Kreis und Nabu über Wahrscheinlichkeit einer dauerhaften Ansiedlung - VON ANDREAS SCHULTZ

Bibersichtung am Bullensee

Einfach entspannt am Bullensee baden u2013 und dabei nicht weiter an den Biber denken: Naturschützer raten bei Sichtung dazu, das Tier einfach in Ruhe zu lassen.
 ©Schultz

Rotenburg – Der Biber ist zurück im Landkreis Rotenburg. Aufnahmen, die Christian Mayer beim Spaziergang mit dem Hund in der Nähe des Bullensees gefertigt hat, lassen diese Vermutung zu – und der Landkreis Rotenburg bestätigt, dass es sich bei dem gesichteten Tier tatsächlich um einen Biber handelt.

Das Aufeinandertreffen zwischen Biber, Mensch und Hund selbst liegt wenige Wochen zurück: „Mein Hund schlägt mittlerweile dort nicht mehr an“, sagt Mayer. Nicht weiter schlimm – die Erfahrungen des Naturfreunds lassen die Vermutung zu, dass eines oder mehrere Tiere in der Gegend ein neues Zuhause gefunden haben: Immerhin habe sein Hund das Tier im Verlauf der zurückliegenden anderthalb Jahre mehrfach gestellt, ohne dass Mayer es selbst gesehen hat. Zuletzt sind ihm dann aber doch Fotos und Videoaufnahmen gelungen. „Für mich war es eine tolle Erfahrung, erstmals in meinem Leben einen Biber in freier Natur sehen zu dürfen“, blickt Mayer zurück.

Ähnlich begeistert ist Kreisnaturschutzbeauftragte Christiane Looks. Die Eversenerin kennt sich mit dem Tier aus – „ich habe einen Faible den Biber“, gibt sie zu. Dass der Biber so langsam zurückkommt, ist für sie keine Neuheit. Berichte von Sichtungen etwa in Fischerhude, Hellwege und Ostervesede seien ihr bekannt. Allerdings schwinge nicht bei allen Sichtungen auch die notwendige Sicherheit mit, dass es sich um den eifrigen Baumfäller handelt. „Eindeutig sind etwa Fraßspuren“, sagt die Kreisnaturschutzbeauftragte. Die seien zumindest für Fischerhude und Hellwege belegt, während es für die Osterveseder Sichtung bei Augenzeugenberichten bleibt.

Oder eben Fotos und Videos. Auf dem von Mayer stammenden Material ist ein Forstweg zu sehen, der Filmende hält auf einen zum Teil bewachsenen Graben, in dem sich ein felliges Etwas verbirgt. Als es sich zur Flucht wendet, kann man kurz den Schwanz sehen – die „Kelle“, die unter anderem für den Biber charakteristisch ist. „Das identifiziert ihn eindeutig“, ist die Schlussfolgerung von Mayer.

Looks ist diesbezüglich eher vorsichtig. Dass sich die Tiere vereinzelt nahe der Wümme aufhalten, wo sie selten auch mal gesehen werden, weiß sie. Allerdings müsste schon einiges passiert sein, dass sich der Biber ausgerechnet am Bullensee zeigt. Eine Möglichkeit: Er könnte etwa von der Wümme über Wiedau und Rodau gekommen sein. Von dort hätte er etwa weite Strecken über Land und/oder die Kreuzung der B440 oder der Bullenseestraße vom Federlohmühlengraben auf sich nehmen müssen – das wiederum macht die dortige Sichtung aus Looks‘ Sicht eher unwahrscheinlich. Straßen zu queren liege nicht in der Natur des Bibers. „Man muss sich fragen: Was wäre seine Motivation dafür? Wenn man von der Suche eines neuen Lebensraums ausgeht, scheidet das Kreuzen der Straße vom Federlohmühlenbach schon mal aus. Der Bach selbst ist viel attraktiver“, fasst die Kreisnaturschutzbeauftragte zusammen.

Mit Blick auf das Videomaterial zeigt sie sich eher zurückhaltend. Das sei zu unscharf, um eine eindeutige Aussage zu treffen. Der dort zu sehende platte Schwanz könne auch auf Nutria hinweisen. Auch Roland Meyer, Vorsitzender des Nabu Rotenburg, ist sich mit Blick auf die Aufnahmen nicht sicher. „Biber und Nutrias sind vor allem am Schwanz gut zu unterscheiden. Beim Biber ist er abgeflacht, beim Nutria rund. Leider ist der Schwanz weder auf den Fotos noch im Video zu erkennen.“ Zudem sieht er Schwierigkeiten, was die Plausibilität einer Biber-Ansiedlung angeht: „Typisch für Biberreviere ist fließendes Wasser. Davon kann man in der Bullensee-Gegend nicht sprechen, allenfalls in Bezug auf die glücklicherweise eingeschränkte einstige Entwässerung.“ Allerdings berichteten manche Biologen, dass die Tiere anpassungsfähiger seien, als bis vor einigen Jahren gedacht. „Ob der Biber, wenn er denn einer war, lieber weiter zieht oder nicht, wird sich zeigen. Für eine Familiengründung würde es ein zweites Tier benötigen. Ich halte das für eher unwahrscheinlich, zumal mir unsere Flüsse geeigneter erscheinen“, so Meyer.

Auch die Naturschutzbehörde des Landkreises Rotenburg, welche die Sichtung des Einzeltiers bestätigt, sieht noch nicht den Start einer Ansiedlung: „Bis dato kann von keiner Wiederansiedlung gesprochen werden, da es sich um ein Einzeltier handelt, das auch wieder abwandern kann. Eine erfolgreiche Wiederansiedlung geht mit der Etablierung einer lokalen Population einher, das heißt das verpaarte Tiere beziehungsweise das Familienrevier präsent sein müssen.“ Anders als Looks geht man im Amt davon aus, dass das Tier aus Richtung Verden stammt und bezieht. Vertreter beziehen sich dabei auf Sichtungen an Weser, Elbe und Aller. Ein Blick auf die Verbreitungskarte der Tierarten in der FFH-Richtlinie von 2019 zeigt: In unserer Region gibt es laut Dokument weder Vorkommen noch Verbreitungsgebiet. Nächstgelegene dokumentierte Fundgebiete sind – und das stärkt die Lesart des Amtes – Hamburg und Bremen, Elbe und Weser.

Der klassische Bullenseebesucher kann nun seinen Teil dazu beitragen, dass das Tier in der Gegend bleibt und damit die kartografische Darstellung verändert: „Damit sich der Biber in der Region auch weiterhin wohlfühlt, ist es wichtig, ihn in Ruhe zu lassen und von seinen Bauwerken Abstand zu halten“, lautet der Tipp der Naturschutzbehörde im Landkreis.

Und wer weiß: Vielleicht klappt es ja mit dem Biber. Christian Mayer blickt erst mal nach vorne: „Mal schauen, ob er sich im kommenden Herbst oder Winter wieder blicken lassen wird, oder ob der Biber mittlerweile woanders eine Bleibe gefunden hat.“

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