Bundestagswahl: Volker Körlin will für die AfD nach Berlin - VON GUIDO MENKER

Ein Dribbel-Künstler

AfD-Politiker Volker Körlin (61) kandidiert in diesem Jahr für den Bundestag.
 ©Menker

Rotenburg/Soltau – Fast ließe sich der Eindruck gewinnen, Volker Körlin hadere mit seiner Partei. Zumindest ist ihm klar, wie problematisch es ist, in der AfD Mitglieder wie den rechtsextremen Björn Höcke zu haben. Mitglieder, die nicht davor zurückschrecken, sich öffentlich mit der ausländerfeindlichen Pegida sowie rechtsextremen Gruppen in eine Reihe zu stellen. Bislang meinte der 61-Jährige, sich ein wenig hinter dem verstecken zu können, worum er sich als Mitglied des Stadtrates in Burgwedel sowie des Ortsrates Großburgwedel kümmert. Jetzt aber will der Mann aus dem Speckgürtel der Landeshauptstadt auf die große Bühne: Körlin kandidiert im Wahlkreis „Rotenburg I – Heidekreis“ für den Bundestag. Daher muss er sich noch mehr mit dem Bild konfrontieren lassen, das die AfD seit Jahren abgibt.

Es scheint, als ginge ein Riss durch diese Partei, die sich zur bevorstehenden Bundestagswahl den Slogan „Deutschland. Aber normal.“ auf die Fahnen geschrieben hat. Der Richtungsstreit manifestiert sich nicht zuletzt in der Führungsetage zwischen den beiden Vorsitzenden Jörg Meuthen und Tino Chrupalla. Körlin fühlt sich dem Lager der national-liberalen Mitglieder zugehörig. Doch da sind eben auch die, die am rechten Rand fischen.

Körlin spricht von „Grenzgängern“ und von denen, die diese Grenze sogar überschreiten. Höcke als Parteifreund zu bezeichnen, geht ihm nicht über die Lippen, aber er kann sich auch nicht dazu durchringen, die Frage danach zu verneinen. Immerhin: „Björn Höcke ist für mich ein rotes Tuch. Ihn würde ich niemals zum Vorsitzenden wählen.“ Kaum gesagt, scheint er diesen Satz fast zu bereuen und relativieren zu wollen. Die nach wie vor spürbaren Strukturen des offiziell aufgelösten „Flügels“ seien „ein großes Problem, das weiß ich. Aber ich möchte einen Beitrag leisten, das zu überwinden“.

Körlin ist begeisterter Läufer und hat früher Fußball gespielt, berichtet er in diesem mehr als zweistündigen Gespräch. Wir treffen ihn in Soltau, nehmen mit ihm Platz im Außenbereich eines italienischen Restaurants. Heute kickt er nicht mehr, aber die Dribbelkunst hat er sich erhalten. Geschickt und zugleich sehr bemüht wirken seine Versuche, weit auszuholen und damit schwierigen Fragen auszuweichen. Es sind Fragen, die auf seiner politischen Herkunft fußen.

Mehr als 30 Jahre lang hat der selbstständige Versicherungskaufmann im Namen der FDP Kommunalpolitik gemacht und war Mitglied im Landes- sowie im Bundesvorstand des Liberalen Mittelstands. Körlin sieht seinen Schwerpunkt in der Wirtschaftspolitik, mit dem ehemaligen FDP-Chef Guido Westerwelle sei er politisch befreundet gewesen – „auch, wenn wir nicht immer einer Meinung waren“.

2016 dann kehrte er der FDP den Rücken – Anlass sei die Debatte um die Zukunft des Krankenhauses in Großburgwedel gewesen. Körlin habe für den Erhalt gekämpft. In diesem Zuge sei er mit der AfD in Kontakt gekommen und zu Veranstaltungen der Partei gegangen. Man lag auf einer Wellenlänge. Körlin wechselte das Lager – und wollte weiter nur auf kommunaler Ebene Politik machen. Das hat sich geändert.

Integrieren, aber nicht reinhelfen

Interessant dabei: Eigenen Angaben nach engagiert sich der gebürtige Braunschweiger Körlin seit 2015 als Flüchtlingshelfer in seinem Heimatort. Er unterstütze die Menschen bei Behördengängen, bei Arztbesuchen und beim Kontakt mit der Agentur für Arbeit. Daran halte er bis heute fest. „Diese Menschen müssen integriert werden, da haben wir als Deutsche auf sie zuzugehen.“ Aber nein: „Wir wollen nicht helfen, dass sie reinkommen“, schiebt er nach.

