Bei den Paralympixx für Hunde geht es um Spiel und Spaß - Von Ann-Christin Beims

Kleine Helden mit "Hundicap"

Die französischen Bulldoggen Jamie und Percy sind unzertrennlich. Der Rolli ermöglicht es Jamie, genauso wie vorher mit seinem Bruder durch die Gegend zu flitzen.
 © Ann-Christin Beims

Soltau. Freudiges, aufgeregtes Gebell empfängt die Besucher auf dem Hof der Wildtierstation Soltau. Die Sonne scheint warm vom nahezu wolkenlosen Himmel, es weht ein lauer Wind und die großen Bäume auf dem Gelände spenden genügend Schatten für die anwesenden Zwei-, Drei- und Vierbeiner – perfekte Bedingungen für die 14. Paralympixx für Hunde sind gegeben.

„Sporteln, Spaß haben, Gleichgesinnte treffen, Gutes tun und Informationen austauschen. Mögen die Spiele also beginnen“, eröffnet Moderatorin Brigitte Schulz gut gelaunt die etwas andere Hundeolympiade. Dabei treten Hunde mit Handicap und Hundesenioren gegeneinander auf einem kleinen Parcours an, der aus zehn Stationen besteht, und kämpfen um Gold-, Silber- und Bronzemedaillen. Die Tiere laufen Slalom um Holzpflöcke, gehen durch einen abgedunkelten Tunnel, stapfen vorsichtig über eine Wackelplanke oder springen durch einen Reifen. Die Rolli-Hunde können an der Station stattdessen über eine Raschelplane fahren. Eifrig schwanzwedelnd sind die meisten dabei, doch manch einer wirkt auch ein wenig skeptisch. Mit der Startnummer eins wagt sich ein blinder Hund in die neue Umgebung. Liebevolle Anweisungen seines Frauchens und der Duft eines Leckerbissens leiten ihn durch den Parcours.

Eine der beliebtesten Stationen ist unzweifelhaft die mit kleinen Würstchen an einem Seil. An letzterem ist ein Zettel mit einer Punktzahl befestigt. Für die Wertung ist nur das Seil relevant, dessen Würstchen als Erstes im Bauch der drolligen Wuschel verschwindet, aber denen ist das oft herzlich egal. Da sind Würstchen, da wird gefressen – gnadenlos! Und das ist völlig in Ordnung, denn es geht um Spaß, nicht um Zeit.

Monika Kielmann und Beatrix Müller-Kielmann sind die Frauen der ersten Stunde: Die beiden haben das Projekt ins Leben gerufen. „Es gibt so viel für gesunde Hunde, wir wollten etwas für Handicap-Hunde machen“, erzählt Müller-Kielmann, die die Paralympixx liebevoll „unser Baby“ nennt. Mit der Veranstaltung wollen sie zeigen, was diese Hunde alles können und das nicht jedes Tier mit einem Handicap gleich eingeschläfert werden muss. „Da ist die Kommunikation auch von Seiten der Ärzte noch zu lasch“, kritisiert sie. „Wenn sie den Besitzern mitteilen, was sie bei einer Amputation beachten müssen, und diese dann erstmal große Augen machen, wird oftmals viel zu schnell empfohlen, den Hund dann doch lieber einschläfern zu lassen.“ Müller-Kielmann wünscht sich, dass die Aufklärung in diesem Bereich besser wird. Oftmals müssten die Besitzer unter Zeitdruck entscheiden, was mit ihren Lieblingen passieren soll, was keine gute Voraussetzung sei.„Wir wollen vermitteln, dass es sich lohnt, in Ruhe darüber nachzudenken.“

Aber die Paralympixx tun noch mehr: 500 Euro von den Startgeldern plus die an dem Tag gesammelten Spenden kommen einem bedürftigen Hund zur Unterstützung bei Arzt- und Klinikkosten zugute. Der 14. Glückshund ist der erst fünf Monate alte Mini Toy Bobby von Elena Zimbelmann. Der Kleine hatte keinen einfachen Start ins Leben, durch eine angeborene Fehlstellung im Knie musste er früh operiert werden. Die Tierärzte haben alles versucht, um sein Bein zu retten. „Aber er hatte sichtlich Schmerzen, hat auf das Antibiotikum allergisch reagiert, seine Blutwerte waren schlecht, die Leberwerte sind gesackt“, erinnert sich Zimbelmann. Auch zehn Tage nach der OP konnte er das Bein nicht bewegen. „Die Ärzte hatten eine Amputation bereits angesprochen, das war die einzige Möglichkeit. Vor zwei Wochen wurde ihm das Bein abgenommen.“ Die Heilung verläuft gut und ab dem Moment sei es Bobby gleich besser gegangen. Das Laufen habe ihm keine Probleme bereitet, da er sich ohnehin meist auf drei Beinen bewegt hatte, um das kranke Bein zu schonen. Bobby selber sitzt anfangs nervös auf Zimbelmanns Schoß und beobachtet aufmerksam alles um sich herum. Doch einige Zeit später traut sich der Mini und rennt selber über den Hof – sein Frauchen allerdings immer fest im Blick.

