sich fit zu halten lief der damals in Rotenburg wohnende Greitschus-Kock seine Runden über drei, vier oder fünf Kilometer. "Ich fing ganz sutsche an, später kamen dann Volksläufe über fünf oder zehn Kilometer dazu. Dafür war ich im Landkreis Rotenburg, in Bremen und in Niedersachsen unterwegs“, erzählt der Sportler, der Geschäftsführer eines Jobcenters im Landkreis Verden ist und beim Laufen einfach den Kopf freibekommen möchte. 2004 folgte der nächste Schritt. Der Vater zweier erwachsener Söhne und einer Tochter lief seinen ersten Halbmarathon – in Rostock. "Da habe ich mich natürlich richtig drauf vorbereitet. Im Internet gibt es dafür Trainingspläne. Zwei bis viermal pro Woche bin ich unterschiedliche Distanzen gelaufen – kurze schnelle oder lange langsame.“ Er fand Gefallen an der halben Marathondistanz, lief allein 2011 sechs oder sieben Wettkämpfe dieser Art. Dennoch wollte er sich sportlich verändern. "Ich hatte irgendwann keine Lust mehr auf das schnelle Gehächel. Ich bin einmal eine Langdistanz, 30 oder 40 Kilometer, im Training gelaufen und war danach nicht so kaputt wie nach einem Halbmarathon, weil man viel langsamer läuft. Beim Halbmarathon kommt man irgendwann an die anaerobe Grenze, die Atmung ist am Limit“, erklärt der Botheler. An den 28. Dezember 2011 kann sich der 46-Jährige noch genau erinnern. An diesem Tag ist er seinen ersten Marathon-Wettkampf in Hamburg gelaufen. "Der wurde vom 100er Marathonclub organisiert. Dem kann nur beitreten, wer mindestens 100 Marathons gelaufen hat“, sagt Greitschus-Kock, der angibt, danach ein bisschen schwere Beine gehabt zu haben und fortan bei Wettkämpfen nicht mehr weniger als die 42,195 Kilometer gelaufen zu sein. Im Gegenteil. Der Botheler wollte sehr schnell mehr. Wenige Tage nach dem Erlebnis in Hamburg, am ersten Januarwochenende, nahm er beim ersten Ultralangstreckenlauf teil – ein Indoor-Wettkampf in Senftenberg bei Dresden über 50 Kilometer. "Dort ging es 200 Runden immer im Kreis. Ich fand das spannend, weil ich nach dem Marathon und auch den 50 Kilometern nicht so am Limit gelaufen bin wie beim Halbmarathon“, sagt Greitschus-Kock und nennt Zahlen. 2012 habe er elf Marathons und sieben Ultralangstreckenläufe absolviert – davon waren vier Sechs-Stunden-Rennen, zwei 24-Stunden-Läufe und einer ein 100-Kilometer-Wettkampf. "Bei einem 24-Stunden-Rennen hat man einen Puls von 120. Da kann man theoretisch nebenbei telefonieren und essen“, erklärt der Botheler, weshalb diese Läufe weniger anstrengen als ein Halbmarathon. Mittlerweile gehört er zu einer kleinen Gemeinschaft von Ultralangstreckenläufern, die sich bei Wettkämpfen in Deutschland und Europa immer wieder treffen. Man kennt sich, befreundet sind die Sportler aber nicht. "Wir sind eher die einsamen Wölfe“, sagt der Botheler schmunzelnd und seine Frau Manuela Kock, die ihren Mann immer wieder auch begleitet, berichtet: "Einige Gesichter kennt man schon, andere sind aber unbekannt. Aber irgendwo trifft man sich immer wieder.“ Ultralangstreckenläufer gibt es nämlich nicht viele. Greitschus-Kock weiß, dass er einer von nur 400 Läufern in Deutschland ist, der binnen 24 Stunden mehr als 100 Kilometer zurückgelegt haben – er schaffte 127 und 144 Kilometer. "24 Stunden am Stück laufen – das schafft natürlich niemand“, sagt er. Dennoch braucht es für diese extreme Belastung eine gute Vorbereitung. Vor derartigen Wettkämpfen geht der Botheler vier bis sechs Mal pro Woche laufen, hinzu kommt ein, zwei Mal Gymnastik. "Ich laufe aber nicht ein und die selbe Strecke. Ich habe unterschiedliche Distanzen von 15 bis 50 Kilometer“, sagt Greitschus-Kock und stellt klar, dass diese Vorbereitung natürlich nicht mehr mit Trainingsplänen aus dem Internet zu bewältigen ist. Dennoch: seinen Hausarzt – ein Sportmediziner – konsultiert er trotz des extremen Sports nur, wenn er krank ist. "Und das kommt selten vor. Wenn ich zwei Tage im Jahr bei der Arbeit fehle, dann ist das viel.