„Mein linker Nachbar sollte sich eine neue Frisur zulegen“, „Ich telefoniere hin und wieder, während ich auf der Toilette sitze“, „Wenn mir mein Arbeitgeber das doppelte Gehalt überweist, behalte ich es“, „Ich habe schon mal etwas Düsteres/Okkultes getan und auf Satan geschworen“ – wer eine dieser Aussagen schon mal mit Ja oder Nein beantwortet hat, weiß, worum es geht: um das beliebte Partyspiel Privacy, bei dem sich alles um das (anonyme) Beantworten pikanter Fragen dreht. Entwickelt wurde es von Reinhard Staupe aus Hellwege.
Privacy, von dem es mittlerweile bereits drei Versionen gibt, ist jedoch nicht das einzige Spiel von Staupe, denn der Hellweger hat sein Hobby zum Beruf und sich als Spieleautor selbstständig gemacht. Rund fünf Spiele entwickelt er jedes Jahr, das sind, seit der ersten Veröffentlichung 1995, etwa 100 Spiele, die sich der 44-Jährige auf seine Fahne schreiben kann. Aber wie kommt jemand zu einem so ungewöhnlichen Job? „Ich habe schon als Kind immer viel gespielt, sei es Halma, Mau Mau, Mühle oder Schach. Und irgendwann habe ich einfach angefangen eigene Ideen zu entwickeln und umzusetzen“, sagt Staupe, der 1968 in Kassel geboren und seit Herbst 2009 gemeinsam mit Frau, Kind und Hund in Hellwege zu Hause ist. Als er den Eindruck hatte, dass sein Spiel gut sei, habe er es an den großen Verlag Ravensburger geschickt – und eine Absage erhalten. Er ließ sich davon aber nicht entmutigen und brachte seine Ideen weiter zu Papier – oder vielmehr in Form von Karten und Spielbrettern auf den Tisch – und schickte sie weiter an diverse Verlage, von denen er meinte, dass sie zu seiner Idee passen. Das Berufsziel Spieleautor verfolgte er damals allerdings noch nicht, dafür war die Zahl der Absagen, die in seinem Briefkasten landeten, zu hoch. „Wenn ich heute zurückblicke, weiß ich, dass die Spielkonzepte einfach noch nicht gut genug waren“, gibt Staupe ehrlich zu. Weggeworfen hat er seine alten Ideen aber nicht, das beliebte Kinderspiel Mucksmäuschenstill konnte er deswegen nach 15 Jahren noch einmal hervorholen, Details ändern und am Ende doch noch veröffentlichen. Nach dem Abi 1988 und dem Zivildienst begann Staupe zunächst Mathe und Sport auf Grundschullehramt zu studieren. Parallel arbeitete er aber weiter an neuen Spielen – Kinderspielen in erster Linie. „Das lag wohl an dem pädagogischen Touch durch das Studium“, sagt der Hellweger mit einem Schmunzeln. Doch dieser Einfluss schien im gut getan zu haben, denn 1993 erhielt er die ersten positiven Rückmeldungen, ein Jahr später unterschrieb er seinen ersten Vertrag und ein weiteres Jahr später zierten gleich zwei Spiele von ihm die Regale der Geschäfte: Kunterbunt und Blütenhupfer-Farbentupfer. Endlich war Durchbruch da – sehr zum Leid des Studiums, denn das brach Staupe noch vor dem Referendariat ab, aber zum Glück für alle spielebegeisterten Menschen, denn Jahr für Jahr veröffentlichte der gebürtige Kasseler von da an mehrere Exemplare – überwiegend Kinderspiele. Diese seien schnell entwickelt. „Es kommt immer auf eine gute Idee an. Für das Spiel Der Plumpssack geht um habe ich nur 20 Minuten gebraucht.