Retrospektive auf das Werk von Otto Meier in Zeven

Zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit

Otto Meier, Große Kapseln  ©Rotenburger Rundschau

Im Rahmen des großen Projekts „Ton-Spuren. Keramik in Nord- und Mitteldeutschland 2013“, an dem sich von Otterndorf bis Leipzig, von Oldenburg bis Frankfurt (Oder) 60 Museen beteiligen, veranstaltet das Christinenhaus, Zeven, eine eindrucksvolle Retrospektive auf das Werk von Otto Meier (1903–1996).

Es war für den Kunsthistoriker Dr. Walter Lokau vom Grassi-Museum Leipzig und Experten für zeitgenössische Keramik in Deutschland ein willkommener Anlass, auf Meiers Leben und seine singuläre Lebensleistung zurückzublicken. Geboren in Dortmund als sechstes von acht Kindern eines Eisenwalzwerk-Meisters, musste er nach dem frühen Tod des Vaters schon als 14-Jähriger durch schwere Arbeit in diesem Walzwerk (zwölf Stunden an sechs Tage wöchentlich) zum Unterhalt der Familie beitragen. Dass er später mit seinen einzigartigen Keramik- und Porzellangefäßen, die allen Vergleichen und Zeitströmungen entrückt sind, zum alle überragenden Kunsthandwerker wurde, verdankt sich zwei Wendepunkten seines Lebens. 1923 schloss er sich, so Lokau, spontan einer Gruppe Gleichaltriger an und wanderte nach Italien. Fast mittellos schlug er sich ein Jahr durch und begann nach seiner Rückkehr ein Studium der Architektur und Bildhauerei an der Kunstgewerbeschule Dortmund. Die Begegnung mit Bernhard Hoetger bewirkt 1925, dass er eine dreimonatige Lehre in dessen Töpferei antritt, selbstständig weiterarbeitet und 1927 die Töpferei in der Böttcherstraße übernimmt. Den Sieben-Faulen-Brunnen dort hat er nach einem Entwurf Hoetgers ausgeführt. Bald folgen Ausstellungsbeteiligungen im Focke-Museum, in Stuttgart, Berlin und Düsseldorf und – ein untrüglicher Beweis für die Qualität seiner Arbeiten – Ankäufe durch führende Museen. Der Zweite Weltkrieg zwingt ihn zu einer sechsjährigen Pause. Aus seiner bombenzerstörten Werkstatt kann er nur einen Ofen retten und baut sie unter Entbehrungen in Worpswede wieder auf. 1964 erhält Meier den Niedersächsischen Staatspreis für Kunsthandwerk, 1982 den Westerwaldpreis und 1986 den Auguste-Papendieck-Preis, Bremen, zwei Jahre später den Ehrenpreis Deutsche Keramik für sein Lebenswerk und die Ehrenmitgliedschaft der Genfer Académie Internationale de la Céramique. Will man ermessen, was die Einzigartigkeit seiner Werke ausmacht, so kann man im Christinenhaus die Einmaligkeit seines Gespürs für Formen erfahren. Da ist das Gefäß vom Plakat, eine Vase von gedrungener Kugelform. Die obere Kappe fehlt, unmerklich angedeutete Rippen teilen die Oberfläche, sind Träger für leicht hellere Glasurspuren, die sich in unregelmäßigen Rastern über die Rundung fortsetzen, zum oberen Teil in ein zartes Dunkel-Türkis wechselnd. Oder der große weiße Porzellan-Kopf, eine fast vollendete Kugelform mit kaum wahrnehmbaren oberen Einformungen in den einzelnen Vierteln. Ein paar angedeutete Kerben, leicht, fast spielerisch angebracht, unterstreichen die Makellosigkeit dieses „nicht länger durch Zweck und Funktion bestimmten Gefäßes“, so Lokau. Otto Meier bezeichnete sich selbst als Einzelfigur, lehnte eine Dozententätigkeit an der Bremer Hochschule für Künste nachdrücklich ab und ist doch unverkennbares Vorbild und Herausforderung für alle, die sich auf die Gratwanderung zwischen „Natürlichkeit und Künstlichkeit“ einlassen und den Möglichkeiten einer feinsinnigen, der Gefäßform korrespondierenden Glasur nachspüren. Susanne Meier, Tochter des Worpsweder Keramikers und Dozentin für Querflöte an der HfK Bremen, und ihre Studentin Ricarda Streckel nahmen mit Werken von Scarlatti und Mozart diese spielerische Leichtigkeit musikalisch auf. Die erlesene Ausstellung der Unikate aus dem Besitz Susanne Meiers ist im Königin-Christinen-Haus donnerstags und sonntags bis zum 24. November von 14.30 bis 17.30 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Uwe Lehmann