Energiekosten verursachen bei vielen Sorgenfalten - VON JUDITH TAUSENDFREUND

Geringverdiener leiden

Wärme wird teurer. Darunter leiden besonders Geringverdiener. Foto: Tausendfreund
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Visselhövede/Rotenburg – Ein Leben ohne Heizung und warmes Wasser, ohne Kühlschrank, Waschmaschine und Licht – das möchte man sich nicht vorstellen. Doch das „Standard-Leben“ wird seit Monaten kontinuierlich teurer. Neben exorbitanten Spritpreisen flattern den Verbrauchern auch gestiegene Strom- und Gaskosten ins Haus. Und während die einen Anbieter „nur“ die Preise erhöhen, verweigern einige auch die weitere Versorgung. So oder so: Die Lage auf dem Markt ist schwierig. Betroffen sind davon vor allem Geringverdiener.

Dietmar Bücker, Pressesprecher bei der EWE, beschreibt es so: „Die Energieversorgung befindet sich derzeit in einer Phase einer außergewöhnlichen Marktdynamik, in der sich Beschaffungspreise innerhalb eines Jahres vervielfacht haben.“ Auch Uwe Schmidt und Hajo Buthmann, im Vertrieb und im Kundencenter der Rotenburger Stadtwerke aktiv, erleben dies täglich. „Es herrscht momentan wirklich eine schwierige Situation vor“, so Schmidt. Die Strompreise bei den Stadtwerken, die auch Visselhövede beliefern, seien noch stabil, die Gaskunden habe man noch vor dem Jahreswechsel angeschrieben.

Sowohl die Stadtwerke als auch die EWE bestätigen, dass sie neben dem Alltagsgeschäft aktuell viele Kunden „auffangen“. Das betrifft Verbraucher, die zuvor bei den Anbietern waren, die nun aus der Versorgung ausgestiegen sind. Beispielsweise hat die Hamburger Ökostrom-Onlineplattform Enyway einen Insolvenzantrag gestellt. Auch der Stromanbieter Stromio mit den Marken Stromio und Grünwelt Energie haben Ende Dezember die Lieferung eingestellt. „Die konkreten Insolvenzen der Anbieter stehen noch nicht fest, aber die Belieferungen wurden eingestellt“, wissen Schmidt und Buthmann.

Einen solchen Vorgang habe es so noch nie gegeben. „Wir haben dementsprechend ein sehr hohes Telefonaufkommen bei uns.“ Dies hat viele Gründe: Zum einen mussten auch die Stadtwerke die Gaspreise deutlich erhöhen. Weiterhin rufen viele Kunden an, die selber ganz aktiv ihre Vorauszahlungen ändern wollen – sie haben Sorge vor einer späteren, unerwartet hohen Jahresabrechnung. Hinzu kommen Anwohner, die bei den Anbietern waren, die jetzt die Versorgung eingestellt haben und dadurch automatisch in der Grundversorgung landen. „Manche rufen auch an und wollen wissen, warum ihr Verbrauch so hoch ist“, ergänzt Buthmann. Neben den gestiegenen Preisen spielt auch die Pandemie eine Rolle. Homeoffice, Homeschooling, zu Hause kochen statt ins Restaurant gehen, weniger Urlaubsaufenthalte – so kommt eines zum anderen und am Ende eine höhere Stromrechnung zustande. „Auch der wirklich kalte Winter im letzten Jahr hat zu höheren Heizkosten geführt“, weiß man bei den Stadtwerken.

„Es kommen mehr Menschen an ihre Grenzen“, dies erlebt auch beispielsweise Ralf Goebel, Bürgermeister in Visselhövede. Vor allem Sozialhilfeempfänger und sogenannte Geringverdiener spürten diese Grenzen deutlich. Denn die hohen Energiepreise führen nicht dazu, dass „monatlich ein höherer Regelbedarf geleistet wird“, erklärt Landkreis-Pressesprecherin Christine Huchzermeier. Bedarfe für Heizung und Warmwasser werden dabei in tatsächlicher Höhe erbracht, soweit sie angemessen sind.

Für den Landkreis existiert kein eigener Heizspiegel. Zur Beurteilung der Angemessenheit der Heizkosten wird aber der jährlich neu von „co2online“ in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Mieterbund herausgegebene Heizspiegel herangezogen, so die Landkreis-Sprecherin. Etwaige Nachzahlungen müssen selbst getragen werden. Im schlimmsten Fall, also wenn eine Versorgungseinstellung droht, kann das Sozialamt oder auch das Jobcenter unter Umständen ein Darlehen geben.

Huchzermeier weist darauf hin, dass die erhöhten Energiepreise für Gas für die Kunden nicht durchgehend zu einer sofortigen Erhöhung der Vorauszahlungen für die Gaskosten geführt hätten. So seien nicht für jeden Leistungsberechtigten unmittelbare monatliche Kostensteigerungen entstanden. Allerdings würden sich die gestiegenen Kosten spätestens bei der Jahresabrechnung wiederfinden.

Das ist auch den Stadtwerken deutlich bewusst. „Manchmal gibt es schon eine Art Schock“, so Schmidt und Buthmann, zum Beispiel, wenn der Gasabschlag von 100 Euro auf 145 Euro monatlich steigt.

Wir als Stadtwerke können nur beratend zur Seite stehen“, so Schmidt. Und auch wenn der Strompreis noch stabil sei, „der Markt ist unbeständig“. Es gebe aktuell keine Indikatoren, dass die Situation besser werde. Zum Glück seien die Stadtwerke Rotenburg bislang nicht in der Situation, zwangsweise Strom und Gas zusätzlich einkaufen zu müssen. In der Tat hat die Einstellung der Versorgung durch die oben genannten Versorger bei anderen Energieunternehmen, die die Grundversorgung sicherstellen, schon dazu geführt, dass Energie dazu gekauft werden musste.

Dies macht sich dann wieder beim Verkaufspreis bemerkbar. „Durch das hohe Serviceaufkommen haben wir aber aktuell mehr Arbeit, als es sonst üblich wäre“, erklären die beiden. Zusätzliche Mitarbeiter werden noch nicht notwendig, „aber den Kollegen glühen die Ohren“, weiß Buthmann. Die Leute seien sehr dankbar für die Hilfestellung, auch das erlebt er täglich. Auffällig sei zudem, dass viele, die sich melden, von betrügerischen Anrufen berichten. „Das ist in der Branche ein alter Hut, aber offensichtlich gerade massiv“, warnt er.

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