Warum Eichen als Freiheitsbäume bezeichnet werden - Von Christiane Looks

Und sie lebt!

Die Geistereiche in Rotenburg ist seit 1938 ein Naturdenkmal. Foto: Joachim Looks
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Rotenburg. Vor mehr als 100 Jahren beschloss das kleine Dorf, in dem ich aufwuchs, seine Sprösslinge nicht länger im Nachbardorf zur Schule gehen zu lassen. Es sollte eine eigene Dorfschule gebaut und die für den Schulbetrieb notwendige Lehrkraft mit allem ausgestattet werden, was für deren Lebensunterhalt erforderlich werden würde. Außerdem stand fest, dass dem zukünftigen Bildungsmittelpunkt des Ortes ein würdiges Äußeres gegeben werden sollte und zwei, wohl damals schon größere, Eichen mitten auf den zukünftigen Schulhof zu pflanzen waren.

Diese beiden, zu mächtigen Exemplaren herangewachsenen Bäume, hatten mich die ersten beiden Jahrzehnte meines Lebens als Dorfschullehrerkind begleitet. Gerne spielten meine Geschwister und ich in unterrichtsfreien Zeiten auf dem Schulhof und bauten an der groben Eichenrinde abenteuerliche Konstruktionen aus heruntergefallenen Zweigen, die mit Kleinst-Plattformen ausgestattet wurden und eine Miniaturwelt entstehen ließen, die von Ameisen zu unserer Faszination sofort angenommen wurden. Wenn die ersten Herbststürme die Kronen der Schuleichen zausten, liebte ich es, mich abends in mein warmes Federbett zu kuscheln, dem Brausen des Sturmes zu lauschen und mich geborgen zu fühlen.

Der Schulhof unserer Dorfschule war groß und der Platz reichte sogar für die zwei mächtigen Bäume. Das Wissen darum, was wo sinnvoll gepflanzt werden könnte, ist mittlerweile nicht mehr so vertraut, wie es wünschenswert wäre. Die hier heimischen Trauben- und Stieleichen sind nichts für kleine Gärten. Als mächtige Parkbäume entfalten sie ihr beeindruckendes Aussehen bestimmt nicht in einem Reihenhausgarten – es sei denn, in dem Haus wohnen Liebhaber japanischer Wuchsbegrenzung, die sich bereits frühzeitig an die gärtnerische Erziehung einer Eiche durch Wurzel-, Form-, Blattschnitt und Drahtung zu einer Bonsai-Ausgabe des großen Vorbilds machen, das einer permanenten, sorgfältigen Pflege bedarf.

Japan stellte erstmals auf der Pariser Weltausstellung 1867 Bonsais aus. In Europa war diese Form des Klein-Haltens eines Gehölzes bis dahin wenig bekannt. Hier wurde zur Schere gegriffen, auch zu Sägen, wenn es darum ging, einem Strauch oder Baum eine akzeptierte Form zu geben. Absolute Herrscher, mit dem Anspruch, ihr Staatsgebilde völlig durchzuorganisieren, liebten keinen Wildwuchs. Erst die zunehmende Ablehnung starrer Reglementierungen alltäglichen Lebens in den letzten 200 Jahren schuf das Bewusstsein dafür, dass ungezähmte Natur nicht barbarische Wildnis, sondern Spiegelbild von Freiheit ist.

Eine besondere Rolle kam hier der Eiche zu. Nach der Französischen Revolution und ihrem Einfluss für aufkeimende Freiheitsbewegungen in vielen europäischen Ländern wurden zum Beispiel Eichen aus Dankbarkeit für erstrittene Freiheiten als sogenannte Freiheitsbäume gepflanzt. Der Grund für die Wahl gerade dieses Baumes ist vermutlich darin zu suchen, dass Eichen als Symbol überkommener, ursprünglicher Natur galten. Buchen oder Linden, die neben Eichen in fernen Zeiten ebenfalls als Thingstätten von mythologischer Bedeutung waren, hätten ebenfalls herangezogen werden können. Es gab sie nur deutlich weniger als knorrige Eichen, die es der damals beliebten Schweine-Eichelmast verdankten, prinzipiell mehr vor Holzeinschlag geschont zu werden als Buchen oder Linden. Geradezu schwärmerisch verehrt, sorgt der historisch bedingte mystische Wert von Eichen oftmals bis heute dafür, dass markante Exemplare eher baumpflegerisch erhalten als gefällt werden. Ein beeindruckendes Beispiel hierfür ist die sogenannte Geister-eiche in der Rotenburger Ahe. Diese über 700 Jahre alte Stieleiche ist seit 1938 geschützt. Von den 172 im Landkreis verzeichneten Naturdenkmalen trägt sie die Nummer fünf. Sie befindet sich in der Nähe des Schützenplatzes. Wer der Straße In der Ahe von der Bahnhofstraße aus etwa 700 Meter folgt, entdeckt auf der linken Seite am Waldrand den als Naturdenkmal mit dem gelben Eulenschild markierten hohlen Baum mit nur noch einem Kronenast.

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