Diskussion wird zum Politikum / „So ein Naturplatz hat seine Grenzen“ - VON MATTHIAS FREESE

Winterrasen – kein Wintermärchen

Da sah der Winterrasen noch top aus: Bürgermeister Torsten Oestmann fotografierte ihn unmittelbar vor dem Einweihungsspiel zwischen dem Rotenburger SV und der SG Unterstedt am 24. Mai 2022.
 ©Freese

Rotenburg – Bei der Beurteilung des Zustandes gibt es keine zwei Meinungen: Dem Winterrasen in Rotenburg geht es keine neun Monate nach seiner Einweihung nicht gut. Der Untergrund ist hart, die obere Schicht seifig und nur noch spärlich bewachsen. Damit schafft es der Winterrasen in die nächste Ratssitzung und wird erneut zum Politikum. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen/Die Linke fordern Bürgermeister Torsten Oestmann zur Stellungnahme in einem eigenständigen Tagesordnungspunkt auf. Darauf reagieren die CDU/Freie Wähler.

Oestmann spricht es gegenüber unserer Zeitung aus: „Allein der Name Winterrasen weckt eine Erwartungshaltung, die vielleicht zu hoch ist.“ Sein Verdacht: „Der Rasen scheint häufiger bespielt worden zu sein, als es gut für ihn ist.“ Noch deutlicher drückt es Grünen-Sprecher Joachim Hickisch in dem von ihm unterschriebenen Antrag aus. Er nennt „eine stark überhöhte Trainingsbelastung“ und schlussfolgert: „So ist der Winterrasenplatz in den allerletzten Wochen regelrecht kaputtgespielt worden, ohne dass anscheinend vonseiten der Stadt eingegriffen wurde.“

Den Vorwurf, den Platz zu stark beansprucht zu haben, will der Rotenburger SV entkräften. „Wir werden es genau auflisten“, sagt der Vorsitzende Peter Grewe. Jugendwart Henning Schwardt ergänzt: „Wir haben ja Trainingspläne, die stellen wir gerne zur Verfügung.“ Die Fußballer sind die Hauptnutzer der Anlage, zudem schicken die Footballer des TuS Rotenburg, die Wolverines, ihre Spieler zum Training auf den Winterrasen.

Grewe erhofft sich eine sachliche Diskussion. Er hatte vor einigen Wochen, als die Kritik am Zustand des neuen Platz hochkochte, die Vermutung angestellt, dass beim Platzbau womöglich Fehler gemacht worden sind. Bürgermeister Oestmann weist diese nach Rücksprache mit dem beauftragten Planer und Bauleiter Dieter Grundmann aus Sarstedt zurück. „Der Aufbau ist komplett nach DIN 18035 geschehen und jederzeit nachvollziehbar“, betont er und verweist auf eine zwölf Zentimeter dicke Tragschicht und eine darauf liegende zwölf Zentimeter dicke Sandschicht.

Die aktuelle Situation, so viel ist klar, stellt niemanden zufrieden, am wenigsten die Sportler, die über Verletzungen aufgrund des rutschigen Untergrundes klagen. Ein Wintermärchen ist der Winterrasen jedenfalls nicht. „Beim Thema Seifigkeit ist auch die Jahreszeit zu beachten, als der Platz bespielt wurde. Da ist er oben angetaut gewesen und in der Schicht darunter war Frost drin. Natürlich muss der Frost erst raus“, meint Oestmann und betont: „So ein Naturplatz hat seine Grenzen.“ Schon 2019 hatte der das Projekt zunächst begleitende Claus Mehnert gegenüber unserer Zeitung erklärt, dass der Winterrasen eher für Spätherbst und Frühjahr geeignet sei: „Wenn Frost oder Schnee darauf liegen, kann man ihn nicht bespielen. Da bricht das Blatt.“

Grüne und Linke wollen in ihrem Antrag unter anderem wissen, warum und von welchen Vereinsmannschaften das angekündigte Nutzungsverbot ignoriert worden sei und fragen: „Sind aufgrund der Nichtbeachtung der Platzwartanweisungen schon mögliche Regressansprüche geprüft worden?“ Rund 650 000 Euro hatte das ganze Projekt gekostet – 250 000 Euro davon hatte Rolf Ludwig mit seiner Stiftung gespendet, 55 000 Euro kamen vom Landkreis an Zuschüssen.

Als Reaktion auf den Antrag von Grünen und Linken reichten auch CDU und Freie Wähler eine gemeinsame Anfrage ein. Darin geht es unter anderem um den Wasser- und Energieverbrauch, den Einsatz von Düngemitteln sowie deren Belastung und den Mehraufwand an Pflege. Zudem schlagen sie nach den Wintermonaten eine Besichtigung mit Vertretern der nutzenden Vereine vor. In einer Stellungnahme heißt es außerdem: „Die Tatsache, dass der hochgepriesene Winterrasenplatz nicht den Erwartungen entspricht, bestärkt die Fraktion CDU/Freie Wähler in ihrer ablehnenden Haltung zur Einrichtung eines solchen ,Versuchsprojektes‘ im norddeutschen Raum nachträglich. Leider ist es aufgrund mangelnder Transparenz und gewollter Fehlinformationen durch die damalige Verwaltungsspitze zu dieser Ratsentscheidung gekommen.

Eine weitere Tatsache ist, dass die wohlgemeinte Spende, entgegen den widerlegbaren Versprechungen durch den damaligen Bürgermeister Andreas Weber, nicht annähernd zur Einrichtung des Winterrasenplatzes gereicht hat. Auch die Aussage, dass es zu keiner wesentlichen Unterhaltssteigerung kommt, hat sich, wie befürchtet, nicht bestätigt. Hier ist bewusst Schaden für die Stadt Rotenburg (Wümme) in Kauf genommen worden.“

Henning Schwardt verweist auf allein 21 Jugendmannschaften, die der RSV stellt und von denen einige derzeit andere Trainingsstätten (auch außerhalb Rotenburgs) nutzen müssen. „So wie es jetzt mit dem Platz ist, ist uns nur begrenzt geholfen. So sind wir limitiert“, betont er.

Eine zeitnahe Lösung hat auch er nicht – und die, die ihm vorschwebt, scheint ohnehin nicht mehr realisierbar: „Das Einzige, was mir einfällt, ist ein Kunstrasen.“

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