Rainer Bassen war mit dem Rad in Weißrussland und Lettland unterwegs

„Nur anhalten und hinsehen“

An der Ortseinfahrt im weißrussichen Lebedewo haben Freunde den Westerveseder herzlich empfangen.
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Westervesede (r/acb). Die Begegnungen auf seinen Radreisen sind das Salz in der Suppe, schwärmt Rainer Bassen regelmäßig, wenn er von seinen Touren im Osten zurückkehrt. So war es auch in diesem Sommer, als der 51-Jährige eine Pedalfahrt in Weißrussland und Lettland unternahm. „Gestartet bin ich in der litauischen Hauptstadt Vilnius“, erzählt Bassen. „Zur Grenze nach Belarus sind es 40 Kilometer. Leider sind meine Packtaschen nicht in Vilnius angekommen, da hatte ich erstmal leichte Panik. Sie trafen zum Glück mit einem Folgeflug noch am Abend ein.“

Im weißrussischen Lebedewo lernte Bassen auf einer Tour vor drei Jahren Tamara Anikeeva kennen, die sich seit Jahrzehnten in der Hilfe für Menschen aus der von der Tschernobyl-Katastrophe geschädigten Gomeler Region engagiert. Jetzt hatte er sich zu einem kurzen Besuch angemeldet. Anna Kobel, ehemalige Deutschschülerin von Anikeeva und in weißrussischer Tracht gekleidet, empfing den Radler mit ihrer Familie an der Ortseinfahrt, die mit einem Deutschlandbanner dekoriert war.

„Die Gastfreundschaft, Hilfsbereitschaft und Herzlichkeit lassen sich nur schwer in Worte fassen. Wir haben uns viel erzählt, ich habe wieder viel über das Leben, den Alltag, die Nöte und Sorgen meiner Gastgeber erfahren“, berichtet Bassen. „An vielen Stellen fehlt es an Dingen, die in unserem Leben selbstverständlich sind. So können Stifte und Papier in der Schule Mangelware sein.“

In zwei Tagesetappen fuhr Bassen anschließend nordwärts durch den Narachanski- und den Braslau-Nationalpark. „Viele idyllisch gelegene Streckenabschnitte, sehr wenig Verkehr und gute Straßenbeläge machen das Radeln zum Genuss. In einem Dorf bin ich einem jungen Polizisten aufgefallen, der meine Papiere kontrollierte, als ich aus einem kleinen Laden heraustrat. Beim Herumblättern in meinem Reisepass mit den in den Jahren gesammelten Visa hat der Schutzmann durch seine Körpersprache und Mimik gezeigt, wer in dem Land das Heft in der Hand hat. Ich habe mich in dem Moment geduldet gefühlt, mehr nicht“, erinnert sich Bassen an diese Episode seiner Reise.

Am nächsten Tag auf dem Weg nach Lettland regnete es durchgehend. „Es war lausig kalt, das lange Stehen am Grenzübergang und die behäbigen Kontrollen muss man einfach schlucken. Eine Dreiviertelstunde hat das Prozedere gedauert, hinter mir standen mindestens 500 Lkw. Nach 145 Kilometern war dann Endstation in Jekabpils.“ Von dort ging es weiter, unter anderem mit dem Zug, bis in die Metropole Riga. Bei herrlichem Sonnenschein war die Kleinstadt Kolka am Nordwestzipfel des Landes das nächste Ziel. „Der Blick über das Wasser, wo sich Ostsee und die Rigaer Bucht vereinen, ist traumhaft.“

Von der Öl-Umschlag-Hafenstadt Ventspils mit ihren schicken Stadtparkanlagen machte Bassen einen Abstecher zurück ins Landesinnere nach Kuldiga. Die schön restaurierte Stadt mit dem ehemals deutschen Namen Goldingen hat ihren Hauptanziehungspunkt mit den Stromschnellen des Flusses Venta und erinnert mit ihren Häuserzeilen an Orte in Ostdeutschland in Zeiten nach der Wende.

Die Abschlussetappe in die Hafenstadt Ventspils führte noch einmal durch zahlreiche landwirtschaftlich genutzte Gebiete, in denen viele Kleinbetriebe angesiedelt sind. Eine angedachte Begegnung mit den Baltic Sea Circle-Reisenden Patrick Siegmund und Rouven Stieghahn, die an dem Tag im nördlichen Litauen unterwegs waren, blieb wegen der zu großen Entfernung allerdings aus.

Nach 1.019 gefahrenen Kilometern stieg Bassen mit vielen Eindrücken im Gepäck auf dem winzigen Flughafen von Liepaja in den Flieger zurück nach Hamburg. „Es war eine unspektakuläre, aber dennoch schöne Reise. Du hast als Gepäck-Radfahrer oft den kleinen Bonus, dass sich Menschen aufgrund ihres Interesses an deinem Vorhaben besonders um dich kümmern und wissen wollen, was dich antreibt. Die Verständigung ist kein Problem“, so Bassen. Alle Gastgeber haben sich mit ihrem Namen auf dem Tour-Shirt des Westerveseders verewigt. Besonders erfreut ist Bassen von den kleinen Landwirtschaften. „Viele im vergangenen Jahrhundert gebaute Maschinen sind im Echteinsatz, Hingucker gibt es zuhauf. Du musst nur anhalten, hinsehen und genießen – und mit dem Fahrrad geht das immer ganz spontan.“

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