WTA sagt wegen Peng Shuai alle Turniere in China ab – doch das Männertennis zieht nicht mit

Peng Shuai schlägt bei einem WTA-Turnier im südchinesischen Guangzhou 2019 auf. Nun strich der Verband alle Turniere in China.
 ©Imaginechina / Imago / Zuma Press

Die Damentennis-Vereinigung WTA sagte aus Protest gegen die Behandlung des Tennisstars Peng Shuai durch China alle Tennisturniere in der Volksrepublik ab. Doch der Männerverband ATP zieht nicht mit.

Update vom 3. Dezember, 10.12 Uhr: Der internationale Tennisverband der Männer ATP schließt sich dem China-Boykott der Frauen-Tennisorganisation WTA nicht an. wegen der zeitweise verschwundenen chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai anzuschließen. ATP-Chef Andrea Gaudenzi sagte am Donnerstag: „Wir wissen, dass der Sport einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft haben kann“. Der Verband sei aber „generell der Meinung, dass wir mit einer globalen Präsenz die besten Chancen haben, Chancen zu schaffen und etwas zu bewirken.“ Auch Gaudenzi gab aber an, dass die Informationen über das Verbleiben Pengs aus China bislang „unzureichend“ seien.

Mit der Entscheidung reiht sich die ATP damit in die vielen Organisationen ein, die es aus finanziellen Gründen nicht wagen, China die Stirn zu bieten. Stattdessen setzt man auf ausweichende Statements. Die frühere Weltranglistenerste im Doppel, Peng Shuai, hatte Anfang November in Chinas Twitter-ähnlichen Medium Weibo berichtet, vom ehemaligen chinesischen Vizepremier Zhang Gaoli sexuell missbraucht worden zu sein. Der Eintrag wurde ebenso gelöscht wie zahlreiche Internet-Einträge über Peng. Mehr als zwei Wochen fehlte jede Spur von ihr. Spätere Äußerungen wertete die WTA als unter Zwang getätigt, und auch zwei Videotelefonate des Internationalen Olympischen Komitees brachten keine befriedigenden Antworten.

Die Spieler selbst haben unterschiedliche Ansichten über die Turnierabsagen. Der Weltranglistenerste Novak Djokovic hatte den China-Boykott der WTA am Donnerstag ausdrücklich gelobt: „Ich unterstütze die Position der WTA voll und ganz, weil wir nicht genug Informationen über Peng Shuai haben.“ Anders der Weltranglisten-Zweite Daniil Medwedew: „Wenn nächste Woche ein Turnier in China stattfände, würde sich niemand wohlfühlen.“ Das nächste ATP-Turnier sei aber erst im Herbst. „In vielen Ländern gibt es Probleme, und doch spielen wir in den meisten von ihnen Tennisturniere.“

WTA: Mutige Absage aller Damentennis-Turniere in China

Erstmeldung vom 2. Dezember: St. Petersburg, Fla./Peking/München – Der internationale Damentennisverband WTA erhöht im Fall der zwischenzeitlich verschwundenen Tennisspielerin Peng Shuai den Druck auf China*. Die Spielerinnen-Organisation setzt alle Turniere in China und Hongkong mit sofortiger Wirkung aus. Dies gab Steve Simon, Vorsitzender der WTA, am Mittwoch mit sehr deutlichen Worten bekannt. Die Volksrepublik habe die Forderungen des Verbandes nach umfassender und transparenter Aufklärung des Falls nicht erfüllt, begründete WTA-Chef Steve Simon die zuvor schon angedrohte Entscheidung. „Zwar wissen wir jetzt, wo Peng ist. Doch ich habe ernsthafte Zweifel, dass sie frei und sicher ist und keiner Zensur, Nötigung und Einschüchterung unterliegt.“

Die WTA vermutet, dass Peng unter Druck gesetzt wird und sich nicht mehr frei bewegen kann. Auch Sportler, Politiker und Menschenrechtler in aller Welt äußerten Sorgen um das Wohlergehen der Tennisspielerin. Peng hatte en ehemaligen Vize-Ministerpräsidenten Zhang Gaoli eines sexuellen Übergriffs beschuldigt und ist seither kaum öffentlich gesehen worden. Ihr Post auf der Kurzblog-Plattform Weibo* war binnen weniger als einer halben Stunde gelöscht worden.

