Nina Käsehage im Interview über „Salafismus made in Germany“ - Von Dennis Bartz

„Reise ohne Wiederkehr“

Dr. Nina Käsehage, Religions- und Geschichtswissenschaftlerin sowie Salafismus-Expertin, referiert in Rotenburg zum Thema "Salafismus made in Germany".
 ©Rotenburger Rundschau

Rotenburg. Das Diakonieklinikum lädt zur Vortragsreihe „Einblicke in den Islam“ ein. Religionswissenschaftlerin Dr. Nina Käsehage referiert am Dienstag, 13. Dezember, um 19.30 Uhr zum Thema „Salafismus made in Germany – Warum sich junge Menschen dem Salafismus anschließen“. Veranstaltungsort ist das Erdgeschoss des Tine-Albers-Hauses auf dem Mutterhausgelände, Elise-Averdieck-Straße 17 in Rotenburg. Käsehage erforscht seit längerer Zeit die islamistische Szene. Für ihre Studien führte die 37-Jährige 175 Interviews mit Salafisten in Europa, 105 davon in Deutschland. ImRundschau-Interview berichtet sie über ihre Arbeit.

Warum schließen sich junge Menschen dem Salafismus an?

Nina Käsehage: Die Gründe, sich dem Salafismus anzuschließen, sind vielfältig. Gerade junge Menschen sind von dieser Bewegung beispielswiese deshalb fasziniert, weil sie ihnen die Möglichkeit bietet, eine Identität auszubilden und ihre alltäglichen Probleme zu vergessen.

Ab welchem Alter sollen Jugendliche „angeworben“ werden und auf welche Art und Weise passiert dies?

Käsehage: Es gibt keine Altersuntergrenze, die salafistischen Anwerbungen betreffend. Gerade darin liegt eine der Gefahren dieses religiösen Extremismus, da sowohl Kinder, Jugendliche als auch Erwachsene in unterschiedlicher Weise zu seiner „Zielgruppe“ werden können. Eine weitreichende Rekrutierung erfolgte durch die Lies-Stände. Deren Kooperationspartner, der Verein die wahre Religion, wurde vor kurzem verboten. Zudem werden alle Altersgruppen auf Seminaren, im Social-Media-Bereich sowie auf Kundgebungen angesprochen.

Was sind die extremen Auswüchse des Salafismus?

Käsehage: Der Salafismus ist vergleichbar mit einem totalitären System, das keinen Widerspruch, keine Meinungsvielfalt und keine Abweichung von einer vorgegebenen Lebensweise duldet. Wer es dennoch wagt, eine andere religiöse Auffassung zu vertreten, wird – je nach salafistischem Milieu – diffamiert, ausgegrenzt und zum Teil bedroht.

Wo fängt für Sie Salafismus an?

Käsehage: Grundsätzlich kann man den Salafismus als eine restriktive Lesart des Islam beschreiben. Die Grenzen zwischen sehr strenggläubigen Muslimen und Salafisten sind mitunter fließend, aber die gesellschaftliche Wahrnehmung beider Gruppen ist unterschiedlich. Während man Salafisten öffentlich dafür kritisiert, beispielsweise die Homosexualität abzulehnen, wird diese Haltung bei orthodoxen Muslimen kaum in Frage gestellt. Wichtig ist das Verständnis dafür, dass nicht jeder Salafist automatisch gewaltbereit ist.

Ihnen ist es gelungen, 35 Salafisten davon abzuhalten, in den Krieg zu ziehen. Wie konkret waren deren Pläne?

Käsehage: Die Pläne der jungen Menschen, die ich gemeinsam mit ihren Eltern von der Ausreise abhalten konnte, waren sehr konkret, da sie wortwörtlich auf „gepackten Koffern“ saßen. In solchen Momenten ist es sehr wichtig, den jungen Leuten aufzuzeigen, dass sie höchstwahrscheinlich eine Reise ohne Wiederkehr antreten werden. Diese Konsequenzen sind vielen von ihnen gar nicht bewusst.

Haben Sie sich dafür in brenzlige Situationen begeben?

Käsehage: Ich habe in Frankreich und Belgien einige Situationen durchlebt, die sowohl physisch als auch psychisch prekär waren. Als Feldforscherin wird man mitunter dazu gezwungen, Grenzen zu überschreiten, die man normalerweise nicht überschreiten würde. Hierdurch habe ich jedoch die Möglichkeit erhalten, meine Erfahrungswerte wissenschaftlich aufzubereiten und der Zivilgesellschaft nutzenbringend zur Verfügung zu stellen.

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