Stock-Car-Fahrer Toni Reichenbach möchte Rennen in der Nähe von Sittensen ausrichten - Von Nicolas Fricke

Sich ohne viele Verbote austoben

Gelungene Aktion: Ziel beim Stock-Car-Rennen ist es, den Gegner so anzustoßen, dass er sich überschlägt.
 ©Rotenburger Rundschau

Wenn Toni Reichenbach einen Ausgleich zum Alltag braucht und sich so richtig austoben will, setzt er sich in sein Auto und versucht, andere Fahrzeuge aufs Dach zu drehen, indem er sie rammt. Der 33-Jährige ist aber kein Verkehrsrowdy, der seinen Führerschein mit rüpelhaftem Verhalten aufs Spiel setzt, sondern hat sich dem Stock-Car-Rennen verschrieben. Das ist eine Variante des Motorsports, die durch Stefans Raabs Stock Car Crash Challenge im Fernsehen einem breiten Publikum bekannt geworden ist.

Ziel dabei ist es, durch gezieltes Anfahren die Konkurrenten zu 180-Grad-Drehungen oder besser noch zu einem Überschlag zu zwingen. Für derartige gelungenen Aktionen und das Absolvieren von Runden gibt es während der 20-minütigen Rennen Punkte. Gefahren wird auf Wiesen und Äckern, die meist mit Oval-Kursen versehen werden. Teilweise werden auch Schikanen eingebaut. Um die Sicherheit zu gewährleisten, werden Gräben gezogen, um die Fahrzeuge aufzuhalten, sollten sie komplett außer Kontrolle geraten. Reichenbach fährt seit seinem Einstieg in die Szene 2009 regelmäßig Rennen und wurde in den vergangenen zwei Jahren jeweils Fünfter in der Nordwestdeutschen Meisterschaft der Interessengemeinschaft-Nord-West Stock Car (IGNW). „Auch wenn es Motorsport ist, ist es noch ein erschwingliches Hobby“, sagt der Sittenser. Voraussetzung ist allerdings etwas handwerkliches Geschick, um die Autos umzubauen und in Schuss zu halten. Mit 500 bis 1.000 Euro ist es möglich, aus einem Fahrzeug, dass auf der Straße nicht mehr zugelassen würde, ein Stock Car zu machen. Das wird komplett entkernt und von sämtlichen Glasteilen und Verkleidungen befreit. Eingebaut werden ein Vollschalensitz mit Hosenträgergurten für den Fahrer, ein Überrollkäfig, ein Motorkäfig und Stahlmaschengitter an Windschutzscheibe und Fahrerseite. Der Tank wird durch einen Bootstank im Innenraum ersetzt und auch Kühler und Motorelektronik werden im geschützten Innenraum platziert. Türen und Heckklappe werden zugeschweißt, lediglich die Motorhaube lässt sich mit Schnellverschlüssen noch öffnen. Der Fahrer steigt durch die Fensteröffnung der Beifahrerseite ein und aus. In den vergangenen Jahren sind allerdings auch das Motortuning und die Abstimmung von Getriebe, Radgröße und Bereifung immer wichtiger geworden, ergänzt Reichenbach. „Die Geschwindigkeiten haben sich einfach erhöht, da muss man mithalten können, um schnell aus der Gefahrenzone kommen zu können.“ Sein ursprünglicher 70-PS-Motor hat eine Leistungssteigerung auf rund 120 PS erfahren. Dabei werde gebastelt und getüftelt, um die Motoren kostengünstig hochzuzüchten. Um auf den Äckern möglichst idealen Grip zu haben, schneiden die Fahrer sich ihre Profile selbst in gebrauchte Reifen. Außerdem sollten sensible Stellen mit Rahmenkonstruktionen oder durch das Aufschweißen von Blechen verstärkt werden, damit sie die Zusammenstöße besser wegstecken. „Ich habe vergangenes Jahr ein neues Auto in 28 Tagen fertig gemacht“, sagt Reichenbach. Das sei wie Akkordarbeit neben der Arbeit gewesen. „Schließlich habe ich den Wagen mit 300 Blechen von zehn mal zehn Zentimetern Größe gepflastert, um ihn stabil zu machen.“ Wichtig sei es auch, die Radläufe festzumachen. „Freistehende Räder sind leichte Angriffspunkte. Wenn man dort gerammt wird, ist das Rennen schnell beendet“, erklärt der Sittenser. Genügend Ersatzteile, um auch solche Schäden zu beheben und den Renntag fortsetzen zu können, führt das Team mit. „Die Ersatzteilbeschaffung kann kostenneutral gestaltet werden, wenn man bereit ist, Schrottautos zu suchen, auszuschlachten und die Reste zum Schrottplatz zu bringen“, verrät der Sittenser. Trotz der Beanspruchung der Fahrzeuge durch die Crashs können sie durchaus drei oder vier Jahre gefahren werden, bevor nichts mehr geht. Aktiv ist Reichenbach seit 2013 beim Stock-Car-Team Outsiders. Das Team mit neun Fahrern besteht aus rund 20 Leuten. „Wir machen alle freiwillig und ohne feste Verpflichtungen oder Bindungen mit. Wir haben einfach Spaß am Hobby“, erzählt Reichenbach. In Planung ist, dass die Outsider den Saisonauftakt zur Nordwestdeutschen Meisterschaft am 12. und 13. April in der Nähe von Sittensen ausrichten. Die Verhandlungen mit den zuständigen Behörden laufen bereits. Fest stehen drei weiteren Termine der Meisterschaft. Gestartet wird in vier Klassen (bis 1.500, bis 2.000 und bis 3.000 Kubikzentimeter sowie Junioren). Wer genaueres über die Bestimmungen, Termine und Anmeldemodalitäten wissen möchte, findet im Internet unter www.ignw-stockcar.de weitere Informationen. Spaß macht Reichenbach auch die ungezwungene Atmosphäre unter den Aktiven der Szene. „Zusammenhalt wird groß geschrieben und es wird eine Art Großfamilienverhalten gelebt – wir feiern und grillen zusammen und sie Familien sind eigentlich immer dabei.“ So macht er sich auch immer mit Frau Jenny und den Kindern Franziska und Kevin (fünf und neu Jahre alt) zu Rennen auf. „Jenny fährt das Gespann mit unserem Wohnwagen, ich das mit dem Rennwagen und den Ersatzteilen. Unsere Kinder haben bei den Rennen Freunde gefunden und schreiben sich sogar mit ihnen.“ Auch wenn Reichenbach den Sport für sicherer hält als etwa das Fußballspielen, gab es doch schon im wahrsten Sinne des Wortes brenzlige Situationen: Bei einem Rennen 2012 hatte seine Spritleitung ein Leck. Das Benzin tropfte auf den heißen Krümmer und entzündete sich. Etwa eine dreiviertel Runde absolvierte er mit einem brennenden Auto, bevor er merkte, dass die Signale der Streckenposten ihm galten. „Als Stichflammen an den Pedalen ins Fahrzeuginnere schlugen, wusste ich, das etwas nicht in Ordnung war. Dank der feuerfesten Rennbekleidung und weil keine brennbaren Materialen mehr im Auto waren, ist nichts passiert.“ Der Liebe zu seinem Hobby hat das keinen Abbruch getan: „Es ist eben ein schöner Ausgleich zum Alltag. Es gibt auf der Rennstrecke fast keine Verbote“, findet er. Wer sich für den Sport interessiert und mal reinschnuppern möchte, kann mit Reichenbach per E-Mail an tonireichenbach@yhoo.de Kontakt aufnehmen.

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