Peng Shuai: IOC in Kontakt mit Peng Shuai - und in der Kritik

Zwar veröffentlichten Staatsmedien in den Folgetagen einzelne Fotos von Peking, auch gab es am 21. November ein Videotelefonat des Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) Thomas Bach mit der 35-Jährigen. Doch all das warf mehr Fragen auf, als es beantwortete. So kann bis heute niemand sagen, ob Peng bei dem Gespräch mit Bach allein war oder außerhalb des Bildschirms ein Aufpasser saß. Es hagelte daher Kritik, das IOC habe sich von China einspannen lassen. Das Komitee schwieg lange - bis es am Mittwoch erneut mit Peng Kontakt aufnahm.

Man sorge sich sehr wohl um Peng, teilte das IOC am Donnerstag mit und verteidigte seinen Ansatz: „Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ihr Wohlbefinden und ihre Sicherheit zu erreichen. Wir haben eine sehr menschliche und personenzentrierte Herangehensweise an ihre Situation gewählt.“ Da Peng eine dreimalige Olympiateilnehmerin sei, spreche das IOC seine Bedenken direkt mit chinesischen Sportorganisationen an. „Wir wenden die ‚stille Diplomatie‘ an, die angesichts der Umstände und der Erfahrung von Regierungen und anderen Organisationen der vielversprechendste Weg ist, um in solchen humanitären Angelegenheiten wirksam vorzugehen“, hieß es. Das IOC habe Peng umfassende Unterstützung angeboten und werde mit ihr in regelmäßigem Kontakt bleiben. Auch sei ein persönliches Treffen für den Januar vereinbart. Ob das die Kritiker verstummen lässt, ist fraglich. Denn das IOC äußert sich demonstrativ nie über Politik, erst recht nicht im Zusammenhang mit umstrittenen Ausrichter-Staaten.

WTA: Einziger Sportverband, der sich mit China anzulegen bereit ist

Die WTA ist jedenfalls die erste internationale Sportler-Organisation überhaupt, die China trotz erwartbarer finanzieller Ausfälle die Stirn bietet. Die US-amerikanische Basketballorganisation NBA knickte schon ein, nachdem der Manager der Houston Rockets 2019 auf Twitter die Demokratiebewegung in Hongkong unterstützt hatte: China stoppte alle NBA-Übertragungen. Sogleich bedauerte die NBA den Tweet des Houston-Managers und behauptete gar, sie sei „enttäuscht“ von dessen Kommentaren. Der chinesische Markt war wohl einfach zu wichtig.

Anders die WTA: „Ich kann von unseren Athletinnen nicht guten Gewissens verlangen, dort anzutreten, wenn Peng Shuai nicht frei sprechen darf und anscheinend unter Druck gesetzt wurde, ihren Vorwurf der sexuellen Übergriffe zurückzunehmen“, sagte Simon. Der WTA-Chef zeigte sich zudem besorgt um die Sicherheit von Spielerinnen und Betreuern, die nach China hätten reisen sollen, falls es 2022 dort Turniere geben würde. Er bewundere Pengs „Stärke und ihren Mut“, schrieb der WTA-Chef. Man werde alles tun, um die WTA-Spielerinnen zu schützen, und zwar „unabhängig von finanziellen Folgen“. China hatte zu Beginn der Affäre eine angebliche Mail Pengs an Simon veröffentlicht, in der sie darum bat, in Ruhe gelassen zu werden und betonte, nie Vorwürfe gegen Zhang erhoben zu haben. Die WTA hielt diese Mail nicht für echt.

WTA-Turnierabsagen: China reagiert mit erwartbarer Empörung

China reagierte erwartungsgemäß empört auf die Entscheidung der WTA. China sei strikt gegen Maßnahmen, mit denen Sport „politisiert“ würde, waren die dürren Worte eines Außenamtssprechers am Donnerstag in Peking. Die für nationalistischen Eifer bekannte Staatszeitung Global Times kommentierte: „Die einseitige Entscheidung der WTA im Namen des ‚Schutzes ihrer Spielerinnen‘, wurde basierend auf fiktiven Informationen getroffen.“ Dies werde nicht nur die betreffende Athletin selbst bedrängen und verletzen, sondern auch die fairen Wettkampfchancen der Tennisspielerinnen beeinträchtigen.

