Das steckte hinter Boatengs besonderem Torjubel

Lille - Endlich Torschütze! Nach bangen Tagen wegen einer Muskelverhärtung freut sich Jérôme Boateng über seinen ersten Treffer im Nationaltrikot. Sein Jubel war ein ganz besonderer.

Die riesige Freude von Jérôme Boateng über den Premierentreffer entlud sich in einem gigantischen Jubelsprung. Der Abwehrchef sprintete nach seinem Führungstor im EM-Achtelfinale zur Trainerbank und schloss Teamarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt und Physio Klaus Eder in seine kräftigen Arme. Die beiden hatten den verletzten Weltmeister in bangen Tagen vor dem Spiel gegen die Slowakei (3:0) behandelt und diesen starken Auftritt des Anführers erst möglich gemacht. Der 27-jährige Boateng durfte sich bei seiner Auswechslung in der 71. Minute dann Extra-Beifall abholen.

"Ich bin froh, dass er reingegangen ist. Ich habe gesagt, ich hebe mir das erste Tor für das Turnier auf", sagte der Bayern-Star im ZDF: "Ich freue mich aber besonders für die Mannschaft, die sehr gut gespielt hat. Gleichzeitig war es das schnellste Tor einer DFB-Auswahl bei einer EURO.

Im Viertelfinale am Samstag (21.00 Uhr) in Bordeaux gegen Titelverteidiger Spanien oder Italien geht der Angriff auf den vierten EM-Titel weiter - mit "Boss" Boateng, dessen Einsatz lange infrage gestanden hatte. "Die Ärzte und Physios haben alle Vollgas gegeben, sonst hätte ich heute nicht spielen können", äußerte der Abwehrrecke, der sofort zur Mannschaftsbank gelaufen war. Später wurde er ausgewechselt. Boateng gab aber Entwarnung: "Die Wade ist am Ende etwas fest geworden, es war eine Vorsichtsmaßnahme."

Ecke, abgewehrt, aus dem Hintergrund müsste Boateng schießen, Boateng schießt - und dessen erstes Nationalmannschaftstor im 63. Länderspiel war nach acht Minuten der Partie am Sonntag in Lille perfekt. Beim wuchtigen Rechtsschuss hielt die rechte Wade wie in der gesamten Partie. Die Verletzung hatte ihn beim 1:0 im Gruppenfinale gegen Nordirland zur Auswechslung und danach zu einer Trainingspause gezwungen.

Erst im Abschlusstraining am Samstag kickte Boateng erstmals wieder in der Mannschaft mit. „Die Belastung war für ihn gut und notwendig vor dem Spiel“, sagte Bundestrainer Joachim Löw, der seinen „Führungsspieler“ gleich wieder in die erste Elf beorderte.

In der Defensive ist der Innenverteidiger seit langem der Sicherheitschef. Wegen seiner klugen und präzisen Pässe in der Spieleröffnung wurde er von Kollegen Thomas Müller auch schon augenzwinkernd als „Kaiser“ bezeichnet - in Anspielung an die Künste von Franz Beckenbauer. Und jetzt klappt endlich auch im Nationalteam das Toreschießen.

„Ein Tor wäre nicht schlecht, umso eher umso besser“, hatte Boateng noch im EM-Trainingslager erklärt. Im fünften Länderspiel danach ging der Wunsch des früheren Torschützenkönigs - in der Jugend hatte er auch als Stürmer agiert - in Erfüllung. Die tagelange Ungewissheit über die Gesundheit machte das Tor für Boateng noch etwas emotionaler.

"Jeder weiß, dass er ein Weltklasse-Innenverteidiger ist"

Diese Tage vor dem Spiel, in denen im deutschen Fußball wieder einmal um eine „Wade der Nation“ gebangt wurde, unterstrichen nochmals Boatengs gestiegenen Stellenwert beim Weltmeister. „Er ist angesehen, weil jeder weiß, dass er ein Weltklasse-Innenverteidiger ist“, hob Löw hervor. Dazu hat das Wort von Boateng immer mehr Gewicht im Team. „Ich denke, dass ich mir das selbst erarbeitet und mir meine Position erkämpft habe“, sagte der Münchner.

In dieser Saison musste Boateng allerdings eine Sache noch erlernen: Geduld zu haben. Nach einem Muskelbündelriss im Adduktorenbereich zum Rückrundenstart war der Innenverteidiger erstmals länger verletzt. „So etwas möchte ich nicht wieder erleben, das ist eine schwere Zeit gewesen. Ohne Fußball fehlt etwas Riesiges in meinem Leben“, sagte der Tattoo-Liebhaber. Noch mehr als zuvor achte er seitdem „auf kleine Signale“, wie er verriet. Bei der zwickenden Wade hatten Tor-Debütant, Bundestrainer und Mediziner alles richtig gemacht.

Erst nach dem Abschlusstraining am Samstagmorgen hatte Bundestrainer Joachim Löw Entwarnung gegeben. "Die Wade hat gehalten, er hat keine Probleme", hatte der Coach gesagt: "Er kann spielen." Boateng selbst hatte nach der "neurogenen Verhärtung" in der rechten Wade, die er sich beim 1:0 zum Vorrundenabschluss gegen Nordirland zugezogen hatte, schon vorher signalisiert: Er werde auf jeden Fall rechtzeitig für das erste K.o.-Spiel fit.

Damit stand der "Boss" auf dem Feld, als die entscheidende Phase der EURO in Frankreich begann. Der 27-Jährige, der einst als Hallodri galt, ist beim Weltmeister längst zum Führungsspieler aufgestiegen - vielleicht sogar zum wichtigsten. Der Innenverteidiger des Rekordmeisters Bayern München ist nicht nur uneingeschränkter Chef der deutschen Defensive, sondern mit seinen genauen Pässen auch ein Trumpf im Aufbauspiel.

Spätestens seit seiner Kritik nach dem 0:0 gegen Polen ("So kommen wir nicht weit!") ist Boateng aber auch außerhalb des Spielfelds ein heimlicher Kapitän. "Innerhalb der Mannschaft ist er absolut respektiert und anerkannt", betonte Löw, der ihn explizit aufgefordert hatte, "mehr zu sprechen, sich zu exponieren in seiner Position als Innenverteidiger".

dpa/sid

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