Um die Ecke wartet bereits die französische Bulldogge Jamie darauf, auf den Parcours zu gehen. Der sechs Jahre alte Racker ist mit seinem Bruder Percy angereist, die beiden sind seit der Wurfkiste unzertrennlich. Jamie hatte einen Bandscheibenvorfall und ist seit Februar ein Rolli-Hund. „Als wir ihn das erste Mal reingesetzt haben, hat er uns etwas sparsam angeguckt, aber dann ist er losgeflitzt“, erzählt Besitzerin Monika Wulff. Sie und ihr Mann Christian hatten erst einen Kinderwagen für Jamie besorgt. „Aber das war für ihn ganz schlimm. Sein Bruder konnte laufen und alles erschnuppern, er nicht,“ sagt sie. Zuhause robbt Jamie oft ohne seinen Rolli durch Haus und Hof, zum Schutz für seine Beine trägt er dann eine kleine Jeanshose. Sein Bruder geht mit der neuen Situation ganz locker um, hat sich schnell daran gewöhnt. „Percy hört ihn schon von weitem und geht sicherheitshalber beiseite, damit er ihm nicht an die Hacken fährt“, erzählt Monika Wulff mit einem Schmunzeln. Doch dann wird sie ernst. „Unsere beiden sind unkompliziert, da haben wir Glück. Aber man sollte sich nicht aus Mitleid einen Handicap-Hund holen.“ Die Wulffs müssen Jamie Windeln anziehen und mehrmals am Tag die Blase ausdrücken. Mit einem solchen Tier sei viel Verantwortung verbunden, dessen sollte man sich bewusst sein. Sie bestätigt Müller-Kielmanns Eindruck, dass Ärzte schnell zum Einschläfern tendieren. „Nach der OP war Jamie viel länger im Krankenhaus als gedacht, seine Entlassung wurde immer wieder hinausgezögert, wir wurden vertröstet. Wir hatten den Eindruck, als solle er lieber eingeschläfert werden.“ Auch mit dem Unverständnis anderer Menschen, oft nicht mal Tierbesitzer, wurden sie konfrontiert. „Wir wurden gefragt, warum wir ihn nicht erlöst haben. Aber es geht ihm doch gut“, sagt Monika Wulff mit einem Seitenblick auf Jamie, der es sich entspannt vor sich hindösend zu ihren Füßen gemütlich gemacht hat.

Ein paar Meter weiter haben es sich Tina Schröder und ihr Hund Manfred ebenfalls im Gras gemütlich gemacht. Sie beobachten das bunte Treiben um sich herum, während sie auf ihren Aufruf warten. „Manni ist ein klassischer Auslandshund, ein Grieche, der als Baby alleine aufgefunden worden ist.“ Was er damals erlebt hat, konnte niemand sagen, aber die Nachwirkungen seiner Zeit auf der Straße sind spürbar: „Jeder Mülleimer ist immer noch seiner“, erzählt Schröder mit einem Grinsen. Das kann aber auch ins Auge gehen: Als Manni einmal neugierig seinen Kopf in einen Eimer mit Schwingdeckel gesteckt hat, kam er alleine nicht wieder heraus. Vor anderthalb Jahren schließlich hat sich das Leben für Manni und seine Familie komplett verändert. „Er konnte plötzlich nicht mehr laufen, der Arzt sagte uns, es ist Knochenkrebs.“ Schröder hat lange überlegt, was sie tun soll. Sie wollte eine Entscheidung im Sinne des Hundes treffen und die Prognose für diese Krankheit ist schlecht. Sie entschied sich für eine Amputation des Vorderbeins. Zusätzlich musste Manni eine Chemotherapie machen. „Die war einfacher, als ich es mir vorgestellt hatte, wir hatten zum Glück kaum Nebenwirkungen“. Schlimm seien allerdings die ersten zwei Wochen nach der Abnahme gewesen. „Wenn der Hund vor Phantomschmerzen schreit, leidet man auch“, sagt Schröder leise. Heute ist sie froh, dass sie diese Entscheidung getroffen hat. Manni geht es 17 Monate nach seiner OP gut und damit liegt er weit über der Erwartungshaltung der Ärzte. Viele der kleinen Patienten mit dieser Diagnose sterben später an Lungenmetastasen. Aber auch sie mahnt Tierfreunde zur Vernunft: „Wir werden oft angesprochen und das ist auch wichtig, aber es sind große Einschränkungen, darüber muss man sich im Klaren sein.“ Treppen steigen kann Manni nicht ohne ein spezielles Geschirr und wenn er beim spazierengehen müde wird, darf er sich im Manni-Mobil ausruhen. Der gewitzte Grieche hat schnell durchschaut, welche Vorteile ihm sein kleines Gefährt bietet: Er kann entspannt alles betrachten und die Nase rausstrecken, während Frauchen ihn durch die Gegend kutschiert. „Er nutzt das auch gerne mal aus, selbst wenn er keine Pause bräuchte“, kann sich Schröder ein weiteres Lachen über ihren Gauner nicht verkneifen.

Wer nicht auf dem Parcours ist, kann sich an Infoständen beraten lassen, das ein oder andere Spielzeug für seine Fellnase erstehen oder bei Bratwurst, Pommes und Co. eine Pause einlegen. An allen Ecken kommen die Hundebesitzer so auch miteinander ins Gespräch, manche kennen sich bereits von vorherigen Veranstaltungen. Sie fachsimpeln angeregt, tauschen sich aus, geben einander Tipps und erzählen sich das Neueste aus dem Alltag ihrer Lieblinge. Moderatorin Schulz bringt es auf den Punkt: „Ihr seid für eure Hunde da, und das berührt mich sehr.“

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