“ Und seine Frau? "Die erträgt den zeitintensiven Sport geduldig, sage ich mal“, berichtet der 46-Jährige schmunzelnd und seine Frau ergänzt: "Mittlerweile ist er ja auch nicht mehr so K.O.. Früher war er nach kürzeren Distanzen schon nicht mehr zu gebrauchen, heute legt er sich eine halbe Stunde hin und dann geht es wieder. So können wir dann noch etwas unternehmen.“ Dies sei aber, so der Sportler, eine Anpassung des Körpers über Jahre und komme nicht von heute auf morgen. "Mittlerweile laufe ich einen Marathon vor dem Frühstück.“ Körperlich fit zu sein, ist natürlich elementar für Sportler, die an einem 24-Stunden-Lauf teilnehmen. Aber das Trainieren von Muskeln und Sehnen reicht nicht. Während eines solchen Laufes verbrennt der Körper bis zu 15.000 Kalorien – die müssen auch irgendwie zugeführt werden. Der Botheler nutzt dafür spezielle Gels, die hoch angereichert sind mit Nährstoffen. "Die sind wirklich ekelig“, sagt seine Frau und ihr Mann nickt zustimmend: "Man muss üben, die zu nehmen. Ich fange damit nicht nach der ersten Runde an, aber irgendwann nehme ich jede halbe Stunde eine Tube – insgesamt dann zehn bis 20. Dazu trinke ich literweise – einen Mix aus Wasser, Zucker und Mineralstoffen.“ Greitschus-Kock berichtet, dass andere Sportler sogar Warmes essen, das bei den Wettkämpfen an speziellen Stationen entlang der Strecke – meistens ein Rundkurs - angeboten wird. Dies sei aber meistens nicht sein Fall. Wann und was er isst, das entscheidet seine Frau, die oft als Betreuerin dabei ist. "Irgendwann kann er nicht mehr klar denken, weiß nicht mehr, was er will. Wenn ich frage, ob er essen will, sagt er noch ja. Was er möchte, kann er aber nicht mehr sagen. Aber ich weiß ja, was ihm schmeckt oder nicht und dann hole ich einfach etwas“, sagt Manuela Kock. Das zeigt aber auch, dass Mentaltraining für 24-Stunden-Läufe unabdingbar ist. "Ein solcher Wettkampf wird zu 50 Prozent in den Beinen und zu 50 Prozent im Kopf entschieden“, sagt Greitschus-Kock. Denn: "Spätestens nach sechs Stunden sagen die Beine: Ich will nicht mehr. Irgendwann tut alles weh und man hat keine Lust mehr. Nach 14 Stunden wird nur noch mit dem Kopf gelaufen. Darauf muss man sich vorbereiten.“ Dabei helfen den Aktiven positive Gedankenwelten oder das Stecken von Kleinstzielen – Motto: Noch bis zur der nächsten Straßenlaterne laufen. Greitschus-Kock hat ein Belohnungssystem für sich entdeckt: Noch eine Runde laufen, dann gibt es einen Kaffee. Außerdem hört er während des Sports über seinen MP3-Player Musik. Und was gibt es bei dem Botheler auf die Ohren, wenn er auf der Strecke ist? "Alles mögliche: Fettes Brot höre ich sehr gerne, die Fantastischen Vier, Eminem. Nach 20 Stunden kommt dann eher Techno dran.“ Auch wenn seine Frau ihn zu Wettkämpfen über ein Wochenende gern begleitet und seine Betreuerin ist, mit Urlauben möchte das Paar die Ultralangstreckenläufe nicht verbinden – da sind sie sich einig. "Das möchte ich nicht, weil bei 24-Stunden-Läufen der Fokus stark auf dem Wettkampf liegt. Wenn also am Ende des Urlaubs der Wettkampf wäre, hätte ich den Kopf nicht frei. Und nach diesen Wettkämpfen ist das Gehen zwei Tage durchaus mühsam. Deswegen wäre es auch nicht gut, wenn der Urlaub mit einem Turnier beginnt.“ Dennoch hat Greitschus-Kock schon wieder einen Wettkampf im Terminkalender. Am 5. Januar findet ein Ultralangstreckenlauf im skandinavischen Ahus statt. "Mal sehen, ob ich das von der Arbeit her schaffe. Vielleicht muss ich den doch noch absagen“, berichtet er, hat aber auch ein weiteres mittelfristiges Ziel: den Deutschlandlauf von Garmisch nach Flensburg – einen 14-tägigen Etappenlauf über rund 1.000 Kilometer. Dieser Lauf findet nur unregelmäßig statt. ich werde da wohl erst in zwei Jahren dran teilnehmen können“, sagt Greitschus-Kock, der noch eine beeindruckende Statistik vorzuweisen hat: 2012 ist er rund 4.000 Kilometer gelaufen und hat dabei acht Paar Schuhe verbraucht. "Und das waren keine vom Discounter“, sagt er lächelnd. Wieso tut er sich diese Strapazen eigentlich an? "Weil danach jeglicher Stress weg ist und weil man sich nicht mehr um sein Gewicht sorgen muss.“

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