Die Hamburger Band Station 17 blicken in die Zukunft – Von Janila Dierks

Lust auf Neues

Station 17 eröffneten am Samstag das musikalische Geschehen auf der Blue Stage.
 ©Rotenburger Rundschau

Sie eröffneten am Samstag die Blue Stage:. Mit lauten „Station 17“-Rufen begrüßten ihre Fans das achtköpfige Musikerkollektiv, das sich 1989 in einer Wohngruppe in Hamburg zusammenfand, auf der Bühne, das in der folgenden halben Stunde alte Hits aus 29 Jahren Bandgeschichte und neue Songs von ihrem jüngsten Album Blick performte. Pogo, Polonaise und ein Ruderboot blieben nicht aus. Kurze Zeit nach dem Auftritt sitzen Keyboarder Sebastian Struber, Hauke Röh und Felix ‚Ernesto‘ Schnettler im Interview und erzählen, wie die Produktion so eines neues Albums bei ihnen eigentlich funktioniert und blicken, auf das, was kommt.

Herzlichen Glückwunsch zu eurem Auftritt. Das ging ja richtig ab!

Hauke: Dankeschön! Ja, ein Glück!

Hattet ihr erwartet, dass schon so viele Leute auch mittags um halb eins schon kommen?

Hauke: Ne, das war total überraschend. Eigentlich gingen wir davon aus, dass eher die Schnapsleichen noch im Zelt liegen und gar nicht so viel Lust auf Tanzerei haben, aber umso besser für uns.

Ihr ward schon öfter auf dem Hurricane, oder?

Ernesto: Ich einmal. 2014 war das letzte Mal.

Hauke: 2001 waren wir auch schon mal hier. Aber das war noch eine andere Besetzung.

Eure Bandbesetzung wechselt ständig!

Hauke: Ja, ich glaube, das letzte Konzert haben wir auch mit einer anderen Besetzung gespielt. Die Fluktuation ist schon auffällig, das stimmt.

Ernesto: Nächstes Mal bin ich nicht dabei, da habe ich Urlaub.

Hauke: Naja, wir sind halt auch alle noch in verschiedenen anderen Projekten irgendwie involviert. Sebi macht zum Beispiel viel Theatermusik mit Christian zusammen.

Wie lange seid ihr alle jetzt schon bei Station 17 dabei?

Hauke: Das ist total unterschiedlich, Marc beispielsweise ist seit 2008 dabei. Sebi ist unser Dienstältester. Seit wann bist du dabei?

Sebastian: Seit 2000.

Ernesto: Und ich seit 2004.

Hauke: Ich seit 2013.

Fahrt ihr noch zum Southside oder könnt ihr hier das Festival noch etwas genießen?

Hauke: Ne, wir spielen nicht auf dem Southside. Wir freuen uns gleich auf den Catering-Bereich – oder teilweise tun wir das ja schon. (Mit Blick auf Marc, der ein Brötchen isst) Wir essen was und dann gehen wir ein paar Bands gucken.

Habt ihr wen, den ihr auf jeden Fall sehen wollt heute?

Ernesto: Also Romano und SXTN würde ich mir gern angucken.

Sebastian: Romano ist schon am Start, glaube ich. Der spielt gerade.

Ihr habt ja jetzt frisch auch ein neues Album herausgebracht ...

Hauke: Genau, bis vor kurzem waren wir unterwegs, jetzt spielen wir noch ein paar mehr Festivals den Sommer über und dann im November lassen wir die Tour so ein bisschen auslaufen. Auch weil nächstes Jahr im Januar schon eine neue Platte von uns kommt.

Das ist aber sportlich!

Hauke: Ja, streng genommen kommen zwei Platten.

Ernesto: Also ein Best-Of kommt dann, also die ganz alten Lieder aus der Zeit, in der ich auch noch nicht dabei war. Und jetzt muss ich die richtig pauken.

Hauke: Wir proben gerade für Live-Auftritte auch alte Lieder. Also die Band gibt es ja schon seit 1989. Nächstes Jahr ist also quasi unser 30-Jähriges. Da dachten wir – also zusammen mit unserer Plattenfirma – dass das eine tolle Gelegenheit ist, und daher ziehen wir unseren runden Geburtstag ein bisschen größer auf. Deswegen eine Platte und so eine Art Werkschau. Zwei Platten an einem Tag.

