Voßberge sind das älteste Naturschutzgebiet des Landkreises - VON NINA BAUCKE

Wind und Wüste

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Everinghausen – Ein Kranichpaar fliegt über die Dünenlandschaft des Naturschutzgebiets Voßberge hinweg, in das Rufen der beiden Vögel mischt sich weiteres Gezwitscher, das Rainer Rahlfs zum Innehalten bringt: „Das ist eine Heidelerche“, sagt er sofort. „Wahnsinn, die hört man normalerweise nur im Frühjahr.“ Sonst ist auf der offenen Sandfläche nicht viel zu hören, auch die Geräusche der nicht weit entfernten A1 dringen kaum bis zu dem Idyll hin, das eine echte Rarität im Landkreis darstellt.

Denn nicht nur sind die Voßberge anhand der Ausweisung im April 1935 durch die Regierung in Stade, in deren Zuständigkeitsbereich die Gegend damals fiel, nicht nur das älteste Naturschutzgebiet des heutiges Landkreises, etwas Besonderes: „Diese Dünenlandschaft ist einmalig in der Region“, schwärmt Rahlfs vom Amt für Naturschutz und Landschaftspflege des Landkreises. „Denn hier gibt es Pflanzengesellschaften und Tierarten, die sonst im Binnenland eher selten vorkommen.“ Es sind wärmeliebende Arten, die dort ihren Lebensraum gefunden haben: Eidechsen, Blindschleichen und Kreuzottern, aber auch Insekten wie Wildbienen und Wegwespen, die im Frühjahr ihre Bruthöhlen in den feinen, warmen Sand graben, sowie Libellen. „Woanders ist es für sie schon zu kalt, hier fliegen sie noch“, sagt Rahlfs. „Hier ist vieles sehr speziell, was nicht auf jeder Fläche zu finden ist.“

Es ist ein Ineinanderübergehen von offenen Flächen, kleineren Sandbereichen, Moos- und Grasflächen bis hin zu lockeren und geschlossenen Gehölzbeständen.

Diese Besonderheit muss auch schon den zuständigen Personen vor 85 Jahren klar gewesen sein. „Schon damals gab es Probleme mit illegalem Sandabbau, und das verbunden mit dem Wunsch, diesen Restbereich einer Binnendüne zu erhalten, könnte zur Ausweisung als Naturschutzgebiet geführt haben“, vermutet Rahlfs. „Und sie hat verhindert, dass auch hier, wie schon auf anderen Dünenflächen, Ferienhaussiedlungen entstehen.“ Heute gehört Voßberge zum Naturschutzgebiet Wümmeniederung und ist zugleich ein Flora-Fauna-Habitat(FFH)-Gebiet nach europäischen Richtlinien und umfasst rund 100 Hektar, davon ist nicht wenig in Privatbesitz – allein etwa zehn Hektar im Besitz der Familie Röpke –, weitere Eigentümer sind der Landkreis und das Land Niedersachsen.

Die Düne an der Wümme ist ein Relikt aus der Epoche nach der Eiszeit, als die Gletscher geschmolzen waren und Wind und Wasser die Landschaft geformt haben. „Der Wind hatte hier leichtes Spiel und hat den Sand so bewegt, dass Dünen entstanden sind“, erklärt Rahlfs. „Dieses Gebiet hat daher so einen hohen Wert für uns, weil diese Landschaftsform so heute nicht mehr existiert und sich auch nicht mehr so neu bilden kann.“

Dienen sonst Schutzgebietsausweisungen auch immer wieder dazu, vormals genutzte Gebiete zu renaturieren und sich selbst zu überlassen, verhält sich das bei den Voßbergen anders: Sie wurden nie genutzt – beispielsweise für den Ackerbau. „Wenn man Siedlungsplätze rekonstruiert, dann sind sie an Orten, wo es sich gelohnt hat und ausreichend Ressourcen da waren. Aber in so einer Wüstenei wie hier war nichts zu holen“, sagt Rahlfs.

Stattdessen sorgt die Landschaftspflege aktiv für den Erhalt des Naturschutzgebietes in seinem aktuellen Zustand, beispielsweise indem sie Gehölze entfernt. „Wenn wir das nicht regelmäßig tun, ist diese Sandfläche in 20 Jahren vermutlich verschwunden“, sagt Rahlfs.

Doch schon vor der Ausweisung waren zum Erhalt und Festigung der Düne Strandhafer und -roggen angepflanzt worden. „Ein wichtiger Teil ist die Landschaftspflege durch Tiere“, sagt Jan Röpke, dessen Familie, die in Everinghausen einen landwirtschaftlichen Betrieb führt, ein Teil des Gebietes gehört. Seit 2008 ist ein Teil des Geländes eingezäunt, auf dem Dünengrund wächst nun Gras, das dort weidenden Kühen als Futter dient. „Das ist wie eine Savannenlandschaft“, findet Rahlfs. Waldbereiche nördlich der Offenfläche bilden eine Pufferzone nach außen. Durch die Kieferbäume entstehen sogar neue Dünenformationen – denn der Wind weht den Sand um die Stämme herum, bis sie irgendwann von einer neuen Düne umschlossen sind. „So entwickeln sich faszinierende Baumgestalten“, erklärt Rahlfs.

„Nach den Kriterien für Naturschutzgebiete ist das Gebiet hier in einem guten Zustand“, sagt seine Kollegin Katrin Fründ. Das liegt ihrer Ansicht nach auch an der Zusammenarbeit aller Beteiligten. „Die Kommunikation mit der Behörde ist sehr gut“, pflichtet ihr auch Röpke bei. „Wir haben nichts gewonnen, wenn wir das hier als Ackerfläche nutzen und so kaputt machen. Denn der Landwirt ist immer auch Naturpfleger.“

Eine nicht unerhebliche Rolle spielen natursuchende Spaziergänger. „Das ist immer eine Gratwanderung“, weiß Rahlfs. „Zum einen erhält das Begehen die offenen Sandflächen. Und man muss beispielsweise auch Kindern Naturerlebnisse wie hier ermöglichen, damit sie einen Zugang zu dem Thema haben. Zuviel allerdings ist wieder problematisch, dazu kommen illegale Lagerfeuer, und sogar mit Quads waren hier schon Leute unterwegs.“ Das ist für ihn die Herausforderung: „Das hier ist ja ein attraktives Gebiet, die Dünen wecken Gefühle von Urlaub und Freizeit. Wir müssen das hier also so regeln, dass alle zufrieden sind: der Naturschutz, die Eigentümer, die Erholungssuchenden.“

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