Lesung: Martin Busch sieht zunehmende Individualisierung kritisch

„Das Gute im Menschen braucht tägliche Arbeit, das Böse nicht“

Autor und Radiomoderator Martin Busch ist der Meinung, dass der Mensch nichts mehr in Kauf nehmen, aber alles sofort kaufen können will. Foto: Elke Keppler-Rosenau
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Ottersberg (kr). Wer gerne Radio hört, dem ist der Name Martin Busch geläufig. Der promovierte Soziologe, Jahrgang 1973, seit Mitte der 1990er-Jahre Hörfunk-Journalist, moderiert seit 2003 unter anderem das Nachrichtenformat „Die Rundschau“ bei Radio Bremen. Aber er moderiert und spricht nicht nur, er schreibt auch eigene Texte, darunter gesellschaftskritische Essays und Songs für seinen Vater, den bekannten Sänger und Universitätsprofessor Dirk Busch. Sein neuestes Werk ist eine Sammlung von 100 Aphorismen über das Jetzt und Hier mit dem Titel „Als Freiheit und Fortschritt begannen, Eigentore zu schießen.“ Das stellte er unter der Woche in Ottersberg vor.

Auf Einladung der Buchhandlung Froben mit Inhaberin Anja Froben, las er kürzlich daraus und ließ sich dabei von Ralf Dinkelmann auf der Gitarre begleiten. Unterteilt in Themen widmete sich Martin Busch dabei der Individualisierung und der Verrohung der heutigen Zeit, dem Raubtierkapitalismus und Staatsversagen, der Nation und der Globalisierung, Familie und Kontinuität, der Flüchtigkeit und dem Narzissmus. Seinem Buch schickt er ein Vorwort von Gabriel Laub voran: „Der Aphorismus ist pessimistisch in seinen Aussagen und optimistisch in der Vermutung, dass der Versuch, dem Menschen etwas zu erklären, nicht sinnlos ist.“ Dann steigt er ein mit kurzen, aber sehr prägnanten Sätzen wie: „Unter Gleichberechtigung verstehen heute viele: Ich bin berechtigt, mich am wichtigsten zu nehmen. Und das nicht später, sondern gleich“. Oder: „Der Mensch des 21. Jahrhunderts ist sein eigener Lieblings-Autor und die einzige akzeptierte Autorität in Fragen der Lebensführung.“

Interessant ist auch, wie er die gegenwärtige Kompromisslosigkeit der Menschen empfindet. „Die Zahl der Single-Haushalte steigt kontinuierlich“, sagt er. Und schiebt nach: „Sie sind die neue Komfortzone und Grund dafür, dass der Mensch sich schlagartig zum Spezialisten für Selbstdarstellung entwickelt hat. Obwohl es mehr Transparenz als je zuvor zu geben scheint, seien Wahrheit und Lügen schwieriger denn je auseinanderzuhalten. Das Faustrecht hat einen besorgniserregenden Verbreitungsgrad. Das Gute im Menschen braucht tägliche intensive Arbeit, damit es zur Entfaltung kommt. Das ist beim Bösen nicht nötig“, findet der Autor und dass Menschen anderen gegen den Kopf treten, will ihm nicht in den Kopf.

Die perfektionierte Individualisierung sei die Totengräberin des Proletariats als potenzielle politische Kraft, und die Willkür des Individuums nicht ungefährlicher als die des Staates, findet Busch.

Das immer wieder eingestreute Gitarrenspiel sorgte für eine Auflockerung der Texte, die das nur spärlich vorhandene Publikum nachdenklich machten und in einer anschließenden, sehr lebhaften Diskussion mit dem Autor hinterfragt wurden. „Wenn ein Spiel immer mehr Verlierer produziert, ist es gut, wenn ein Spielverderber auftaucht. Hier ist es obendrein ein scharfsinniger“, kommentierte der Publizist Stefan Aust das Buch, das unter ISBN 9783956512094 im Kellner Verlag erschienen ist.

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