Dann habt ihr also viel vor!

Hauke: Auf jeden Fall! Wir sind immer im Spiel!

Die Platte vor eurem neuen Album Blick war etwas poppiger. Aber davon habt ihr euch wieder abgewendet?

Hauke: Doch, gerade schon. Also die „Alles für alle“ haben wir wahnsinnig stark betoured. Ich glaube da haben wir 120 Konzerte zu der Platte gespielt, ungefähr. Dann waren wir aber tatsächlich ein bisschen müde von dem Pop-Sound und waren halt letztes Jahr im Sommer drei Wochen in so einer alten Schule in Nordfriesland, in einem Studio namens „Watt’n Sound“. Da waren wir drei Wochen, haben sehr viel improvisiert und daraus ist halt unter anderem „Blick“ entstanden und halt auch die Platte, die im Januar kommt. Das ist quasi aus dem gleichen Material geschnitzt. Sie wird den Namen „Ausblick“ tragen. Und diese drei Wochen im Studio haben relativ stark auch den musikalischen Gestus von uns geformt, weil wir wirklich alle ein bisschen müde waren von der Popmusiksache und uns total wieder auf freies Improvisieren gefreut haben. Teilweise improvisieren wir live auch noch. Das können wir bei so einem Festival wie dem Hurricane leider nicht machen, weil wir nur eine halbe Stunde Spielzeit haben. Da spielen wir unsere – in Anführungszeichen – Hits, aber die haben heute ja auch ganz gut gezündet.

Wie muss ich mir dann aber vorstellen, wie ihr arbeitet?

Hauke: Wir probieren uns gerne an Sachen aus, die wir vielleicht erst mal nicht können. Es ist aber auch ein anderer Zugang von Können. Bei uns sind alle der Meinung, dass jeder Musik machen kann und jeder kann ein Instrument spielen. Was dabei rauskommt ist dabei manchmal vielleicht eher experimentell, aber umso besser passt es halt auch in die ganze Musik, die wir machen.

Dann habt ihr also jeden Tag geprobt in den drei Wochen im Studio?

Hauke: Wir haben eigentlich gar nicht geprobt. Wir haben eigentlich nur in den Aufnahmeraum gestellt und...

Ernesto: .... einfach gespielt. Ich spiele Gitarre bei Station 17 – oder eine der Gitarren, wir haben zwei. Und da habe ich mich einfach ins Studio gestellt und eine Melodie mehrmals gespielt, bis immer mehr Leute dazu kamen.

Hauke: So eine Session geht dann irgendwie ein, zwei Stunden oder so. Daraus haben wir dann jetzt für die „Blick“ und für die „Ausblick“ zum Beispiel fünf Minuten rausgeschnitten, auf die wir uns einigen konnten. Ich glaube, insgesamt haben wir 18 Stunden aufgenommen.

Einige Stücke habt ihr auch mit Text, zum Beispiel bei „Dinge“. Schreibt ihr die im Voraus?

Hauke: Den Text hat Andreas Spechtl verfasst. Der singt den ja eigentlich auch auf der Albumversion. Aber halt zum Beispiel das „Alles für alle“ – Album, das ist ja sehr textlastig, aber wir versuchen uns das manchmal auch so ein bisschen rauszunehmen, frei zu improvisieren. Das macht Marc ja sehr gerne und sehr viel.

Gab es bei eurer Aufnahmesession im Studio einen zündenden Moment?

Hauke: Da gab es nicht nur einen Moment, der gezündet hat. Der erste Moment war aber definitiv auch schon am ersten Tag. Wenn man so mit gar keinem Material ins Studio geht und sagt, nach drei Wochen entsteht eine Platte, dann ist man im ersten Moment total nackt da und eigentlich auch ein bisschen aufgeregt, ob das alles überhaupt so funktioniert. Dieser zündende Moment, von dem du gesprochen hast, der war halt schon am ersten Tag da, und das war super. Ich glaube, als wir nach den ersten drei Stunden Musikmachen in den Regieraum gegangen sind, um uns das anzuhören, hat unser Produzent Schneider TM, der das alles aufgenommen hat, gesagt: Okay, rein theoretisch haben wir jetzt schon eine Platte fertig. Wir sind aber noch 20 Tage hier. Daraus sind halt jetzt die „Blick“ entstanden und draus entsteht die „Ausblick“. Dann ist halt immer noch eine Menge Material über, was wir immer noch wahnsinnig gut finden. Da schauen wir mal, wie und ob das überhaupt rauskommt. Aber vielleicht ist halt auch in zwei Jahren die Lust nach was Neuem viel, viel größer und wir lassen die Sachen einfach beiseite liegen und gehen noch mal ins Studio, nehmen vielleicht noch mal 18 Stunden auf. Wer weiß.

