Fischerhuder Kirchenvorstand hat entschieden: Umstrittenes Schindler-Bild bleibt hängen

Von Antisemitismus keine Spur?

(stj). Soll das im Eingangsbereich der Fischerhuder Kirche aufgehängte und der Gemeinde vor zehn Jahren gestiftete Bild "Verspottung Christi" abgenommen werden? Diese Frage beschäftigte den Kirchenvorstand, seitdem im vergangenen Jahr Besucher das Gemälde des Dresdener Akademiemalers Osmar Schindler (1867-1927) als antisemitisch bezeichnet und die Entfernung verlangt hatten. "Das Bild bleibt hängen!", hat der Kirchenvorstand jetzt beschlossen.

"Dass die lutherische Kirche nicht über ihren Schatten springen kann und das Bild abhängt, war mir klar", sagt der in den Niederlanden lebende Johanan Zarai. Wenn er das sagt, sind Enttäuschung, Verbitterung, Resignation, aber auch Wut unüberhörbar. Der 77-jährige Komponist hat einen Teil seiner Familie durch den Holocaust verloren und war selbst in einem Lager interniert. Als er, der sich als "bekennenden Atheisten" bezeichnet, mit seinem Schwager Rainer Bähr-Lequis (Mulmshorn) im Sommer vergangenen Jahres nach einem Spaziergang die Fischerhuder Kirche besuchte, fühlte er sich an die schwärzesten Stunden seines Lebens erinnert: Die auf dem Gemälde dargestellten Juden wirkten auf ihn wie jene Karikaturen, die in der von 1923 bis 1945 erschienenen antisemitischen Wochenzeitung "Der Stürmer" publiziert wurden. Um eine begründete Entscheidung treffen zu können, was mit dem Bild geschehen soll, hatten sich die Fischerhuder Kirchenleute vier Referenten ins Haus geholt, die sich zwischen Februar und März mit den Themen Antijudaismus und Antisemitismus in der Kunst- und Kirchengeschichte auseinandersetzten. Erster in der öffentlichen Vortragsreihe war Arie Hartog, Kunsthistoriker und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Gerhard-Marcks-Hauses Bremen. Hartog kommt zu dem Schluss, dass Schindlers zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstandenes Bild zwar antisemitische Züge aufweise und deswegen moralisch-inhaltlich bedenklich sei. Dennoch hält er es für ein kulturhistorisch bemerkenswertes, wenn nicht sogar wichtiges Werk, das der Aufklärung dienen könnte. "Von Antisemitismus keine Spur!", lautete indes das Fazit des Dresdener Theologen Gernot Werner, ein Nachfahre Schindlers. Werner, teilt der Fischerhuder Kirchenvorstand mit, habe sich intensiv mit dessen Biografie beschäftigt und sei überzeugt, dass Schindler ein moralisch integrer Mensch war - ein Menschenfreund, dem "Judenhass sicher fremd gewesen" sei. Nicht einmal in seinen Tagebüchern fänden sich Hinweise, die in diese Richtung gingen. Gerhard Chrzanowski, Superintendent i.R. aus Rotenburg, sagte, es sei unerlässlich, den jeweiligen historischen Kontext bei einer Beurteilung des Verhältnisses zwischen Juden und Christen zu berücksichtigen. Die Wurzeln des Antisemitismus sind seiner Meinung nach sicher nicht im Neuen Testament, nicht in der Urgemeinde zu sehen. Chrzanowskis Empfehlung: Das Bild soll hängen bleiben. Dr. Horst Hirschler, Landesbischof i.R., bekannte die große Schuld, die Christen während der Zeit des Nationalsozialismus auf sich geladen hätten. Der Feststellung, Hitler habe sich bei seiner Machtausübung auf antisemitische Kräfte innerhalb der Kirchen stützen können, entgegnete Hirschler, das Verhältnis Martin Luthers zu den Juden dürfe nicht nur aus dessen Spätwerk "Die Lügen der Juden" abgeleitet werden. Eine Schrift übrigens, die den früheren Landesbischof entsetzt habe, seit er sie zum ersten Mal in seinen Händen hielt und die er entschieden verurteile. Hirschler habe wie Chrzanowski betont, dass es notwendig sei, das historische Umfeld einzubeziehen, um zu einer angemessenen Beurteilung des Menschen und Reformators Luther zu gelangen. Luther als einen der Vorbereiter des Nationalsozialismus anzusehen, sei undenkbar, sagte er und empfahl ebenfalls, die "Verspottung Christi" hängen zu lassen. Aufgreifen will der Fischerhuder Kirchenvorstand den von den Referenten geäußerten Vorschlag, dem Bild in der Kirche einen kurzen Text als Information und Hilfestellung beizugeben. Dabei sei zu bedenken, so betonten die Vortragenden, dass Bilder mehrdeutig seien und dass auch Osmar Schindlers "Verspottung Christi" keine eindeutige, einseitig festgelegte Entschlüsselung zulasse.

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