Michael Bürger kümmert sich um Langzeitarbeitslose - VON JENS WIETERS

Kreativer Headhunter

Tätowiererin Birgit Wiese hat seit Corona nicht mehr so viel zu tun und nimmt Bürgers Tipps an.
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Visselhövede – „Tja, Corona war schon schlimm, und in der aktuellen Situation sitzt das Geld nicht mehr so locker bei den Kunden. Es ist schon eine schwere Zeit“, sagt Birgit Wiese. Die Visselhöveder Tätowiererin musste nach fast 25 wirtschaftlich halbwegs erfolgreichen Jahren als Selbstständige jetzt Hilfe in Anspruch nehmen. Denn wegen der Pandemie hatte sie ihr Studio am Marktplatz schließen müssen, weil ihre Tätigkeit als körpernahe Dienstleistung eingestuft worden war. Zwar gab es auch für sie Überbrückungshilfe vom Staat, „aber nach dem Lockdown bin ich wirtschaftlich nicht wieder so richtig auf die Füße gekommen“, sagt die 57-Jährige.

Also blieb nur der Gang zum Jobcenter, den nicht nur Angestellte, sondern auch Selbstständige einschlagen können. Aber Wiese will keine Stütze, sondern möchte weiter „künstlerisch arbeiten“. Und darum kommt Michael Bürger aus dem Team der Vita-Akademie aus Wittmund ins Spiel, der im Auftrag des Landkreises im Altkreis Rotenburg unterwegs ist, um Langzeitarbeitslose durch aufsuchende Arbeit wieder in Lohn und Brot zu bringen. „Dass ist natürlich bei einer Künstlerin, die im Alltag sehr gut mit Farben und Nadeln umgehen kann, natürlich nicht so einfach“, sagt Bürger. Der will jetzt mit geeigneten Marketingmaßnahmen versuchen, dass Wiese in der Öffentlichkeit mit ihrer Tätowierkunst, aber auch mit ihren mit dem Pinsel erstellten Werken wahrgenommen wird und somit vielleicht auch ihr Geschäft wieder zum Laufen bekommt. „Das könnten Ausstellungen im Rathaus oder in leer stehenden Geschäften sein“, so Bürger, der bereits Kontakt aufgenommen hat mit dem Visselhöveder Stadtmarketing.

Neben Wiese hat Michael Bürger in Visselhövede aber noch eine ganze Reihe von weiteren „Teilnehmern“, wie er seine Kontakte nennt, die ihn in seinem schwarzen Headhunter-Bulli auf dem Parkplatz des Combi-Markts besuchen. „Denn Visselhövede ist nach wie vor ein Hotspot im Landkreis, was die Zahl der Landzeitarbeitslosen angeht.“

Das Prozedere laufe immer gleich ab, um dem Ziel näher zu kommen, schnell einen passenden Job zu finden. Die Teilnehmer bekämen eine Einladung durch das Jobcenter, den Headhunter Bürger in seinem Bus zu besuchen. Der erledigt auch vor Ort eine Stärke-Schwächen-Analyse, checkt die Bewerbungsmappen und klärt die beruflichen Interessen.

„Dann begeben wir uns gemeinsam auf die Suche nach passenden Arbeitgebern. Ich begleite die Leute auch zu Vorstellungsgesprächen und unterstütze vorher bei den Formalitäten.“ Kommt es zu einer Vertragsunterzeichnung, ist die Arbeit für Bürger aber noch nicht beendet, denn auch „eine Nachbetreuung gehört für uns dazu“. So sei es für die Menschen, die in der Regel mindestens zwei Jahre in der Arbeitslosigkeit steckten, oft nicht einfach, mit betrieblichen Strukturen und Hierarchien umzugehen. „Auch dann sind wir als Mediatoren gefordert.“

Seine Vermittlungsquote liegt seinen Angaben nach recht hoch. „Etwa sieben von zehn Teilnehmern kann ich nach dem Coaching in einen Job bringen.“ Das liege vielleicht auch an dem guten Netzwerk, das er sich aufgebaut habe, vermutet Bürger. „Arbeitgeber fragen auch direkt bei mir nach, ob ich nicht für den oder den Job eine geeignete Person habe.“

Für seine Aufgabe braucht Michael Bürger auch eine gehörige Portion Kreativität, denn ein „Handeln nach Aktenlage ist kaum möglich“. So habe er einem jungen Mann ohne Auto und ohne Führerschein aus dem Westen des Altkreises einen Job im Heidekreis vermittelt, den „er immer noch hat, sogar als Abteilungsleiter“. Bürger habe auf die Landkarte geguckt, wo die Freundin des Mannes wohnt und wie die Verkehrsanbindungen dort sind. „Es gab vier Buslinien vor der Haustür. So sind sie zusammengezogen und er konnte seinen Job beginnen“, erzählt Bürger, der jeden vermittelten Langzeitarbeitslosen als „einen echten Erfolg“ wertet.

Der gelernte Marketingexperte ist aktuell allerdings ein wenig ungehalten, wenn vom geplanten Bürgergeld der Ampel-Koalition die Rede ist. „Das schafft wenig Anreize für meine Kunden, doch den Weg in die Arbeit einzuschlagen, statt Geld vom Staat zu kassieren.“

Mit Birgit Wieses Kunst wird sich Bürger demnächst intensiver beschäftigen und verschiedene Projekte anstoßen. Und vielleicht gibt es in Visselhövede noch Leute, die Lust haben, Kunst auf der Haut zu tragen.

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