Stadt erwartet 500 Teilnehmer bei heutiger Demo - VON DENNIS BARTZ

„Dann ist der Spaß vorbei“

Auch die Polizei begleitet die Demonstrationen am Montagabend in Rotenburg schon seit langer Zeit u2013 hier ein Bild von Ende April. Heute werden beim "Großen Spaziergang" mehrere hundert Teilnehmer erwartet. Foto: Menker
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Rotenburg – Einen „Großen Spaziergang für Friede, Freiheit und Selbstbestimmung“ nennen es die Initiatoren auf ihrem bunten Plakat und wollen damit bis zu 500 Teilnehmer aus dem Dreieck Bremen, Hamburg und Hannover dazu mobilisieren, heutigen am Samstag nach Rotenburg zu kommen, um dort gegen die Corona-Politik zu demonstrieren.

Etwa eine Stunde vor dem Start der Demo um 15 Uhr treffen sich die Teilnehmer auf dem Pferdemarkt – von dort aus marschieren sie durch die Fußgängerzone und weiter entlang des Mittelwegs und Hirtenwegs bis zum Wümme-Park, ehe sie über die Brockeler Straße und Dresdener Straße den Weg zurück zum Pferdemarkt antreten.

Entlang der Strecke werden die Demonstranten nicht nur von der Rotenburger Polizei begleitet, die mit „mehr Kräften als sonst“ für Ordnung sorgen will, wie es Sprecher Heiner van der Werp betont – zusätzlich hat erneut das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ eine Gegendemo angemeldet. „Wir hoffen darauf, dass wir mehr als 20 Teilnehmer zusammenbekommen und viele Menschen sich sagen: ,Bisher hat uns nicht interessiert, was Ihr da treibt – aber, wenn Ihr mit mehr als 300 Teilnehmern nach Rotenburg kommt, dann ist der Spaß vorbei‘“, so Sprecher Stefan Klingbeil.

Bürgermeister Torsten Oestmann erwartet genauso wie die Polizei, dass ein großer Teil der Demonstranten von außerhalb kommen wird. „Die Bürger hier haben den Montagsspaziergängen bisher eher die kalte Schulter gezeigt. Ich glaube nicht, dass der ,Große Spaziergang‘ bei den Rotenburgern Anklang finden wird.“

Oestmann betont, er selbst sei ein wissenschaftsfokussierter Mensch, für den eine fundierte Faktenlage wichtig sei, um Entscheidungen zu treffen. „Und ich glaube daran, dass auch die meisten Rotenburger der Wissenschaft weiterhin ihr Vertrauen schenken.“ Es gehe darum, durch eine Impfung die Menschen zu schützen, die dazu aus gesundheitlichen Gründen selbst nicht in der Lage seien. Eine Impfpflicht sei dabei das letzte Mittel.

Er mache sich keine Sorgen darum, dass die Demonstration am heutigen Nachmittag aus dem Ruder laufen könnte. „Ich erwarte einen friedlichen Ausgang und sehe kein großes Konflikt- und Gewaltpotenzial.“ Staatsschutz und Polizei würden die Demo außerdem bereits im Vorfeld genau im Blick haben.

Die Teilnehmer der Montagsspaziergänge, die sich aus der ehemaligen Corona-Sprechstunde entwickelt haben, seien keine einheitliche Gruppe. „Stattdessen gibt es unter anderem Strömungen aus Richtung der Pegida. Einzelne Banner wiesen in der Vergangenheit außerdem auf ein rechtes Spektrum und Reichsbürger hin – also Menschen, die den Staat im Ganzen ablehnen. Die Einschränkungen zum Schutz vor der Corona-Pandemie bilden für diese Menschen einen Nährboden. Dort müssen wir sehr wachsam sein. Die Personen sind uns als Kommune und auch der Polizei bekannt.“

