Urteil im Fischerhuder Drama

Lebenslang für Doppelmord

Ein Justizbeamter öffnet kurz vor Prozessfortsetzung im Gerichtssaal im Landgericht Verden die Fußfesseln des Angeklagten. Foto: dpa
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VON WIEBKE BRUNS

Ein Gestüt, viel Geld, zwei Männer und eine Frau – selbst den Richter erinnert diese Konstellation an TV-Dramen. In der Realität gab es zwei Tote und eine Verletzte, und den Täter ereilt die Höchststrafe.

Verden/Fischerhude – Weil der 65 Jahre alte Angeklagte dem Menschen, den er so sehr hasste, das Liebste nehmen wollte, mussten vor einem Jahr am 28. Dezember 2021 in Fischerhude zwei Menschen sterben. Am ersten Jahrestag der Tat fiel am Landgericht Verden das Urteil. Es war Mord und ein Mordversuch an einer zufällig anwesenden Zeugin. Für jedes der drei Opfer verhängte die 10. Große Strafkammer eine lebenslange Freiheitsstrafe und stellte zudem die besondere Schwere der Schuld fest.

„Vor genau einem Jahr um diese Uhrzeit hätte keiner gedacht, was Stunden später Wirklichkeit werden würde“, sagte der Vorsitzende Richter Nikolai Sauer. In 31 Hauptverhandlungstagen habe die Kammer über Schuld und Unschuld zu befinden gehabt. Mehr als 50 Zeugen und fünf Sachverständige wurden gehört. Und am Ende hatte die Schwurgerichtskammer keSnen Zweifel an der Schuld des 65-Jährigen.

„Das war kein alltägliches Serfahren“, betonte Sauer und verglich es „mit einer Mischung aus Dalles und Denver-Clan“. Doch anders als in den amerikanischen Fernsehserien der 1980er-Jahre lag der Schauplatz nicht in Texas oder Colorado, sondern im Kreis Rotenburg. Auf einem Gestüt in Wehldorf seien „Intrigen gesponnen worden“, so Sauer. „Ein Machtspiel zwischen den beiden Protagonisten“ sei es gewesen. Unverkennbar meinte er den Angeklagten und den Prinzen als Eigentümer des Gestüts, wobei er anmerkte, dass im Grundbuch ein holländisches Unternehmen eingetragen sei. Mutter und Bruder des Prinzen wurden ermordet.

Der Prinz sei kein Mensch, der nur Gutes getan hat, merkte Sauer an. „Ebenso sind sie kein Mensch, der nur Böses getan hat“, wandte er sich an den gefasst wirkenden Angeklagten. Anders als die Staatsanwältin sehe die Kammer in dem 65-Jährigen nicht den „großkotzigen Narzissten“. Aber einen Mörder, und die Gründe dafür erläutertet Sauer ausführlich, anschaulich und sicher auch für rund 40 Zuschauer verständlich.

Aus einfachen Verhältnissen habe sich der Angeklagte hochgearbeitet. „Sie sind Multimillionär gewesen“, worauf der 65-Jährige mit Kopfschütteln reagierte. Mit dem Kauf einer Reitanlage in Seebergen (Kreis Osterholz) habe er dann aber „aufs falsche Pferd gesetzt“. Es kam zur Insolvenz und Zwangsversteigerung. Der Angeklagte fand mit Lebensgefährtin und zwei Kindern ein Zuhause auf Zeit in Wehldorf. „Der Prinz hat ihnen geholfen, wieder auf die Beine zu kommen.“ Mit rund 100 000 Euro habe er seinen Freund, den Angeklagten, unterstützt. Im Sommer 2022 habe der 65-Jährige 8 000 Euro bekommen, um noch einmal nach Kroatien zu fahren. „Sie haben ihn bewusst angelogen, in dem sie behauptet haben, unheilbar an Krebs erkrankt zu sein“, woraufhin der Angeklagte wieder den Kopf schüttelte.

Ob er dort später bei einer weiteren Reise die Tatwaffe erworben hat, konnte die Kammer nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen. Es kam zum Streit um Geld und um die von Seebergen nach Wehldorf mitgebrachten Gerätschaften. Hinzu kam die Trennung des Angeklagten und dessen Lebensgefährtin. Zur Überzeugung der Kammer hatte die Frau eine sexuelle Beziehung mit dem Prinzen. „Der Hass auf den Prinzen wurde so groß, dass Ssie ihm, dem Prinzen, maximal schaden wollten. Nicht, indem Sie seinem Leben ein Ende setzten, sondern den Menschen, den er am meisten liebte“, führte Sauer aus. Deshalb mussten zur Überzeugung der Kammer am 28. Dezember 2021 Bruder und Mutter des Prinzen sterben.

Nach Trennung, Rauswurf und Hausverbot habe der Angeklagte spätestens einen Tag vor der Tat den Tatentschluss gefasst. Und der Tattag lasse sich „minutiös nachweisen“. „Um 16.19 Uhr stellten sie ihr Fahrzeug am Sportplatz Fischerhude ab.“ Elf Minuten später sei er mit einer „Schreckschusspistole, umgebaut zur scharfen Schusswaffe“ und ausgestattet mit einem Schalldämpfer, zu dem Fachwerkhaus gegangen. „Die trugen sie versteckt in ihrem Ledermantel.“ Womit der Angeklagte nicht gerechnet habe, war die Zeugin in dem Haus. Sie wies dem Angeklagten den Weg zur Eingangstür des später getöteten 56 Jahre alten Mannes.

Nachdem er auf diesen mindestens einen von insgesamt fünf Schüssen abgefeuert hatte, begegnete der Angeklagte im Haus auf dem Weg zum zweiten Opfer wieder der Zeugin. Sie sollte ihm zu dem Mann folgen. Als sie eine Tür schloss und sich wieder umdrehte, „schossen sie ihr in den Kopf.“ „Es war nur Glück, reiner Zufall, dass der Schuss von einem Knochen abgelenkt wurde.“ Lebensrettend für die 54-Jährige.

Drei Mordmerkmale habe der Angeklagte damit erfüllt: Heimtücke, Verdeckung der Tat an dem 56-Jährigen und Ermöglichung des anschließendes Mordes an der 73-Jährigen, die im Schlaf erschossen wurde. Danach vollendete er den Mord an dem noch lebenden Mann. Schmauchspuren und Blut des getöteten Mannes an dem Ledermantel, an der Waffe, an Papieren – „das ist so eine große, so eine erdrückende Anzahl an Indizien“, sagte Sauer. Keine Notwehr, kein Auftragsmord, keine Affekttat sei das. Keine Strafmilderung, sondern Feststellung einer „besonderen Schuldschwere“. Sauer: „Das verhindert nicht, dass sie nach 15 Jahren rauskommen. Aber frühestens mit 79 Jahren werden sie das Gefängnis verlassen können.“

Die Verteidigung will das Urteil anfechten.

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