Wissenswertes über eine legendenbehaftete Landschaftsart - Von Christiane Looks

Moor ist nicht gleich Moor

Im Tarmstedter Moor. Foto: Joachim Looks
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Tarmstedt. Der Gartenfreund war schon eine ganze Weile mit uns über sein nicht gerade kleines Grundstück am Rande der Wümmeniederung geschlendert, hatte detailreiche Erläuterungen zu seiner umfangreichen Rhododendrensammlung gegeben und auf viele Pflanzenschätze gewiesen, die ohne seine Hinweise verborgen geblieben wären. Mit einem Moorbeet rechnete ich am Ende unseres Rundgangs nicht.

Gespräche unter Gartenenthusiasten hatten mir schon seit längerem verdeutlicht, dass es offenbar als reizvolle Herausforderung angesehen wurde, nicht nur gängige Moorbeetpflanzen wie Rhododendren oder Azaleen anzusiedeln, sondern jene Pflanzen, die beleidigt reagieren, wenn ihnen nicht die Bedingungen eingeräumt werden, die sie zum Gedeihen benötigen. Neugierig geworden hatte ich mir damals erklären lassen, wie entsprechende Beete anzulegen seien und mich kopfschüttelnd ob des Aufwandes gefragt, warum jemand sich diese Mühe macht, wo Moore doch jahrhundertelang als schaurige Gebiete angesehen wurden, in denen Irrlichter flackerten, Ungeheure wie der Hund von Baskerville hausten und die nur mit viel Mühe urbar zu machen waren. Wäre Moorkolonisten damals gesagt worden, dass Grundstücksbesitzer gut zweihundert Jahre später freiwillig und mit sehr viel Einsatz Bedingungen wiederherzustellen suchen würden, die sie gerade dabei waren unter großer körperlichen Arbeit zu beseitigen – die Kolonisten hätten dieses als völlig absurde Phantasterei abgetan.

Moor ist nicht gleich Moor. Wer sich informiert und auf einfache Antworten setzt, wird enttäuscht. Die traditionelle Einteilung in Niederungs- oder Hochmoor gilt heute als zu ungenau. Fans von einem Moorbeet im eigenen Garten haben aktuell eher die Qual der Wahl, wenn sie entsprechende Bedingungen für ihr individuelles Moorbeet herstellen möchten: Quellmoor, Hangmoor, Versumpfungsmoor, Verlandungsmoor, Überflutungsmoor, Durchströmungsmoor, Kesselmoor, Regenmoor. Nichts Passendes gefunden? Wie wäre es bei entsprechender Ausgangsbedingung mit einer Sonderform des Überflutungsmoores, dem Küsten-Überflutungsmoor? Oder vielleicht einem Überrieselungsmoor?

Die Typisierung von Mooren ist für Laien nicht leicht durchschaubar, weil unterschiedliche Merkmale zur Gliederung verwendet werden: Mal geht es um den Untergrund von Mooren, dann um Grund- oder Oberflächenwasser, Niederschlag und Verdunstung – es gibt viele Eigenschaften, die dazu beitragen, dass die ehemals übliche Einteilung von Mooren in Niederungs- oder Hochmooren als zu grob für den heutigen Erkenntnisstand und die daraus zu ziehenden Schlüsse empfunden wird, weil sie sich letztendlich in vielfältiger und individueller Zusammensetzung von Pflanzen und Tieren widerspiegelt.

Wird der Spaziergang durch ein echtes Moor ohne Bestimmungshilfen nun zu einer ahnungslosen Tour? Sicher nicht, denn trotz vieler Feinheiten bei der typenmäßigen Ausprägung von Mooren bleiben Gemeinsamkeiten: Ein ständiger Wasserüberschuss durch austretendes Mineralbodenwasser oder durch Niederschläge führt zu einem sauerstoffarmen Untergrund, der eine vollkommene Verrottung von Pflanzenresten verhindert. Torf entsteht, ein bis heute immer noch begehrter Rohstoff, dessen radikalen Abbau der in seiner Zeit bekannte Bremer Moorforscher Weber bereits 1901 als Bemühung geißelte, die letzte Spur der Natur der Nützlichkeit zu opfern. Intakte Moore sind mittlerweile selten, weil jegliches Wirtschaften im Moor nur durch Wasserregulierung möglich ist. Die Auswirkungen sind komplex und oft erst nach langer Zeit bemerkbar. So wundert es nicht, dass vorzeigbare Moorrestbestände wie Kostbarkeiten behandelt werden.

In Tarmstedt gibt es so einen sehenswerten Restbestand. Vom Rathaus an der Hepstedter Straße 9 führt linkerhand die Rothensteiner Straße zwischen Feuerwehr und Rathaus durch den Ort hinaus in die Feldmark und von der Geest hinab in das Moor Richtung Tüschendorf. Die Straße ist zunächst als Wanderweg markiert. Während Wanderer des ausgeschilderten Weges außerhalb des Ortes bald gebeten werden, links abzubiegen, bleiben Moorinteressierte auch weiterhin auf der Rothensteiner Straße. An einer Kreuzung versetzt die Straße leicht und folgt bald als gut befestigter Weg dem Schlußdorfer Schiffgraben. Auch diesen Weg nicht verlassen und immer entlang des Grabens durch ein Moorwaldgebiet gehen. Beim gut erkennbaren Hinweis zum Moorpfad Tarmstedt nach links abbiegen. Zahlreiche Informationstafeln vermitteln Wissenswertes zu Moor, Torfabbau, Pflanzen- und Tierwelt. Eine Vielzahl von Rastplätzen, überdacht und nicht überdacht, lädt zu Pausen ein. Vielleicht träumt dann auch der eine oder andere in dieser herb-traurig-schönen Moorwelt nicht von Irrlichtern oder dem Hund von Baskerville, sondern vom Moorbeet im eigenen Garten.

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