Ostetalschule KGS: Hamburger Zeitzeugen berichten - VON HEIDRUN MEYER

Erinnern und mahnen

Manfred Hüllen überreichte den Schülern und Schülerinnen zum Abschluss die Europa-Fahne als Sinnbild für die Bedeutung der Verständigung über Staatsgrenzen hinweg. Foto: Heidrun Meyer
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Sittensen – Die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland ist ein Thema des Geschichtsunterrichtes der neunten Haupt- und Realschulklassen sowie der zehnten Gymnasialklassen der Ostetalschule KGS Sittensen. Im Rahmen dessen erlebten die Schülerinnen und Schüler jetzt in einer Doppelstunde eine aufrührende Begegnung mit Hamburger Zeitzeugen.

Manfred Hüllen, geboren 1939, Lisa Schaumburg, Jahrgang 1930 und Dr. Rolf Schultz-Süchting, geboren 1944, wussten in bewegender Weise von ihren eigenen Erlebnissen zu berichten, die nachdenkliche Stille hervorrief. Die Organisation lag in den Händen des verantwortlichen Fachbereichsleiters für Gesellschaftswissenschaften, René Schmidt. Die Moderation hatten drei Schülerinnen aus der Klasse 9a22 übernommen. Im Vorfeld hatten die Klassen bereits Fragen an die Zeitzeugen formuliert.

Manfred Hüllen aus Hollenstedt ist seit vielen Jahren ein Kämpfer für Toleranz und Demokratie. Sein „vorbildliches Engagement“ wurde vom Bündnis für Demokratie und Toleranz (BfDT) der Bundeszentrale für politische Bildung im Rahmen des bundesweiten Wettbewerbs „Aktiv für Demokratie und Toleranz“ gewürdigt und mit einem Preis ausgezeichnet. Er berichtete in der KGS unter anderem von der Verhaftung seines Vaters – als SPD-Mitglied kam er nach Buchenwald ins KZ, ab 1944 musste er in ein Strafbataillon und mit seinen Händen Mienen ausgraben und kam in russische Kriegsgefangenschaft. 1948/49 war er wieder zu Hause.

Seine Schwester wurde mit ihrer Mutter von einem Wehrmachts-Lkw überfahren und kam dabei ums Leben. 1945 wurde die Mutter im Beisein ihres Sohnes von vier Russen vergewaltigt. Lisa Schomburg erzählte von ihrem Besuch auf der Mönckebergstraße am 23. Juli 1943 und einem plötzlichen Bombenangriff. Sie wurde mit über 100 Menschen, die sich in den Keller des Pressehauses geflüchtet hatten, verschüttet. Dort harrten sie sechs bis acht Stunden in Todesangst und ohne Toilette aus. Panik brach aus, als der Ruf „Gas“ immer lauter wurde.

Glücklicherweise konnte eine Person nach der anderen aus dem Keller gezogen werden. Auf der Straße befand sich eine große Anzahl von Toten. Ihr Elternhaus in Wilhelmsburg wurde von Bomben zerstört, sie befanden sich jedoch im Keller der Nachbarn. Dr. Rolf Schultz-Süchting hingegen verbrachte aus seiner Sicht eine zufriedenstellende Jugend. Aber auch er wurde ein politisch denkender und handelnder Mensch. Bei der schlimmen Hamburger Flut packte er mit an. „Aufgrund von Erlebtem formt man seine Haltung“: Darin sind sich die Zeitzeugen einig. Und sie sagen von sich, dass sie zu hundert Prozent Pazifisten sind. Ihre Ausführungen untermauerten sie mit Bildern, die Eindrücke von Konzentrationslagern, entschärften Bomben und Bombensplittern wiedergaben. Am Ende überreichte Manfred Hüllen den Schülern und Schülerinnen die Europa-Fahne als Sinnbild für die Bedeutung der Verständigung über Staatsgrenzen hinweg: „Ihr seid die Zukunft. Seid mutig und helft der kranken Mutter Natur in einem demokratischen Europa. Aber habt trotzdem Spaß am Leben und Erleben“, gab ihnen Hüllen mit auf den Weg.

Der Schlussapplaus machte deutlich, dass auch dieser bereits vierte Besuch der Zeitzeugen ebenso erfolgreich wie aufschlussreich war. Die Zeitzeugen gehören der Zeitzeugenbörse Hamburg an, deren Träger der gemeinnützige Verein Seniorenbüro Hamburg ist. Seit 25 Jahren bemühen sie sich darum, Selbsterlebtes glaubwürdig zu vermitteln, um dazu beizutragen, die Vergangenheit zu verstehen, die Gegenwart zu erkennen und die Zukunft mitzugestalten. „Wir fühlen uns vereint durch den Wunsch nach Frieden in einem demokratischen Rechtsstaat“, so die Prämisse der Zeitzeugen, die sich ebenso in einer mahnenden Funktion gegen das Schweigen und Verdrängen sehen.

Kontakt: www.zeitzeugen-hamburg.de, Mail: zeitzeugen@seniorenbuero-hamburg.de

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