Eine Radikalisierung mit Ausschreitungen wie beispielsweise in Rotterdam und Den Haag am vergangenen Wochenende müsse langfristig verhindert werden. „Diese Gefahr sehe ich in Rotenburg aber aktuell nicht. Wir lassen die beiden Demo-Züge sogar parallel laufen – das wäre in anderen Städten undenkbar. Das rechte Netzwerk hat hier in Rotenburg zum Glück keine starke Basis – dennoch beobachten wir das auch in Zukunft ganz genau.“

Der Großteil der Demonstranten, die an „Spaziergängen“ wie diesen teilnehmen, sehe seine Freiheitsrechte gefährdet oder fürchte, dass ihnen etwas gespritzt werden könnte, was ihre Gesundheit gefährdet, glaubt Oestmann und betont: „Diese unbegründete Angst müssen wir ihnen nehmen. Dafür ist es auch wichtig, dass die Menschen Vertrauen in die Medien haben.“

Die Gesellschaft müsse erdulden, dass Protestläufe wie der heutige auch in Zukunft stattfinden werden. „Die Demonstrationsfreiheit ist ein sehr starkes Recht – wir können darauf nur mit demokratischen Mitteln reagieren“, so Oestmann.

Auch Polizeisprecher Heiner van der Werp rechnet nicht damit, dass es am heutigen Samstag zu größeren Komplikationen entlang der Strecke kommen wird. Dafür spreche auch die vergangene Demonstration in Bremervörde im Oktober, die friedlich verlaufen sei. Die Polizei sei dennoch auf alles vorbereitet und werde versuchen, die beiden Demonstrations-Gruppen getrennt zu halten.

Van der Werp sagte, er sehe dem Einsatz entspannt entgegen und erwarte für die Polizei einen ruhigen Dienst: „Auch wenn wir gehört haben, dass die Teilnehmer zum Teil Gewaltvideos untereinander verschickt haben. In Rotenburg herrscht eine ruhige Lage – daran ändert auch der Angriff der Maskengegnerin auf den Kioskbesitzer vor einigen Wochen nichts.“ Die Tat stehe in keinem Zusammenhang mit den Montagsspaziergängen, und bei diesen habe es bislang keine größeren Probleme gegeben – „auch wenn wir mit einzelnen Teilnehmern auch schon Zoff hatten“.

Die Einsatzkräfte der Polizei seien darin geschult, bei einer Demonstration dieser Art mit Fingerspitzengefühl zu agieren. „Für uns ist es am wichtigsten, dass die Situation nicht eskaliert. Dennoch haben wir einen genauen Blick darauf, was passiert, und behalten uns vor, zu reagieren, wenn Corona-Regeln nicht eingehalten werden. Eine Demo ist für uns auch immer eine Art von Überraschungstüte“, so Heiner van der Werp.

Stefan Klingbeil, Sprecher des Bündnisses „Aufstehen gegen Rassismus“ und Kreisvorsitzender der Partei Die Linke, kritisiert, dass die Demonstranten nun vermehrt das Wohl der Kinder in den Fokus rückten, nachdem andere Argumente „weggebrochen“ seien. „Die Corona-Querulanten haben über den Verlauf der Pandemie und Sterblichkeitsrate durch das Virus bereits viel Blödsinn erzählt, der widerlegt ist. Nun schüren sie die Angst um die Gesundheit von Kindern wegen des vermeintlichen Impfrisikos. Das ist also ihr letzter Strohhalm. Auch wenn Kinder mit großer Wahrscheinlichkeit nicht im Krankenhaus landen, müssen wir sie trotzdem schützen.“

Viele Teilnehmer der Demo sind laut Bündnis-Sprecher Klingbeil entweder überzeugt, beschwichtigen oder scheinen die politisch rechte Verortung der sogenannten „Freiheitsboten“ und Kritiker von Corona-Maßnahmen nicht erkennen zu wollen. „Parolen wie ,Für Frieden und Freiheit‘ gepaart mit Slogans wie ,Das System muss weg‘ und ,Corona-Diktatur‘ bekommen dann doch einen anderen Geschmack“, findet Klingbeil.

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