Jugendbrücke soll zurückgezogenen Menschen den Anschluss erleichtern

Das Leben mit anderen

Bei ihnen laufen die Fäden der Rotenburger Jugendwerkstatt zusammen: Projektleiterin Dorothee Gräf (l.) und Sozialpädagogin Ulrike Peters. Foto: Schultz
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VON ANDREAS SCHULTZ

Rotenburg – Was tun, wenn die Tochter sich komplett abschottet? Wenn ein Schüler nicht mehr mit sich reden lässt und tagsüber unterwegs ist, statt sich in der Schule blicken zu lassen? Wenn man selbst als junger Erwachsener die Abzweigung in Richtung Ausbildung verpasst hat und nicht mehr weiter weiß? Diese drei Perspektiven sind mögliche Fälle für die Jugendbrücke des Vereins „Lebensraum Diakonie“ in Rotenburg. Das Projekt soll abgehängten Jugendlichen Gelegenheit und Handwerkszeug geben, wieder in die Gesellschaft zurückzufinden. Das Programm ist neu: „Wir tasten uns da so ran“, sagt Dorothee Gräf.

Der Startschuss für das bereits laufende Vorhaben fiel am 1. Januar. Seither bietet die Jugendbrücke, angegliedert an die von Gräf geleitete Jugendwerkstatt, den vielstufigen Zugang. Die Hilfe können viele gebrauchen – „und jeder wird so akzeptiert, wie er ist“, verdeutlicht die Projektentwicklerin.

Dass junge Menschen außen vor sind, könne ganz unterschiedliche Auslöser haben. Die Corona-Krise habe sicher ihren Beitrag geleistet – Heimschulung, lange Fehlzeiten und Erkrankungen bilden nicht selten den Ausgangspunkt. Dann wieder den Anschluss an Lerninhalte zu finden, sich wieder in der Klasse oder anderen Gruppen zu behaupten, überhaupt zu interagieren, kann schwer sein. Aber auch erlittene Traumata können dazu führen, dass sich Menschen zurückziehen.

Je nach Fall ist die Herangehensweise der Sozialpädagogen und Sozialarbeiter eine andere. Letztere nehmen in der sogenannten aufsuchenden Sozialarbeit Kontakt zu den zurückgezogenen Jugendlichen an ihren Treffpunkten oder zuhause auf und bringen so den Erstkontakt mit der Jugendbrücke zur Zielgruppe selbst. „Dabei geht es ums Ansprechen, darum, auf sie zuzugehen und einzuladen“, sagt Gräf. Ansonsten ist die Brücke selbst auch Treffpunkt und hat auf diese Weise ihre eigene Anziehungskraft.

Wer Hilfe braucht, verortet sich zunächst im Einzelgespräch mit den Sozialpädagogen – für die Bestandsaufnahme und erste Schritte. Darauf folgt der gemächliche Einstieg in die Gruppe für Sozialtrainings. Und die können ganz verschieden sein: Mal meditativ beim Ausmalen von Mandalas, mal sind Spiele gefragt, mal ein gemeinsamer Spaziergang: „Man muss halt vorher gucken, wofür sich der Jugendliche interessiert, wo er sich öffnen kann“, verdeutlicht die Leiterin der Jugendwerkstatt. Bei den Tätigkeiten im Rahmen der Jugendbrücke gehe es darum, Selbstwirksamkeit zu erfahren. „Das schafft Selbstwahrnehmung, steigert die Sozialkompetenz und bringt die persönliche Entwicklung voran. Und dann kann man auch in anderen Bereichen wieder Fuß fassen“, erklärt Gräf. Je nach Zielrichtung kann das beispielsweise der Wiederanschluss ans schulische Geschehen sein oder die Berufsorientierung. Wichtig sei dafür, dass die Teilnehmer gesehen werden, sie selbst im Bilde über ihre Stärken sind und einen Überblick über ihre persönliche Ressourcen haben, wie Gräf es ausdrückt.

Eine wichtige Säule des Projekts – und einen wahren Eisbrecher – stellt Maya dar. Die Hündin ist ein Mix aus „Mini Australian Shepherd“ und „Koikerhondje“ und ist das, was sich hinter dem Schlagwort „Tiergestützte Pädagogik“ versteckt. „Sie hat ein sehr liebes Wesen und ist Menschen zugewandt, ihnen gegenüber freundlich eingestellt“, sagt Besitzerin Anke Eilers über die ausgebildete Therapiebegleithündin. Stress könne sie riechen, Streicheleinheiten fordere sie auch mal ein. Auch Maya trägt dazu bei, dass die Teilnehmer ihrer Selbstwirksamkeit gewahr werden: So hat Übungsleiterin Eilers in Zusammenarbeit mit einigen jungen Teilnehmern der Hündin schon die ersten einfachen Tricks beigebracht. Auch auf Kommandos hört Maya gut – „aber damit diese ankommen, muss man als Sprecher ziemlich klar sein“, verdeutlicht Gräf. Auch das gehört zu den vermittelten Inhalten.

Die Teilnahme ist kostenlos, die Gestaltung des Projekts nicht – finanziert wird es durch die Förderung des Diakonischen Werks evangelischer Kirchen. Die Mittel dienen auch zur Deckung von Personalkosten – dabei sind noch gar nicht alle Stellen vergeben (siehe Kasten). Gräf sucht noch eine Dozentin, zudem braucht das Team weitere Unterstützung durch Sozialarbeiter oder -pädagogen. Letzteres ist keine 40-Stunden-Stelle, „aber ausbauen lässt sich das immer“, stellt Gräf in Aussicht. „Wir müssen erst mal gucken, wie das anläuft.“ Die Diplom-Pädagogin hofft, dass sich die Jugendbrücke verstetigt, stelle sie doch eine wertvolle Ergänzung zur Jugendwerkstatt dar. Vielleicht öffne sich auch der Landkreis dafür, sich an der Finanzierung zu beteiligen. Das wäre den Helfern eine Hilfe.

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