Der Leidensweg von Leslie Schwartz

Aufgeben kam nicht in Frage

Überlebte den Holocaust: Leslie Schwartz.
 ©Joris Ujen

Scheeßel (jo). „Als ich zum ersten Mal die rauchenden Schornsteine sah, wusste ich sofort, dass hier etwas nicht stimmt“, erinnert sich der Holocaust-Überlebende Leslie Schwarz zurück, als er das erste Mal das Konzentrationslager Auschwitz sah.

1930 erblickt Schwartz in der ungarischen Kleinstadt Baktaloranthaza das Licht der Welt. Im Alter von 14 Jahren besetzen die Nazis sein Heimatland unter dem Auftrag „Endlösung in der Judenfrage“. Am Ende werden mehr als 500.000 ungarische Juden diesem monströsen Befehl zum Opfer fallen. Unter ihnen die Mutter, der Stiefvater und die Schwester von Schwartz. Mit einem Viehwagen wird die Familie nach Auschwitz gekarrt.

Bei der Selektion der Gefangenen hat Schwartz eine Begegnung mit dem „Todesengel“, dem KZ-Arzt Josef Mengele. Der fragt den Häftling nach seinem Alter, woraufhin Schwartz ihn aus keinem bestimmten Grund anlügt: „Ich bin schon 17“, sagt er. Mengele schickt den jungen Schwartz dennoch in die „Kinderbaracke“. Auf dem Weg dorthin trifft er auf seinen Bekannten Sandor, der ihn mit zu dem Männerquartier nimmt. Diese Begegnung rettet Schwartz womöglich zum ersten Mal das Leben. Die SS-Wachmänner suchen nach dem fehlenden Häftling, doch der ist gar nicht mehr in dem Höllenort, sondern in einem Zug Richtung Arbeitslager Birkenau. Seine Familie wird er nie wieder sehen. „Ich war 14 Jahre alt und hatte bereits alles verloren: meine Familie, meine Freiheit, meine Staatsbürgerschaft, meine Identität und sogar meinen Namen“, erinnert er sich zurück.

In Birkenau angekommen, schicken die Nazis ihn weiter ins Konzentrationslager Dachau. Durch die Bombenangriffe der Alliierten in München, muss er in der bayrischen Haupstadt Trümmerteile beseitigen. Schwartz ist da nur noch Haut und Knochen und wiegt gerade mal 34 Kilogramm. „Aufgeben kam für mich aber nicht in Frage“, so Schwartz, dessen Lebensfreude die Nazis trotz der ganzen Schrecken nie gänzlich auslöschen werden. Die nächste Station für ihn ist Mühldorf am Inn. An diesem Ort schraubt er mit 8.000 weiteren Häftlingen an der Messerschmitt Me 262, dem ersten Düsenjet.

Das Ende des Krieges naht und die Allierten rücken näher. Panik entsteht bei den Nazis, die hastig versuchen, ihre Spuren zu verwischen. Die KZ-Außenstelle Mühldorf wird aufgelöst. Schwartz sowie rund 3.600 weitere jüdische Häftlinge werden mit der Bahn in Richtung Seeshaupt abtransportiert. Aufgrund technischer Probleme hält der Zug jedoch in der Gemeinde Poing. Bei den Wachmännern verbreitet sich das Gerücht, dass der Krieg vorbei sei. Die Soldaten ziehen ihre Uniformen aus und sagen zu den Gefangenen: „Ihr seid frei“. Ein Ende des Grauens ist aber noch nicht in Sicht. Schwartz flüchtet, doch er wird den Zug wiedersehen.

SS-Männer in der Nähe erfahren von den Flüchtlingen und eröffnen das Feuer. Viele sterben, doch Schwartz findet Schutz bei einer Bäuerin. Ein kurzer Moment des Friedens. Doch unweit von dem Hof liegt ein Lager der Hitlerjugend, die von seinem Unterschlupf Wind bekommen. Einer der jungen Soldaten entdeckt den jetzt 15-Jährigen, schießt auf Schwartz und trifft ihn mit einer Kugel am Hals. Zusammen mit den Toten des Massakers wird er in einen Waggon geworfen. Der Zug rollt weiter. Kurz vor dem Ort Tutzing hält der Zug: Amerikaner bergen den noch lebenden Jungen, Schwartz Leidensweg und der vieler weiterer Überlebender ist vorbei. Es ist der 30. April 1945.

Seine Retter bringen ihn in ein Militärlazarett, wo ironischerweise ein SS-Arzt seine Schussverletzung behandelt. Zudem zeigt die Diagnose, dass Schwartz an der Infektionskrankheit Typhus leidet.

Er erholt sich und wandert 1946 nach New York aus zu seinem Onkel. Im Land der unendlichen Möglichkeiten fängt Leslie Schwartz ein neues Leben an, heiratet und wird Vater eines Sohnes. Mit den schrecklich Erlebnissen wird er aber nie gänzlich abschließen. Er wird nie vergessen, sondern seine Geschichte erzählen.

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