Der 61-Jährige kenne den Landkreis Rotenburg sowie den Heidekreis „nicht gut“. Vergangenen Samstag sei er das erste Mal in der Kreisstadt gewesen. Es habe am Info-Stand der AfD Gespräche mit den Bürgern gegeben. Dass er ausgerechnet in diesem Wahlkreis kandidiert, „habe sich so ergeben“. Man habe ihn gefragt, ob er ihn übernehmen wolle, nachdem im Raum Hannover schon alle Wahlkreise vergeben waren. Hier wolle er nun „um jede Stimme kämpfen“, sagt er. Dabei ziehe er das Gespräch den Beiträgen in sozialen Medien vor. Er setze auf Diskussionen mit den Menschen vor Ort. Was aber werden die Themen sein? Wo drückt aus seiner Sicht bei den Menschen hier im Landkreis der Schuh? „Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Da muss ich bei meinen Parteikollegen nachfragen.“ Von denen gibt es in Rotenburg allerdings nicht sehr viele, die nah dran sind am politischen Tagesgeschäft. Thomas Ossadnik als Mitglied des Stadtrates – ohnehin einer, der sich nie zu Wort gemeldet hat – ist schon seit längerer Zeit gar nicht mehr im Rathaus zu sehen. Für den zweiten 2016 gewonnenen Platz im Stadtrat gab es gar keinen Kandidaten. Und die ehemals drei AfD-Vertreter im Kreistag haben die Partei längst wieder verlassen. Im Kommunalwahlkampf bringt es die AfD im Landkreis gerade einmal auf drei Kandidaten.

Nun soll also Volker Körlin der AfD im Wahlkreis neue Kraft verleihen. „Sollte ich in den Bundestag kommen, würde ich hier einen Nebenwohnsitz anmelden“, verspricht er. Auf der Landesliste findet er sich auf dem elften Platz wieder. Die Chancen stehen angesichts der aktuellen Umfragen alles andere als gut für den 61-Jährigen. Das weiß er.

Zudem muss er sich im Kampf um das Direktmandat gleich mit sechs anderen Bewerbern auseinandersetzen. Und so macht er dann auch deutlich, worum es geht: um möglichst viele Stimmen für die AfD, damit möglichst viele Kollegen von der Liste den Sprung in den Bundestag schaffen. Eine Liste, auf die sich Körlin jetzt zurückzieht, wenn es um Fragen zu den alten Flügel-Strukturen in der Partei und damit um Höcke, die „Grenzüberschreiter“ und deren Gebaren in der Öffentlichkeit geht. Diese Liste stehe für ihn stellvertretend für das, worum es ihm gehe.

„Deutschland. Aber normal.“ – was aber ist aus Sicht von Völker Körlin normal? „Normal ist der Schutz vor Übertreibungen – im Sinne der Vernunft der Mitte.“ In der falschen Partei sieht er sicht daher nicht: „Nein, wir treten dafür ein, wir als Landesgruppe, wir wollen das.“ Doch selbst im Landtag ist das zuletzt nicht gelungen – die Fraktion hat sich selbst zerlegt. Körlin: „Daran müssen wir arbeiten.“ Es wirkt, als wisse er, wie schwer es ist, in und mit der AfD dort hinzukommen, wo er selbst sich gerne sieht, weil er genau von dort kommt: in der Mitte. Schließlich sei er kein Rassist, kein Querdenker. „Damit mache ich mich nicht gemein.“ Da mitzumachen, sei „ein Fehler“. Ebenso wie der „Zickzack-Kurs“ seiner Partei in Sachen Corona. „Für mich steht die Wissenschaft über der Ideologie.“ Geimpft sind er und seine Frau übrigens noch nicht – wegen möglicher Nebenwirkungen.

Nebenwirkungen verspürt Körlin auch innerhalb seiner Partei, ausgelöst vom rechten Rand. Eine gleiche Ausrichtung erkenne er nur im Kampf für die Gesamtpartei. Das Spannungsverhältnis sei groß. „Man muss sich respektieren, aber keine große Partei-Freundschaft entwickeln“, sagt er. Denn die „Doppeldeutigkeit“, mit der allen voran Höcke auftritt, „ist schwer zu ertragen“. Mit seinen „Äußerungen in extremer Weise tut er der Partei keinen Gefallen“. Einer Alice Weidel unterstellt er zwar wirtschaftspolitische Kompetenz. Ihr Auftreten hingegen sei „Geschmackssache“.

Was aber müsste noch passieren, damit Volker Körlin die AfD wieder verlässt? Immerhin hätten ihn schon viele Menschen gefragt, ob das mit der AfD nicht doch ein Irrtum sei. Der Großburgwedeler: „Ich hoffe, dass es dazu erst gar nicht kommt.“ Antworten auf die Fragen zu einer möglichen Spaltung gebe er besser erst nach der Bundestagswahl, sagt er zum Abschluss des Gespräches. Da ist er wieder, der Dribbler auf dem politischen Parkett.

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