Das ist aber schon eine große Freiheit. Andere Bands hadern ja gerade an dem Druck, ständig neue Songs schreiben zu müssen. Bei euch gibt es dagegen jede Menge überschüssiges Potenzial.

Hauke: Das ist schon ein Luxus und ein großer Vorteil gegenüber diesem Pop-Entwurf, den wir bei der „Alles für alle“ vertreten haben. Da ist es dann halt wirklich stures Songs schreiben. Irgendjemand muss sich Text überlegen. Da hat bei uns eigentlich keiner so richtig Lust drauf. Deswegen gönnen wir uns diese Freiheit und diesen Luxus.

Wie bekommt ihr diese Improvisationen dann auf die Bühne?

Ernesto: Da wird dann geprobt.

Hauke: Das ist dann wirklich ein ganz schön anstrengender Arbeitsschritt.

Ernesto: Man hat Linien ausgearbeitet, die alle spielen oder die einzeln gespielt werden. Da muss man eben aus der Aufnahme raushören, was man da gespielt hat. Teilweise dann auch die Melodien wieder bringen, also live dann wieder spielen, weil es sich dann wiederholt.

Hauke: Es ist auf jeden Fall der unbeliebtere Arbeitsschritt.

Ernesto: Üben, üben, üben. Aber dann hat man den Erfolg danach.

Habt ihr ein Lieblingslied aktuell?

Hauke: Also total Lust haben wir alle gerade auf ein Lied, das heißt „Techno Museum II“. Das ist auf einer der früheren Platten. Das spielen wir schon seit ein paar Wochen im Proberaum. Nachdem wir das quasi ausgegraben haben für diese Werkschau, von der ich schon vorhin gesprochen habe. Ansonsten gefällt mir in unserem Live-Set gerade „Urlaub mit Calabrese“ im Original total gut. Das haben wir heute auch als zweites gespielt. Das verliert irgendwie nie an Power, obwohl es von 2008 ist, und eigentlich hätte man meinen können, das nach zehn Jahren ein bisschen über zu haben, aber es bringt immer noch sehr viel Spaß.

Ihr arbeitet auch mit anderen Künstlern zusammen.

Ernesto: Ja, wir haben sogar mit Fettes Brot schon gearbeitet. Das ist aber schon sehr lang her.

Wie kommen diese Kooperationen zustande?

Hauke: Das ist Wahnsinn, wie viele Künstler auch Lust haben, mit uns zu kooperieren und sich einfach darauf einzulassen, wie wir Musik machen. Auf der letzten Platte „Blick“, da sind ja auch für eigentlich jedes Lied Kooperationspartner drauf. So war das auch in dem Studio die drei Wochen. Alle zwei Tage kam ein neuer Kooperationspartner.

Ernesto: Andreas Dorau zum Beispiel, der war dabei.

Die Band ist ja mal aus einer Wohngruppe entstanden. Wohnt ihr heute immer noch zusammen?

Ernesto: Nein, wir wohnen verteilt in Hamburg.

Was ist das Wichtigste, was bei den Leuten ankommen soll, die euch zuhören?

Ernesto: Nur die Musik soll ankommen.

Euer Projekt steht ja irgendwie zwischen künstlerischem Tun und sozialem Projekt. Was ist euch wichtiger?

Hauke: Naja, also wir versuchen eigentlich gar nicht so zu betonen, dass das ein soziales Projekt ist, weil das ist eine Band irgendwie immer. Immer, wenn sich Leute treffen und zusammen Musik machen, ist das auch ein soziales Projekt und daher würde ich das nicht bei uns als die Besonderheit sehen, dass wir uns treffen, um Musik zu machen. Das Besondere ist dann eher die Musik, die wir machen. Ich würde sagen, wir sind natürlich auch untereinander einigermaßen sozial, manchmal, aber die Kunst steht bei uns definitiv im Vordergrund.

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