Schriftsteller, Bauer, Übersetzer, Politiker, Journalist, Infanterist, Postagent, Schreiber, sogar Handlungsgehilfe in den USA: Friedrich Freudenthal lebte ein bewegtes Leben. Der Autodidakt sei "ein echtes Allroundtalent“ gewesen, sagt Hans-Joachim Schmidt. Der Aktive des Heimatvereins Fintel und zweite Vorsitzende der Freudenthal-Gesellschaft gehört zu den Initiatoren einer Ausstellung zu Ehren des Heidedichters, der vor genau 80 Jahren, am 9. März 1929, in Fintel seine letzte Ruhe fand.
Die Ausstellung im Finteler Heimathaus wird am morgigen Montag, 9. März, 18 Uhr, im Anschluss an eine Kranzniederlegung am Denkmal in der Freudenthalstraße feierlich eröffnet. Umrahmt von Musikdarbietungen (Sandra Schmidt an der Harfe und Esther Schröder an der Flöte) wird Bürgermeister Claus Riebesehl eine Ansprache halten und Pastor Dr. Heinrich Kröger, Vorsitzender der in Soltau ansässigen Freudenthal-Gesellschaft, fachkundig ins Werk sowie das Leben des Heimatschriftstellers einführen. Der Zeitpunkt für die Ausstellung ist nicht nur wegen des 80. Todestages von Friedrich Freudenthal gut gewählt: Auch der Geburtstag des Literaten, der am 9. Mai 1849 in Fallingbostel das Licht der Welt erblickte, jährt sich 2009 zum 160. Mal. Das doppelte Nullen ist Anlass einer ganzen Reihe von Gedenkveranstaltungen auch in Fintel. So wird - am Freitag, 9. Mai, vor dem Heimathaus ein Gedenkstein enthüllt - im Juli die Jury des Freudenthal-Preises für neue niederdeutsche Literatur in Fintel eine Pressekonferenz abhalten - am Sonntag, 9. August, eine in Soltau startende Literaturfahrt durchs nördliche Niedersachsen in Fintel Station machen - am Samstag, 26. September, die Jahreshauptversammlung der Freudenthal-Gesellschaft in Fintel stattfinden - am gleichen Samstag, 26. September, der Freudenthal-Preis ebenfalls in Fintel verliehen. Die Schau im ersten Stock des Heimathauses bietet Interessierten als eine Art Auftakt ins Freudenthal-Jahr vor allem die Möglichkeit, den Menschen hinter dem Dichter zu entdecken. Zahlreiche Exponate aus dem Nachlass verleihen der Ausstellung Intimität und lassen eine Künstlerpersönlichkeit mit vielen Facetten aufscheinen. Daneben wird auch die Zeit Freudenthals lebendig, jene spannende Umbruchphase zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert. Zu den beeindruckendsten Ausstellungsstücken zählt dabei ohne Zweifel eine imposante Fahne aus Seidenstoff. Sie ziert auf der Vorderseite das Konterfei von Prinz Ernst August (1771-1851), Herzog von Cumberland und Teviotdale, auf der Rückseite das stolze Niedersachsenross. "In der Ausstellung wird sie als Raumteiler eingesetzt“, erklärt Schmidt. Die Fahne erzählt, wie viele andere Stücke der Schau, eine lange Geschichte. Sie handelt von der Welfentreue Freudenthals, die bis zu dessen Tod andauerte. Der Heimatpoet und sensible Naturbeobachter war nämlich nie weltfremder Künstler, sondern blieb stets ein volksnaher Macher und politischer Kopf. "Er gehörte zu den Mitbegründern des 1911 aus der Taufe gehobenen Deutsch-Hannoverschen Vereins“, so Schmidt. Dieser beschloss bereits im dritten Jahr seiner Existenz, sich eine eigene Vereinsfahne zuzulegen. Eine populäre Idee zu jener Zeit: Originalaufnahmen der Fahnenweihe zeigen ein ganzes Dorf auf den Beinen. Dem Verein war freilich kein sehr langes Leben beschieden: Er wurde in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts von den Nazis verboten. Eine Neugründung unter dem unverdächtigen Namen "Heimatverein Fintel und Umland“ erwies sich als unbeständig und wurde bereits 1946 wieder aufgelöst. Der heute existierende Heimatverein Fintel kann kaum noch als Nachfolger gelten – er wurde erst 1989 ins Leben gerufen. Eine Verbindung zum einstigen Welfenclub und damit auch zu Freudenthal gibt es allerdings doch: die Fahne. Sie ist – nachdem sie sich lange in einem erbärmlichen Zustand befand – inzwischen aufwendig restauriert und wieder offizielle Vereinsfahne. Hat