Zwei Kinder mit Stridor: Familie Funck sucht Betroffene - Von Dennis Bartz

Wenn der Atem stockt

Jörn und Angie Funck mit ihren drei Kindern Annika (von links), Amelie und Jan.
 ©Dennis Bartz

Rotenburg. Nimmt Annika genug zu? Bekommt sie ausreichend Sauerstoff? Das sind Fragen, die Angie und Jörn Funck täglich beschäftigen. Vor sechs Wochen kommt ihr jüngstes von drei Kindern zur Welt. Schnell bemerken die Eltern, dass mit ihrem Säugling etwas nicht stimmt. Denn bereits kurz nach der Geburt im Rotenburger Diakonieklinikum läuft das Mädchen plötzlich blau an. Die Ärzte führen verschiedene Untersuchungen durch und diagnostizieren schließlich Tracheomalazie – eine seltene Erkrankung, die zumeist bei Neugeborenen auftritt und sich am deutlichsten durch laute Atemgeräusche, dem sogenannten Stridor, zeigt. „Nur etwa eines von 1.000 Kindern erkrankt daran“, weiß Angie Funck. Für sie und ihren Ehemann ist das Geräusch jedoch nicht neu: Auch ihr zweites Kind, Sohn Jan, kam mit Tracheomalazie zur Welt.

Manchmal ist Annikas Stridor besonders deutlich. „Der einzige Vorteil daran ist, dass wir dann immer sofort hören, dass sie atmet“, sagt Jörn Funck. „Denn wenn sie den Hals leicht überstreckt, kann es sein, dass sie für einige Minuten ganz ruhig ist. Dann bekommen wir Panik.“

Das Ehepaar kann mit der Erkrankung heute besser umgehen als bei ihrem Sohn Jan, der inzwischen zwei Jahre alt ist. Auch er leidet unmittelbar nach seiner Geburt an einem Stridor – eineinhalb Jahre ist dieser sein täglicher Begleiter. „Dass gleich zwei Kinder in einer Familie daran erkranken, war für die Ärzte im Klinikum neu“, sagt Angie Funck. Ob die Krankheit vererbt werden kann, sei bisher nicht bekannt: „In unserer Familie sind es die ersten Fälle, und auch unsere große Tochter Amelie kam gesund zur Welt.“

Annika hat weniger Glück. Sie kommt deshalb sofort zur Beobachtung auf die Intensivstation. Elf Tage muss sie dort bleiben, angeschlossen an einen Pulsoximeter mit Monitor, um ständig die Sauerstoffsättigung zu überwachen. Zwischen 92 und 98 Prozent sind normal, bei unter 85 Prozent schlägt das Gerät Alarm. „Das ist ein paar Mal passiert“, erinnert sich Vater Jörn, der die komplette Zeit bei Annika im Klinikum bleibt. „Zum Glück hat Jörns Arbeitgeber mitgespielt – sonst hätten wir ein Problem gehabt“, sagt Angie Funck dankbar. Sie sorgt derweil dafür, dass Zuhause alles seinen gewohnten Gang geht und kümmert sich um die beiden Großen: Jan und Amelie (7).

Annika sieht sie für fünf volle Tage nicht. Eine schwere Zeit für die Mutter, aber aus Sicherheitsgründen nicht anders möglich: „Zuhause waren alle erkältet. Ich wollte keine Viren mit ins Krankenhaus bringen und sie womöglich anstecken. Eine Atemwegserkrankung hätte gefährlich sein können.“

Nach elf Tagen darf Annika endlich nach Hause. Zur Sicherheit bleibt sie nachts weiterhin an den Monitor angeschlossen – für mindestens ein Jahr. Auch wenn sie tagsüber schläft, überwacht das Gerät die Sauerstoffsättigung im Blut. Die Ärzte im Klinikum zeigen ihnen, wie sie ihre jüngste Tochter im Notfall das Leben retten könnten.

Bei dem zweijährigen Jan sind die Symptome der Erkrankung inzwischen fast komplett verschwunden –  warum, das erklärt Vater Jörn: „Das Knochengerüst um die Luftröhre war bei ihm nicht stabil genug, um diese ausreichend zu stützen – deshalb kam es beim Atmen zu Verwirbelungen, die das typische Geräusch des Stridors verursacht haben. Das verwächst sich aber meist in den ersten eineinhalb Jahren. So war es auch bei Jan und wir hoffen, dass es bei Annika genauso sein wird.“

Angie und Jörn Funck wissen inzwischen fast alles über die Erkrankung. Sie haben außerdem mit verschiedenen Ärzten gesprochen und auf Fachseiten im Internet recherchiert. Sie wissen daher, dass es zwei Arten der Tracheomalazie gibt – „inspiratorisch, also beim Einatmen, und exspiratorisch, beim Ausatmen. Während Jan nur eine Form hatte, ist Annika an beiden erkrankt“. Die genaue Ursache sei nicht bekannt. Um eventuell mehr sagen zu können, müssten die Ärzte die Luftröhre von innen genauer untersuchen. „Aber das sind Untersuchungen, die wir dem kleinen Würmchen ersparen wollen“, betont Angie Funck.

Das größte Problem sei, dass Annika schlecht trinkt. Stillen ist nicht möglich, und bis zu zwei Stunden dauert es, bis sie ein Fläschchen leergetrunken hat: „Weil das für sie besonders anstrengend ist, schläft sie dabei oft ein.“ Das Ehepaar Funck führt zur Kontrolle ein Trinkprotokoll und wiegt Annika alle zwei Tage.

Dabei sind sie sehr akribisch, denn nachdem der Säugling kürzlich in zwei Wochen nur 20 Gramm zunimmt, muss Annika noch einmal für einige Tage ins Krankenhaus. „Normal sind etwa 150 bis 200 Gramm. Sie war vom Gewicht am unteren Limit und musste aufgepeppelt werden.“

Die Erkrankung sei weitgehend unbekannt, bedauert das Ehepaar Funck: „Wir werden oft beobachtet, wenn wir zum Beispiel zusammen einkaufen gehen.“

Sie wollen deshalb über den Stridor aufklären und hoffen außerdem darauf, dass sich andere betroffene Eltern melden. „Uns würde der Austausch sehr gut tun. Wir fühlen uns mit dem Schicksal oft allein.“

• Die Rundschau stellt gerne den Kontakt her. Wer Interesse hat, meldet sich per E-Mail an dennis.bartz@rotenburger-rundschau.de oder telefonisch unter 04261/72430.

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