Bachs berühmte h-moll-Messe in der Stadtkantorei

Schwierigstes aller Werke

Glanzvoller Höhepunkt und bedeutender Abschluss der großen kirchenmusikalischen Veranstaltungen im 250. Todesjahr von Johann Sebastian Bach wird die Aufführung der h-moll-Messe durch die Stadtkantorei Rotenburg und den Kammerchor am Sonntag, 1. Oktober, 17 Uhr, unter der Leitung von Kantor Karl-Heinz Voßmeier in der Stadtkirche sein. Damit man dieses wichtige und außergewöhnliche Werk besser verstehen kann, wird Voßmeier am Donnerstag, 28. September, ab 20 Uhr im Gemeindesaal der Stadtkirche eine Einführung in die Musik mit Hörbeispielen geben.

Carl Friedrich Zelter, der Letzte, dem Goethe im Alter das freundschaftliche "Du" anbot, war überzeugt, dass Bachs h-moll-Messe "das wahrscheinlich größte musikalische Kunstwerk ist, das die Welt je gesehen hat". Zelter wusste, wovon er sprach, denn der begnadete Leiter der Berliner Singakademie hatte vom Herbst 1811 bis zum Herbst 1812 das gesamte Werk mit seinen Sängerinnen und Sängern durchgenommen. Sie sangen es zwar als erste ganz, aber nicht in der Öffentlichkeit. Das geschah erst 1834 und 1835, als Zelters Nachfolger die "Hohe Messe", wie sie im Blick auf Beethovens "Missa solemnis" auch genannt wird, mit der Berliner Singakademie in zwei Teilen öffentlich aufführte. Gegen diese Aufführung des "schwierigsten aller bekannten Werke" gab es übrigens bei den Mitgliedern der Singakademie erhebliche Widersprüche und sogar Austritte, so dass "nur" 160 Mitwirkende zu singen bereit waren - bei der Wiederaufführung der "Matthäus-Passion" Bachs im Jahre 1829 durch Mendelssohn-Bartholdy waren es genau doppelt so viele. Heute gehört, trotz aller Schwierigkeiten, das Werk längst fest zum Bestand der Kirchenmusik. Bachs "mitkomponierte Auslegung" Die Faszination des Riesenwerks speist sich aus mehreren Wurzeln. Da sind die gewaltigen Chöre, teilweise als concerti grossi angelegt. Die Beziehung der Vokalmusik zu den Instrumenten ist teils auf Zusammenwirken ausgelegt, teils gehen beide getrennte Wege, wobei die Instrumente ausdrücken, wovon der Text der Singstimmen redet. So stellen beide, Singstimmen und Instrumente, Textinterpretation dar, und zwar so sehr, dass man von einer "mitkomponier-ten Auslegung" spricht. Dazu wird Karl-Heinz Voßmeier in seiner Einführung Hörbeispiele geben. Für Bach ist Musik, stärker noch als für viele Komponisten seiner Zeit, Klang gewordener Glaube, in Noten gesetzte Theologie. Das zeigen die Eintragungen des Komponisten zu Anfang oder am Schluss der einzelnen Teile der Messe: J.J. und SDG! - Jesu, juva (Jesus, hilf) und Soli Deo Gloria (Gott allein die Ehre). Diese unauflösbare Verbindung von künst-lerischem Schaffen und Theologie ist selbstverständlicher Ausdruck seiner Lebensgrund-lage und wirkt, weit davon entfernt, befremdlich zu sein, auf die Hörer der h-moll-Messe immer wieder bewegend. Wie sehr Bachs Denken auf theologische Fragen gerichtet war, ergibt sich auch aus seiner umfangreichen Bibliothek, in der viele wichtige theologische Fachbücher und Luthers gesammelte Werke standen - weit mehr als bei anderen Kirchenkomponisten der Zeit. "Gematrie", die vergessene Kunst der Zahlensymbolik Ausgehend von dem Vers "Du hast alles geordnet mit Maß, Zahl und Gewicht" aus dem elften Kapitel der Weisheit Salomos war es für die Menschen des ausgehenden Mittelalters und der beginnenden Neuzeit selbstverständlich, Kunstschöpfungen als Spiegelbild der göttlichen Schöpfung zu gestalten. Das bedeutete, dass eine symmetrische und dem Gehalt entsprechende bedeutsame Ordnung gewählt wurde. Diese Gesetzmäßigkeiten müssen heute wiederentdeckt wer-den. Betrachtet man in der h-moll-Messe die Anordnung der einzelnen Kompositionsteile des Credo, des Glaubensbekenntnisses, dann zeigen sich bedeutungsvolle Symmetrien: Der aus drei Chören bestehende Mittelteil wird umrahmt von je einem Solosatz, zwei weitere Chorsätze eröffnen beziehungsweise schließen das Credo. Die drei Chöre des Mittelteils betreffen das Zentrum lutherischen Glaubens: Weihnachten, Karfreitag und Ostern. Dabei steht das Karfreitagsgeschehen, die Kreuzigung, genau im Zentrum des neunsätzigen Credos. Genauso ist es übrigens im neunsätzigen Gloria. Aus der Vielzahl heute wieder erschlossener symbolischer Bezüge sei auch erwähnt, dass im dreisätzigen Eröffnungsteil der Messe, dem Kyrie, die Anrufung Christi zweistimmig im Duett Sopran/Alt erfolgt. Ebenso findet sich im Credo das Duett "Et in unum Dominum": (ich glaube) an einen Herrn Jesum Christum. In der damals geläufigen "Gematrie", einer Art mystischem Zahlenalphabet und Zahlenzuordnung, war die Zwei Christus zugewiesen (die Drei der Trinität). Folgerichtig sind Christus Duette zu-geordnet. Diese "Gematrie" findet sich übrigens auch allenthalben in Dantes "Göttlicher Komödie". Göttliche Trinität und Mensch Während die Drei auf die Trinität verweist, war die Vier die Symbolzahl der Erde, man denke an die vier Jahreszeiten oder die vier Himmelsrichtungen. Theologisch gehören hierzu auch die vier Enden des Kreuzes, an dem Jesu irdische, menschliche Existenz endete. Fügt man aber zur Vier die Drei hinzu, dann hat man die Sieben. Sie war die Symbolzahl für die Verbindung des Göttlichen mit dem Irdischen, also der Frohen Botschaft, dass Christus Mensch geworden ist, um die Menschen zu erlösen. In jedem Teil der h-moll-Messe verwendet Bach sieben Chöre. Ist man solcherart aufmerksam geworden auf Zusammenhänge, die heute nicht mehr geläufig sind, dann fällt auch auf, dass Bach häufig fünfstimmige Chöre wählt, etwa gleich im ersten Kyrie oder im "Gloria in excelsis" (Ehre sei Gott in der Höhe). Die Fünf symbolisierte in der Gematrie den Menschen (mit seinen fünf Sinnen); in diesen Chören sind es die Menschen, die Gott anrufen und loben. Ein Riesenwerk wie die h-moll-Messe kann man hörend genießen. Es ist, wie Ton Koopman, der Leiter des Amsterdamer Barockorchesters, sagte, "wichtige Musik, die das Herz trifft und unglaublich farbig ist". Es wird sich öffnen und weiter erschließen, wenn es gelingt, die "mitkomponierte Auslegung" zu erfassen. Wie Bach das musikalisch gelöst hat, wird Karl-Heinz Voßmeier in seiner Einführung in das Werk zeigen und an Hörbeispielen erläutern.

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