150 Zuhörer bei Diskussion um Umbenennung des Buhrfeindhauses - Von Karen Bennecke

Beteiligt, aber kein Haupttäter

Etwa 150 Zuhörer waren in den Buhrfeindsaal gekommen (oben) und lauschten unter anderem Pastor Matthias Richter Landessuperintendent Hans Christian Brandy und Dr. Uwe Kaminsky.
 ©Karen Bennecke

Rotenburg. Fast 40 Jahre lang, von 1903 bis 1942, leitete Pastor Johannes Buhrfeind die damaligen Rotenburger Anstalten und hatte laut Diakonissen-Mutterhaus „wesentlichen Anteil daran, dass die Rotenburger Einrichtungen schnell gewachsen sind und erhebliche Bedeutung erlangen konnten“. Doch wie stand er zum menschenverachtenden Zwangssterilisierungs- und Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten? Machte er sich schuldig, und wenn ja, wie sehr?

Antwort auf diese Fragen soll eine Studie des renommierten Bochumer Historikers Uwe Kaminsky geben, der sich im Auftrag des Kuratoriums des Diakonissen-Mutterhauses mit der Geschichte der Rotenburger Einrichtungen beschäftigte. Dabei ging es nicht zuletzt um die Frage, ob Buhrfeind Namensgeber des Buhrfeindhauses auf dem Mutterhausgelände bleiben soll.

Inzwischen liegt das Ergebnis der wissenschaftlichen Untersuchung in Buchform vor: „Über Leben in der christlichen Kolonie: Das Diakonissen-Mutterhaus Rotenburg, die Rotenburger Anstalten der Inneren Mission und die Rolle ihrer Vorsteher 1905-1955“, so der Titel. Am Mittwoch wurde es im Buhrfeindhaus öffentlich präsentiert.

„Es geht nicht um ein Tribunal, es geht noch weniger um Beschönigung oder Apologetik“, sagte Landessuperintendent Hans Christian Brandy in seinen einleitenden Worten. Es ginge vielmehr darum, Ereignisse, Hintergründe und Motive klar, nüchtern und differenziert darzustellen. Dieser Aufgabe stellte sich Kaminsky mit der gebotenen Neutralität des Historikers.

Sein Fazit: Buhrfeind sei ein „patriarchaler Anstaltsleiter gewesen, der alles über seinen Schreibtisch laufen ließ und dadurch zum direkt Beteiligten an den Zwangssterilisationen wurde“.

Er sei aber weder Vertreter der NS-Ideologie noch „Haupttäter“ gewesen, doch er sei „mitgegangen mit vielen der nationalsozialistischen Verordnungen“. Trotz dieser eher bedrückenden Bestandsaufnahme hat der Vorstand des Diakonissen-Mutterhauses entschieden, das Buhrfeindhaus nicht umzubenennen. Man habe „lange gerungen“, so Vorstandsvorsitzender Matthias Richter. Es gebe ebenso gute Gründe für die Beibehaltung des Namens wie für die Umbenennung. Letztlich ginge es aber darum, die Erinnerung „mit den Ambivalenzen, die sein Leben geprägt haben“ wachzuhalten und man werde „einiges tun, um einer Idealisierung Buhrfeinds zu wehren und an die Opfer dieser Zeit zu erinnern“.

Auch die anschließende Diskussion mit den Zuhörern im Saal machte den Konflikt zwischen Buhrfeinds Verdiensten um die Rotenburger Einrichtungen und seinen Verfehlungen in der Nazizeit deutlich. „Wenn man sich der Geschichte stellt, tut es immer weh“, sagte Jutta Wendland-Park, Vorstandsvorsitzende der Rotenburger Werke. Ein Zwischenruf aus dem Publikum brachte auf den Punkt, was wohl viele dachten: „Hätte er nicht mutiger sein können?“

Eine Zuhörerin, seit vielen Jahren Diakonisse des Hauses, erinnerte an die Schwestern, die Buhrfeind noch selber erlebt hatten: „Wenn Sie die alten Schwestern befragen würden, bekämen Sie ganz andere Antworten. Wenn das Buhrfeindhaus seinen Namen verlieren würde, würde ich einen Teil meiner Heimat verlieren.“

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