Der für seine heftigen Tweets bekannte Chefredakteur des Blattes Hu Xijin ging sogar noch weiter. „Die WTA zwingt Peng Shuai, den Angriff des Westens auf das chinesische System zu unterstützen. Sie beraubt Peng Shuai ihrer Meinungsfreiheit und fordert, dass ihre Beschreibung ihrer aktuellen Situation ihren Erwartungen entsprechen muss“, stellte Hu die Sache in einer erstaunlichen Weise auf ihren Kopf. Zudem versuchte er, die Ankündigung der WTA ins Lächerliche zu ziehen: WTA-Chef Steve Simon boykottiere mit großem Trara „einige Veranstaltungen, die aufgrund von COVID-19 nur eine geringe Chance haben, überhaupt abgehalten zu werden.” Das bringe der WTA keine zusätzlichen wirtschaftlichen Verluste und sorge nur für Aufmerksamkeit im Westen.

Peng Shuai: Wie geht der Fall nun weiter

Tatsächlich wären Tennisturniere aufgrund der voraussichtlich noch den größten Teil des Jahres 2022 geltenden Corona-Einreisebeschränkungen Chinas dort unwahrscheinlich gewesen. Die WTA ließ den Endpunkt der Suspendierung allerdings offen. Klar ist: Richtig schmerzhaft wird es erst, wenn die WTA auch dann noch Turniere absagt, wenn Chinas Grenzen wieder offen sind. In der letzten Saison vor Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2019 veranstaltete WTA neun Turniere in China mit Preisgeldern von mehr als 30 Millionen US-Dollar. Aber auch so bleibt die öffentliche Absage ein wirksames Symbol, das weltweit begrüßt wurde. „Buchstäblich, was wir alle tun sollten. Werte hochhalten und tun, was wir müssen, um sie zu verteidigen“, kommentierte etwa der Hongkonger Demokratie-Aktivist Nathan Law aus dem Exil in London. Auch Tennisstar Novak Djokovic begrüßte die Turnier-Absagen der WTA.

Der Fall Peng Shuai ist jedenfalls endgültig in der Weltpolitik angekommen. Chinas Versuche, die Sache durch Beschwichtigungsversuche wie die seltsame Mail oder Fotos mit Peng von einem Kinderturnier in Peking aus der Welt zu schaffen, sind gründlich gescheitert. Schon am Dienstag schaltete sich die Sprecherin des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell ein: „Die EU bekundet ihre Solidarität mit der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai, die verschwand, kurz nachdem sie Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe in chinesischen sozialen Medien veröffentlicht hatte. Ihr kürzliches Wiederauftauchen in der Öffentlichkeit lindert die Sorgen um ihre Sicherheit und Freiheit nicht.“ Die EU schließe sich den wachsenden internationalen Forderungen an, auch von Sportfachleuten, nach Zusicherungen, dass sie frei und nicht bedroht ist, teilte Borrells Büro mit.

Wenn man die Sache zu Ende denkt, ergibt sich ein unschön klingender Verdacht: Peng Shuai wird festgehalten vom Ausrichter der direkt bevorstehenden Olympischen Winterspiele.

Olympische Winterspiele in Peking: Debatte über diplomatischen Boykott nimmt Fahrt auf

Daher nimmt die Debatte um einen diplomatischen Boykott dieser Winterspiele* vom 4. bis 20. Februar 2022 in Peking Fahrt auf. Dies würde bedeuten, dass Staaten keine offiziellen Regierungsdelegationen zu Olympia schicken, die Athletinnen und Athleten aber teilnehmen dürfen. Im Zusammenhang mit dem Fall Peng Shuai hatten bereits US-Präsident Joe Biden* und der britische Premierminister Boris Johnson einen solchen Boykott ernsthaft ins Spiel gebracht.

Nun erwägt dies auch die designierte deutsche Außenministerin Annalena Baerbock*: „Wenn ich sehe, wie Chinas Führung mit der Tennisspielerin Peng Shuai umgeht oder mit der verhafteten Bürgerjournalistin Zhang Zhan, sollten wir natürlich auch die Olympischen Spiele genauer in den Blick nehmen“, sagte Baerbock in einem Interview*. „Da gibt es für Regierungen unterschiedliche Formen des Umgangs, die in den kommenden Wochen sicherlich diskutiert werden.“ Zhang Zhan sitzt wegen ihrer Artikel aus Wuhan zu den Anfängen der Corona-Pandemie in Haft. (ck/mit dpa, AFP und SID) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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