der Ausstellungsbesucher die wuchtige, im Gelbton gehaltene Fahne (Aufschrift: "Die Treue zum Fürstenhaus stirbt in Hannover niemals aus“) hinter sich gelassen, präsentiert eine Vitrine alle Erstausgaben von Freudenthalwerken im Original: insgesamt 23 Bücher, angefangen vom erfolgreichen Erstlingswerk "Bi’n Für“ (1879). Die lange Liste der Titel legt Zeugnis ab von der großen Schaffenskraft des Dichters, die umso bemerkenswerter ist, bedenkt man, dass Freudenthal neben der Schriftstellerei viele andere Aufgaben wahrnahm. So gehörte der rührige Lokalpatriot zu den Gründungsmitgliedern sowohl der Freiwilligen Feuerwehr Fintels als auch des Heimatvereins Scheeßel. Beruflich war er ebenfalls stark eingebunden, wovon insbesondere zwei Exponate beredt Zeugnis ablegen: ein Stehschreibpult und eine Uniform. Das Schreibpult nutzte Freudenthal während seiner frühen Tätigkeit als Schreiber eines Gerichtsvogts in Lamstedt. Das erstaunlich gut erhaltene Kleidungsstück hingegen trug er als Infanterist des fünften Hannoveranischen Regiments. Dort diente er freiwillig im Krieg gegen Preußen und nahm 1866 als gerade 17-Jähriger an der Schlacht bei Langensalza teil. Vier Jahre später beteiligte sich Freudenthal, inzwischen Obergefreiter, auch am deutsch-französischen Krieg (1870–1871). "Ein Militarist war er aber nie“, sagt Schmidt. Tatsächlich setzte sich Freudenthal noch zu Lebzeiten in zwei Werken ("Von Lüneburg bis Langensalza“ und "Von Stade bis Gravelotte“) dezidiert kritisch mit dem Kriegshandwerk auseinander. Die Grenze zwischen Heimatliebe und völkischem Nationalismus überschritt er nicht – wenngleich die Nationalsozialisten während ihrer Herrschaft versuchten, Freudenthal für sich zu reklamieren. Tatsächlich liefern Werk und Leben des Dichters reichlich Indizien für eine zugleich heimatverbundene wie weltoffene Einstellung. So beschäftigte er sich mit verschiedensten Fremdsprachen – insgesamt mit deutlich mehr als zehn Idiomen war er vertraut, rechnet Schmidt zusammen. In der Ausstellung wird ein Wörterbuch für die Sprachen der Sinti und Roma gezeigt, in das Freudenthal mit Bleistift Begriffe hinzugefügt hat, um das Nachschlagewerk zu komplettieren. Schon früh übersetzte er zudem Gedichte des schottischen Barden Robert Burns (1759 – 1796) aus dem Englischen ins Plattdeutsche. Im März 1875 trat Freudenthal die längste Reise seines Lebens an. Schmidt fährt mit seinem Finger über die Kopie einer langen Passagierliste, deren Original sich heute im Auswanderermuseum in Bremerhaven befindet. Er stoppt bei Nummer 86: Friedrich Freudenthal. An Bord des Reichspostdampfers Oder wagte der Mann aus der Heide den Sprung in die Neue Welt, nach New York. Doch statt der Beginn eines neuen Lebens wurde es nur ein kurzer Ausflug – schon im August kehrte der verhinderte Auswanderer wieder heim. Dennoch: Die USA-Erfahrung ist mehr als eine Fußnote im Lebenslauf des Dichters. "Der kurze Aufenthalt in den USA führt bei Freudenthal fraglos zu einer verstärkten Hinwendung zur Kultur seiner Heimat“, schreibt etwa Jörg Schilling in seiner 1986 publizierten Dissertation zu Leben und Werk Friedrich Freudenthals. Es war eine Art künstlerische Initialzündung. 1879 brachte er, dem Vorbild seines bereits literarisch tätigen Bruders August (1851 – 1898) folgend, sein erstes Buch heraus und erzielte sogleich einen großen Erfolg damit: Der Schriftsteller Friedrich Freudenthal war geboren. Er arbeitete Anfang der 80er Jahre als Verwalter der Finteler Postagentur, bevor er für einige Zeit Bürgermeister Soltaus wurde. Nach weiteren Jahren, in denen er sich als Journalist bei Lokalzeitungen betätigte, zog er 1891 endgültig nach Fintel, wo er das landwirtschaftliche Erbe seines Vaters antrat. Inzwischen war er mit Anna Catharina Magdalena Gathmann verheiratet, aus der Verbindung gingen drei Kinder hervor. 1892 bis 1896 war er Gemeindevorsteher des Dorfes, das in seiner Volksdichtung eine bedeutende Rolle spielt.