Untersuchung ist abgeschlossen / Infoabend findet Montag statt - Von Stephan Voigt

Erhöhte Krebsrate in Bothel

Landrat Hermann Luttmann (rechts), Joachim Kieschke und Dr. Frank Stümpel stellten die Untersuchung im Kreishaus vor Foto: Voigt
 ©Rotenburger Rundschau

„Als wir das Ergebnis bekommen haben, hat das Betroffenheit ausgelöst. Wer eine Krebserkrankung in der Familie miterlebt hat, der weiß, was da für Sorgen und Ängste dranhängen“, sagt Landrat Hermann Luttmann. Eine Untersuchung hat ergeben, dass in der Samtgemeinde Bothel vermehrt Krebserkrankungen vorkommen. Die Ursachenforschung beginnt nun.

Luttmann berichtete, Silke Döbel, eine Anwohnerin aus Söhlingen, sei im vergangenen Jahr in seiner Sprechstunde gewesen und habe dort die Vermutung geäußert, es gebe in Hemslingen und Söhlingen wegen der nahen und zahlreichen Erdgasförderstellen, vermehrt Krebsfälle. „Ich habe daraufhin sofort Kontakt zum Gesundheitsamt hergestellt. Daraufhin wurde der Arbeitskreis gegründet und in Abstimmung mit den Bürgerinitiativen wurde dann die Anfrage beim epidemiologischen Krebsregister gestellt“, so der Landrat. Weil Hemslingen und Söhlingen zu wenig Einwohner haben, um statistisch sicher Aussagen über Krankheitshäufungen zu treffen, wurden die Krebsfälle in der gesamten Samtgemeinde Bothel unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Bei Männern wurde eine erhöhte Rate von Leukämien und Lymphomen nachgewiesen. Dies sind Krebsarten des lymphatischen und blutbildenden Gewebes. Aufgrund von Daten einer Vergleichsregion, dem Bezirk Lüneburg, wurden 21,3 Krebsfälle dieser Art erwartet. Tatsächlich konnten 41 nachgewiesen werden. „Schon 21 Fälle sind relativ viel, die tatsächliche Zahl liegt aber doppelt so hoch“, konstatierte Joachim Kieschke vom epidemiologischen Krebsregister Niedersachsen (EKN) während der Vorstellung der Zahlen für die Presse im Rotenburger Kreishaus. In einer genauen Betrachtung der Altersgruppen wurde festgestellt, dass von dem Krebs vor allem Männer zwischen 60 und 74 Jahren, und, aber in deutlich weniger Fällen, Kinder bis 14 Jahren betroffen sind. Eine Signifikanz bei Frauen konnte nicht festgestellt werden. Dort wurden die erwarteten 16,8 Fälle sogar mit 15 leicht unterschritten. Andere gesicherte Signifikanzen konnten bei den weiteren der insgesamt 15 Untersuchungsgruppen, die zusammen etwa 98 Prozent aller Krebsfälle ausmachen, ebenfalls nicht festgestellt werden. Sowohl Gesundheitsamtsleiter Dr. Frank Stümpel, als auch Kieschke machten deutlich, dass die Untersuchung keinerlei Hinweis auf eine mögliche Ursache der Krebserkrankungen gibt. „Wir konnten nichtmal feststellen, dass innerhalb der Samtgemeinde an bestimmten Stellen Häufungen auftauchen“, so Kieschke. Und wie geht es nun weiter? Während Luttmann deutlich machte, dass nun auch mit umliegenden Regionen gesprochen werden muss, da die erhöhten Krebsraten sich eventuell nicht nur auf die Samtgemeinde Bothel beschränken und vielleicht sogar bis in den Heidekreis reichen, sagte Stümpel: „Die Ursachenforschung ist nicht einfach, weil viele Faktoren in Frage kommen und man nicht nur einen betrachten kann. Schlimmstenfalls kommen am Ende zwei oder drei in Betracht. Die Beantwortung der nun offenen Fragen wird Monate in Anspruch nehmen.“ Luttmann machte deutlich, dass die Arbeitsgruppe, in der auch Bürger sitzen, das weitere Vorgehen begleiten wird. Über genaue Maßnahmen – etwa die geforderten Luftmessungen in der Nähe von Erdgasbohrlöchern – konnte der Landrat noch nichts sagen, da Beratungen bislang nicht stattgefunden haben. Interessierte Bürger sind nun zu einer Informationsveranstaltung am morgigen Montag, 15. September, 18.30 Uhr, im Rotenburger Ratsgymnasium eingeladen. Dann wird die Untersuchung öffentlich vorgestellt und ein Ausblick auf das weitere Vorgehen gegeben. _______________________________________ Kommentar von Stephan Voigt: Welchen Grund haben die erhöhten Krebsraten in der Samtgemeinde Bothel? Wieso betreffen sie nur Männer? Weshalb sind vor allem Ältere als Erkrankte auszumachen? Ist das ein Phänomen, das sich ausschließlich auf Bothel beschränkt? Gibt es dort vielleicht doch regionale Unterschiede in der Krankheitshäufung? Die nun vorgestellten Studienergebnisse werfen mehr Fragen auf, als sie beantworten. Aber sie weisen auf eine Tatsache hin, über die zurecht von allen Seiten gesagt wird, dass sie Betroffenheit auslöst: In Bothel treten mehr Krebserkrankungen auf, als zu erwarten wäre. Reflexartig zu behaupten, dies hänge mit der Erdgasförderung zusammen, ist leicht – zu leicht. Nicht umsonst weisen die Fachleute daraufhin, dass die Studie keinerlei Auskunft über den Grund für die Erkrankungen gibt. Insofern sollte nun schnellstens die Ursachenforschung beginnen – ergebnisoffen, wie es immer so schön heißt. Dies schließt aber natürlich auch ein, dass die Erdgasförderung als mögliche Ursache in Betracht kommt und die Bohrstellen nun mehr in den Fokus von Untersuchungen rücken müssen. Darauf müssen sich die Energieunternehmen einstellen. Mehr noch: Sie sollten dies als Chance begreifen. Schließlich kann auch herauskommen, dass von der Gasförderung keinerlei Gefahr ausgeht an Krebs zu erkranken. So erschreckend die bisherigen Erkenntnisse sind, gilt es nun, Sachlichkeit zu bewahren. Die Bürgerinitiative um Silke Döbel, die bei der Vorstellung der Untersuchungsergebnisse für die Presse im Kreishaus zugegen war, hat eben diese Sachlichkeit wohltuend erkennen lassen: keine lauten Zwischenrufe, keine infantilen Protestaktionen und eine Presseerklärung, die die Fakten darstellt und Forderungen auflistet. Andere Anti-Fracking-Vereinigungen stellen sich deutlich schlechter dar.

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