Kritik bei Infoveranstaltung zum Thema Windkraft - Von Ann-Christin Beims

Tabu-Zonen

Christiane Looks (von links), Matthias Elsner und Lothar W. Meyer gaben Informationen zum Thema Windkraft. Foto: Ann-Christin Beims
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Stemmen. Das Wetter präsentierte sich passend: Während sich mehr als 50 Interessierte zu einer Infoveranstaltung der Grünen versammelten, fegte Sturmtief Sebastian mit Windstärke 10 über Norddeutschland hinweg. Die Gastredner Christiane Looks (Naturschutzbeauftragte des Südkreises), Lothar W. Meyer (Nordmetall) und Matthias Elsner (Experte für Energiesysteme) informierten über Chancen und Risiken der Windkraft.

Hintergrund: In einer nichtöffentlichen Ratssitzung im Dezember 2016 hatten die Finteler CDU und SPD für den Abschluss eines Flächennutzungsvertrages zum Bau eines Windparks am Hammoor gestimmt. Gabriele Schnellrieder (Grüne) und Einzelbewerber Erwin Weseloh bemängelten die fehlende Transparenz und Bürgerbeteiligung – und stimmten dagegen. Sie haben bei der Kommunalaufsicht Beschwerde eingereicht, die ihnen Recht gab und die Abstimmungen für ungültig erklärte. Der Rat setzte die Aufforderung um und nahm das Thema in der vergangenen Ratssitzung erneut auf die Tagesordnung.

In der Infoveranstaltung bemängelte Elsner in seinem Vortrag, dass anhand der Verteilung der Windkraftanlagen vieles „nicht nach Planung aussehe“. Insgesamt kommen derzeit rund 30 Prozent des deutsches Stromes aus erneuerbaren Energien, vom Gesamtenergieverbrauch mache der Strom gerade einmal 20 Prozent aus. „Wir wollen woanders hin, doch wie soll das aussehen?“ Elsner halte Offshore-Anlagen für effizienter. „Wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint, ist der Verbrauch trotzdem da. Die Energie müsste unter Umständen auf Tage gespeichert werden, das ist derzeit illusorisch“, erklärt er. Der Energieexperte plädierte dafür, den Ausbau zu stoppen, bis wirtschaftlich tragbare Speichermöglichkeiten zur Verfügung stehen.

„Woanders ist es Realität, dass Orte von der Windindustrie umstellt sind“, griff Meyer das Thema Umzingelung auf. Er spricht die Punkte nächtliches Blinkfeuer, Schattenschlag und Eisabwurf im Winter an – und die Lärmbelastung: „Hier werden alte Richtlinien aus dem letzten Jahrhundert verwendet“, kritisiert er. Entsprechend gäbe es oft Abweichungen von mehreren Dezibel. „49 Prozent der gemessenen Mühlen 2011 waren lauter als der Garantiewert“, berichtete er.

Ausführlich informierte Meyer zudem zum Bereich Infraschall, bei dem es ähnlich wie bei Radioaktivität oder UV-Licht keine direkte Wahrnehmung gäbe. „Neue Anlagen haben einen höheren Tiefton- und Infraschallanteil als früher.“ Tiefe Töne werden von Menschen als Vibrationen wahrgenommen und pflanzen sich weiter fort, ergo seien mehr Anwohner betroffen. „Das führt zu körperlichen Stressreaktionen wie Schlafstörungen und Schwindel“, erklärte Meyer. Von diesen Beschwerden sind rund zehn Prozent der Bevölkerung betroffen. Meyer sah die derzeitige Planungspraxis als unkalkulierbares Gesundheitsrisiko und forderte, erst über einen weiteren Land-Ausbau nachzudenken, wenn klar ist, ab welchem Abstand Unbedenklichkeit herrscht.

Die Naturschutzbeauftragte Looks berichtete über den Stand von Vogel-Lebensräumen in Verbindung mit Windenergie. Derzeit soll ein Prozent des Landkreises für raumbedeutsame (mehr als 100 Meter hohe) Anlagen zur Verfügung stehen. „Wir sind bei der Hälfte“, erläutert sie. Die ursprünglichen 48 Potentialflächen haben sich bereits um einige verringert, was unter anderem an Nistplätzen liegt. Innerhalb eines gewissen Radius sind Windkraftanlagen tabu, wenn dort beispielsweise Kiebitze oder Schwarzstörche siedeln. Bei den Vorranggebieten unterscheiden die Planer auch nach harten und weichen Tabu-Zonen. Harte Zonen wie Flugplätze oder Naturschutzgebiete seien indiskutabel. „Über weiche Zonen wie Wälder kann man reden“, ergänzt Looks. Es gibt eine Liste mit Mindestabständen, die „Spargel“-Betreiber einhalten sollen. „Dies ist aber nur eine Empfehlung“, machte Looks deutlich. Um diese zu umgehen, habe es teilweise bereits Versuche gegeben, Tiere aus ihrem Horst zu vertreiben.

Im Anschluss konnten die Zuhörer ihre Fragen und Bedenken loswerden, dabei wurden auch kritische Äußerungen laut. Manch einer ist sauer: „Die Landwirte haben ihr Land hergegeben und sind jetzt die Dummen“, warf ein Mann ein. Eine Anwohnerin berichtete von persönlichen Erfahrungen, sie lebe in drei Kilometern Entfernung zu einem Windpark. „Ich habe unter Infraschall gelitten, das weiß ich jetzt. Ich habe einen Druck gespürt, wenn ich Zuhause war“, erzählte sie. Sie wollte wissen, ob es Untersuchungen gibt, wie viel Immobilien an Windparks an Wert verlieren. „Die sind sehr konträr. Manche beschreiben einen Wertverlust von 15 bis 45 Prozent bis hin zu unverkäuflich, andere sagen, es gäbe keinen Wertverlust“, informierte Elsner.

Auch ein Windanlagenbetreiber meldete sich zu Wort: Hans Mangels betreibe seit mehr als 20 Jahren Windräder, seit zehn Jahren siedeln Seeadler in einem Teil, wodurch er manche Geräte abschalten muss. Er fragt nach Studien zum Thema Infraschall. „Das Umweltbundesamt ist diesbezüglich sensibilisiert“, antwortet Elsner, aber die Ergebnisse würden voraussichtlich erst 2019 vorliegen. Es gäbe bisher keine klare Aussage, ob er gefährlich sei oder nicht. „Daher muss die Vorsorgepflicht gelten“, ergänzt Elsner. Mangels betont hingegen, es dürfe keine einseitige Angst verbreitet werden. „Jemand ist nicht grundsätzlich krank wegen Infraschall, wenn er an einem Windpark lebt“, sagt er. Auch die Anlagenbetreiber wollen saubere Genehmigungsverfahren, damit sie wissen, woran sie sich halten sollen.

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