Naturdenkmal Buchholzer Kratt-Eichen

Malerischer Mythos

Die Kratteichen werden auch gerne als Fotomotiv, zum Beispiel von frisch Vermählten genutzt u2013 obwohl das Klettern auf den Naturdenkmälern eigentlich nicht erlaubt ist. Foto: Elke Keppler-Rosenau ©

Buchholz (kr). Seltsam krüppelig, mehrstämmig ineinander verschlungen stehen die Buchholzer Kratteichen zwischen Kreisstraße und Wilstedter Kirchweg, einem Waldstück, das zum sogenannten Holzberg, einem Geestrück zwischen Wilstedt und Buchholz liegt. Sie bilden eine Sehenswürdigkeit im Landkreis und sind als Naturdenkmal ausgewiesen. Zwischen 200 und 400 Jahre alt sollen sie sein, genau weiß man es nicht. In Touristikführern wird auf ihre Seltenheit hingewiesen, und neuerdings gibt es sogar eine Ausschilderung an der Kreisstraße, die auf den Standort unweit der alten, lange schon stillgelegten, Sandgrube hinweist.

Gästeführer veranstalten Wanderungen zu den bemerkenswerten Bäumen, deren Erscheinungsbild auf Verbiss durch Waldbeweidung zurückgeführt wird. Schafe und Ziegen, die in früheren Zeiten noch in die Wälder getrieben wurden, um sich dort selbst ihr Futter zu suchen, fraßen immer wieder die jungen Triebe und Blätter ab, und sorgten nach Aussagen von Heimatforschern so für einen krüppeligen Wuchs, der an Schlangen, oder an einen Korkenzieher erinnert.

Die Vermutung liegt nahe, denn in den Dörfern des alten Amtes Ottersberg wurden damals viele Schafe und Ziegen gehalten. Auf dem Harmschen Hof in Buchholz gab es um 1925 noch einen Schäfer mit einer großen Herde. Allerdings fraßen die Horntiere die Eichentriebe nur, wenn sonst nicht viel Futter da war, weil die gerbsäurehaltige Rinde bitter schmeckte. Stimmt diese Version, überlebten die Bäume den fortwährenden Verbiss nur, weil die Tiere überwiegend auf anderes Futter zurückgreifen konnten.

Eine andere Version für den absonderlichen Wuchs könnte das Vorkommen von Ortstein im Boden sein. Ortstein ist eine sehr harte, dunkelbraune, eisenhaltige, horizontal verlaufende Bodenschicht. Die in einer Tiefe von etwa 50 Zentimetern unter der Erdoberfläche verlaufende Schicht ist für Baumwurzeln schwer zu durchbrechen und hindert den jungen Baum daran, an Nährstoffe zu kommen, was dann wiederum sein Wachstum beeinträchtigt. Für diese Variante spricht das Vorkommen junger Bäume in unmittelbarer Nähe der Veteranen, die ganz langsam heranwachsen und eine ähnliche Form, wenn auch nicht so extrem, aufweisen.

Waldbeweidung gibt es schon längst nicht mehr und ein Verbiss durch Wildtiere findet offenkundig nicht statt, aber junge Kratteichen wachsen dennoch nach. Bis sie allerdings eine solch stattliche Größe wie die alten Exemplare erreicht haben, müssen noch an die 200 bis 400 Jahre vergehen.

Ihr Wuchs hat die Kratteichen auch vor der Holzernte bewahrt. Ihre krummen Stämme waren weder für den Bau von Scheunen noch für Weidepfähle geeignet, also ließ man sie stehen. Auf dem Holzberg wurde schon immer und wird bis heute Holzwirtschaft betrieben. Schlanke, gerade nach oben wachsende Stämme wurden immer wieder nachgepflanzt und abgeholzt, sobald sie einen bestimmten Stammumfang hatten.

Neben interessierten Botanikern und Naturfreunden ziehen die Kratteichen alljährlich auch ortsfremde Esoteriker an. In Mittsommernächten und in der Walpurgisnacht suchen Mystiker ihre Nähe, weil von den Bäumen eine gewisse Magie ausgehen soll und sie als Kraftfeld angesehen werden.

Auch als Filmkulisse dienten die Bäume schon und manch ein Hochzeitspaar lässt sich dort ablichten. Das dicke Geäst schlängelt sich so tief über dem Boden, dass die Braut fotogen darauf Platz nehmen kann – auch wenn das Klettern auf den Naturdenkmälern eigentlich verboten ist.