Thomas Reiter: Eindrücke und Ansichten des Astronauten

179 Tage im Orbit

(bd). Wußten Sie, daß jeder Kontinent, aus 400 Kilometern Höhe betrachtet, eine andere Farbe aufweist? Daß bei Schnee die Küstenlinie Norddeutschlands mit den nordfriesischen Inseln hervorragend zu erkennen ist? Und: Kennen Sie Thomas Reiter? - Er ist einer von 14 europäischen Astronauten und der zweite Europäer überhaupt, der einen Ausstieg in den freien Weltraum gewagt hat. Im Rahmen der Vortragsreihe des Fernmelderegiments 11 referierte Reiter jetzt in der Visselhöveder Mölders-Kaserne.

Etwa 350 Zuschauer lauschten gebannt seinem Erfahrungsbericht über die Teilnahme an der Mission Euromir 95. Reiter erläuterte seine persönlichen Eindrücke und Ansichten der 179 Tage im Weltall so detailliert und intensiv, als wäre er gerade erst zurückgekehrt. "Wie mögen die Menschen sich fühlen?" fragte er sich schon als Kind, als er die erste Mondlandung im Fernsehen beobachtete. Der Berufswunsch Astronaut war geboren. Schließlich hatte er das nötige Quentchen Glück, daß der Wunsch tatsächlich in Erfüllung ging: zur richtigen Zeit das richtige Alter, die richtige Position und das richtige Studium, ausgeprägter Teamgeist und Disziplin verhalfen ihm ins Team. "Am schwersten war das Erlernen der russischen Sprache", berichtet Reiter aus der achteinhalb Jahre dauernden Vorbereitung und Ausbildung. Schließlich ist auch diese Hürde genommen: Am 5. September 1995 befindet er sich mit zwei weiteren Astronauten auf der Mir in einer Umlaufbahn von 400 Kilometern Höhe. Nur knapp einer Katastrophe entgeht die Besatzung, als eine unbemannte Versorgungskapsel mit zu hoher Geschwindigkeit andockt. Nur die schnelle Reaktion des Kommandeurs und die Isolierung des beschädigten Moduls durch die Mannschaft rettet ihr Leben. "Ich habe noch nie so gut geschlafen wie im All, obwohl wir nur fünf bis sieben Stunden Nachtruhe hatten", sagt Reiter. Grund ist die Schwerelosigkeit, bei der man sein eigenes Körpergewicht nicht spürt. "Schwe relosigkeit an sich ist eine Supersache und macht einen Riesenspaß" so Reiter. "Einziger Nachteil ist die Muskelrückbildung. Um ihr einigermaßen entgegenzuwirken, mußten wir täglich zwei Stunden Sport treiben." Größtes persönliches Highlight für den Deutschen war der Ausstieg in den freien Weltraum. "Wenn man von der Nachtseite, dem endlosen Sternenhimmel, in den Erdorbit, die Tagseite wechselt stockt einem der Atem. Man glaubt zu träumen und möchte sich kneifen. Leider ist jede Minute, ja Sekunde des Ausstieges verplant", schildert Reiter. Persönlich wichtige und sehr nachhaltige Erfahrungen vermittelte der Blick auf die Erdkugel. "Bei einer Erdumrundung in 90 Minuten relativiert sich die Bedeutung vieler Wertungen und Probleme. Die Dinge erhalten den richtigen Stellenwert", so Reiter. "Das schärft das Bewußtsein, schafft Überblick und stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschheit." Erschreckend und aufrüttelnd war für ihn die Betrachtung der Regenwälder von oben, denn die großen abgeholzten Bereiche sind gut zu erkennen. "Da kann einem Angst und Bange werden", räumt Reiter ein. In 179 Tagen legte die Besatzung bei einer Geschwindigkeit von 27.000 Stundenkilometern über 2.800 Erdumrundungen, das heißt 121 Millionen Kilometer zurück. (Die geringste Entfernung zwischen Mars und Erde beträgt 56 Millionen Kilometer!). Für Reiter ist unvorstellbar, daß in einem so großen Universum kein anderes Leben existieren soll: "Wenn man das Sternenmeer auf der anderen Seite der Mir betrachtet hat, sind solche Gedanken nur folgerichtig". An Weltall-Tourismus in den nächsten 20 Jahren glaubt er allerdings nicht: "Solange die Ressourcen begrenzt und die Flüge teuer sind, sollten nur Forscher hochgeschickt werden." Seine größten Wünsche im All-Alltag? "Mal wieder was richtiges essen, Natur erleben und die Familie um sich haben."

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