“ Leichter sei die Arbeit an diesen Spielen aber nicht, denn Kinder sind sehr anspruchsvoll: „Wenn ich mit Kindern neue Ideen teste, weiß ich sofort, ob das Spiel gut ist oder nicht, denn wenn die Steppkes sich langweilen, weiß ich, dass das Ganze nichts ist“, so Staupe. Und wie kommen ihm die Einfälle für die vielen verschiedenen Spiele? Bei der Frage lacht der 44-Jährige. „Das ist ganz unterschiedlich. Mal beim Spazierengehen mit dem Hund, mal unter der Dusche. In jüngster Zeit inspiriert mich bei der Arbeit vor allem mein zweijähriger Sohn.“ Was bei ihm nicht funktioniere, sei, wenn er sich mit dem Ziel, ein Spiel zu entwickeln, an den Schreibtisch setzt. Manche seiner Kollegen könnten das zwar, bei ihm sei es jedoch nicht möglich. „Leidenschaft ist total wichtig und ich muss mich dabei gehen lassen können. Das kann ich nicht auf Knopfdruck erzwingen.“ Überhaupt sei der Schreibtisch zweitrangig, denn der erste Entwurf werde im Kopf gemacht und dann erst käme der Prototyp aufs Papier. Bis eine Idee den Weg zum Verlag findet, braucht es aber noch ein paar Schritte mehr, verrät Staupe. Bei Kartenspielen zum Beispiel testet er zunächst mit Blankokarten, ob es überhaupt funktioniert. Dann sitzt der Hellweger mit Schere und Papier am Tisch und bastelt eine erste Version. „Wenn ich weiß, das Spiel ist vorzeigbar und kann funktionieren, nehme ich es mit zum Spieletreff und lass es testen.“ Probanden hat Staupe dabei genug, denn obwohl er sein Hobby zum Beruf gemacht hat, ist Spielen nach wie vor seine große Leidenschaft. „Ich finde es spannend zu sehen, was mit den Menschen passiert, wenn sie zusammen am Tisch sitzen und spielen.“ Kein Wunder also, dass der Mann vom Fach gleich mehrere Spieletreffs initiiert hat, sei es in Waffensen, Achim oder Hellwege. Außerdem leite er an der Sottrumer Grundschule am Eichkamp jeden Freitagnachmittag eine Kinderspielegruppe. „In Waffensen haben wir uns im Mehrgenerationenhaus getroffen und Werwölfe vom Düsterwald gespielt. Leider habe ich dafür keine Zeit mehr. Die Treffen in Achim und meinem Heimatort finden aber nach wie vor regelmäßig statt“, sagt Staupe und lädt gleichzeitig alle ein, die dienstagabends ab 18 Uhr Zeit und Lust haben, in netter Runde im Jugendraum des Heimat- und Kulturhauses in Hellwege zu spielen, dazuzukommen. Selbstverständlich stehen dabei nicht nur Staupes Spiele auf dem Tisch – und das ist dem Hellweger auch wichtig: Seine eigenen Spiele spielt er nämlich nicht so gerne – abgesehen von Privacy verrät er mit einem Augenzwinkern. Kommunikatives und Interaktives mit kurzer Anleitung komme bei ihm immer gut an. Deswegen seien auch viele seiner eigenen Spiele - wie Privacy – dort einzuordnen. Das Partypiel ist mittlerweile so beliebt, dass es davon drei Versionen gibt. „Nach den ersten beiden wurde ich immer wieder darauf angesprochen, dass ich mehr Sexfragen einbringen sollte. Deswegen gibt es die Version, scharf wir Chili. Die Fragen dafür wurden jedoch zu 95 Prozent eingereicht und sind nicht von mir.“ Auch eine Kinderversion habe er bereits entwickelt, erschienen ist diese bisher aber noch nicht. Obwohl die Konkurrenz im Spielesektor groß ist, genießt es Staupe neidlos, die Ideen anderer zu spielen. Zu seinen Favoriten gehören neben dem Klassiker Doppelkopf Kingdom Builder, das Spiel des Jahres 2012, und Dixit, Spiel des Jahres 2010. Wer mehr über Staupe und seine Spiele wissen möchte, findet weitere Informationen im Internet unter www.staupe.com. Wer sich für den Spieletreff interessiert und sich vorab erkundigen möchte, kann sich beim Spieleerfinder melden (Telefon 04264/8378078 und reinhard@staupe.com).