Flüchtlingspolitik: Auch in der Region große Probleme - VON MICHAEL KRÜGER

Landrat vermisst Lösungen

Landrat Marco Prietz weiß, dass das Thema Unterbringung und Integration von Geflüchteten ein großes bleiben wird im Landkreis Rotenburg.
 ©Menker

Rotenburg – Bei einem Thema wird der Landrat dann doch deutlich mehr zum politischen Menschen. Zur Begrüßung beim Pressegespräch im Kreishaus, bei dem es um einen grundsätzlichen Ausblick auf die Themen des neuen Jahres gehen soll, zitiert Marco Prietz noch seinen alten Chef in der Osterholzer Kreisverwaltung. Der habe seine Pressegespräche oft damit eingeleitet, dass das Wesentliche bereits gesagt sei. Das, was Prietz zum Auftakt seines zweiten vollen Amtsjahres vorstellen will, ist auch vorgezeichnet – und als Pressemitteilung überreicht worden. Als es jedoch kurz vor dem Jahrestag des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine um Flüchtlingssituation und Flüchtlingspolitik geht, legt Prietz alles Vorbereitete zur Seite. Der CDU-Politiker sieht, so abgedroschen es klingt, in gewisser Weise schwarz.

Prietz stockt kurz, dann sagt er den Satz doch: „Deutschland fährt sehenden Auges gegen die Wand.“ Die Erwartungen des Rotenburger Landrats waren vielleicht nicht so hoch wie die mancher Kollegen anderer politischer Färbungen, aber sie wurden dennoch enttäuscht. Am Donnerstag vergangener Woche wollten Bund, Länder und Kommunen bei einem Flüchtlingsgipfel in Berlin eine bessere Abstimmung zur Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen vereinbaren. Aber beim zentralen Thema gab es keine Zusage von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD): Es gibt nicht mehr Geld für die Kommunen.

Aus Prietz’ Sicht sind somit die übermäßig belastet, die das vor Ort lösen müssen, was die „große Politik“ verantwortet. Und die, so seine Kritik, stelle auch nicht die richtigen Weichen. „Deutschland ist in der Flüchtlingspolitik in Europa isoliert.“ Die Aufnahmefähigkeit gerate an seine Grenzen. Er habe nicht den Eindruck, dass die Bundesregierung die Dramatik der Situation in den Kommunen erkenne. Das gelte auch für die Region. Selbst wenn bislang alles geregelt werden konnte, werde es künftig „grenzwertig, die Zahlen zu wuppen“. Am Montag hatte Prietz die 13 Hauptverwaltungsbeamten des Landkreises darüber informiert, was in den kommenden Wochen bei diesem Thema zu erwarten sei: Obwohl Niedersachsen aktuell keine ukrainischen Flüchtlinge zugewiesen bekomme, weil die Quoten Ende 2022 schon für Monate erfüllt waren, reiße der Zustrom nicht ab. In den kommenden Monaten würden im Landkreis 700 weitere Geflüchtete erwartet. Damit liege man auf dem Niveau des vergangenen Jahres nach dem Kriegsausbruch, bislang hätten mehr als 2 000 Ukrainer den Landkreis erreicht. Prietz spricht jetzt von einem „ganz großen Mix an Nationalitäten“, der erwartet werde. Der Schwerpunkt der Herkunftsländer liege in Syrien und Afghanistan, aber es sei „alles“ dabei. Selbst aus Kolumbien erreichten Menschen die Region.

Wohnungen, Flüchtlingsunterkünfte, Sammelunterkünfte, Turnhallen – wo jetzt noch Platz sei, würden die Plätze bald komplett belegt sein. Dabei gehe es nicht nur darum, Menschen ein Dach über den Kopf zu geben, sondern vor allem um Integration. „Große Herausforderungen für Landkreis und Kommunen sind dabei die Unterbringung, die Beschulung beziehungsweise Betreuung der Kinder in Schulen und Kitas, der Spracherwerb sowie die Vermittlung in Arbeit“, sagt Prietz.

Das koste viel Personal und damit viel Geld. „Allein im Jahr 2022 hat der Bund die Länder und Kommunen finanziell mit 3,5 Milliarden unterstützt, für dieses Jahr haben wir 2,75 Milliarden vereinbart“, heißt es von der Innenministerin. Vor Ort klingt es anders, wenn kritisiert wird, dass die eh schon gebeutelten Haushalte der Kommunen durch die Folgen von Krieg und Flucht auf der Welt zusätzlich stark belastetet werden.

Es gibt Konfliktpotenzial. Die Frage knapper werdenden Wohnraums wird eine dringlichere, weiß Prietz. Der Landkreis hat Ende 2022 sein Wohnraumversorgungskonzept vorgelegt. Gerade im Bereich Sozialwohnungen gibt es großen Nachholbedarf, landesweit ist kein Landkreis schlechter aufgestellt als Rotenburg, hat die Analyse ergeben. Diejenigen, die jetzt notdürftig untergebracht werden und bleiben wollen, suchen irgendwann eigene Wohnungen. Die Idee einer eigenen Wohnungsbaugesellschaft beschäftigt die Kreispolitik. Und auch wenn er weiß, dass er das schon öfter gesagt hat, betont Prietz: „Das alles wird uns weiter sehr beschäftigen.“

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