„Blackout“-Uraufführung im Theater Metronom in Hütthof - Von Nina Baucke

Zur Stunde Null

Reichlich Diskussionsbedarf: Kosmonaut, Trottel, Blondine und Hotelangestellte müssen sich auf der schrottreifen Mir zusammenraufen. Foto: Nina Baucke
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Visselhövede. Wir posten Kinderfotos auf Facebook, das Mittagessen bei Instagram. Wir kaufen die Weihnachtsgeschenke beim Onlinehändler, nachdem auf Youtube ständig Produktempfehlungen auftauchen. Ausgehend von dem, was wir googeln. Unsere Steuererklärungen wandern nicht mehr auf grauen Formularen zum Finanzamt, sondern durch das Netz. Algorithmen erfassen unsere Gewohnheiten, unser ganzes Leben. Und nach der Erfassung folgt die Manipulation?

Ja, jedenfalls in der Vision des Ensembles des Theaters Metronom in Hüttdorf. In seinem neustem Streich „Blackout“, der am Freitag Premiere feierte, erscheint die pure Datensammelwut in einer überdrehten Spaßgesellschaft nur noch als harmloses Vorspiel. Gespeist aus etlichen Informationen hat sich eine künstliche Intelligenz namens Helga (Stimme: die zwölfjahrige Charlotta Timm aus Visselhövede) entwickelt und sich an den Schaltstellen des Alltags festgesetzt. Damit macht sie aus Programmierern Programmierte.

Helga hat einen Plan, natürlich nicht weniger als die Weltherrschaft, und will drei Auserwählte zu ihren Handlangern machen: den trotteligen Jürgen (Jan Fritsch), die perfektionistische Hotelangestellte Sabrina (Karin Schroeder) und die High-Heels tragende Blondine Ragna (Sissi Zängerle). Während auf der Erde ein Virus das Internet zum Zusammenbruch bringt, dadurch die öffentliche Ordnung und Versorgung versagt und es zu nicht weniger als der ultimativen Apokalypse kommt, katapultiert Helga das Trio per Fahrstuhl auf einen Außenposten der Menschheit. Denn die sowjetische Raumstation Mir zieht in der Erdumlaufbahn weiter stoisch ihre Kreise – von wegen 2001 abgestürzt! An den Schalthebeln sitzt einsam der kroatische Kosmonaut Vierschna (Erwing Rau), seit zwanzig Jahren schweigt das Funkgerät, und auch die Thunfischpaste ist restlos verputzt. Das ungleiche Quartett rauft sich noch zusammen, als Helga sich in das Spiel einmischt und ihren Plan vom Neuanfang zur Stunde Null offenbart. „Blackout“ braucht eine Weile, um in die Gänge zu kommen, und so erschöpft sich die erste halbe Stunde in Slapstick, flachen Gags über fliegende Toilettenschüsseln und Kalauern rund um den Namen der Raumstation. Und auch das Sujet des Stücks, die Gefahren durch künstliche Intelligenz, bleibt etwas unklar. Ein Neuanfang – warum denn nicht? Ein Anfang ohne Makel, mit Frieden, Farben und Bedingungslosem Grundeinkommen, kein Neid, keine Macht für niemanden. „Es herrscht nur noch Liebe“, träumt sich Sabrina diese schöne neue Welt zurecht. „Also herrscht doch noch irgendwas“, kontert Ragna. Dass das neueste Metronom-Werk trotzdem sehenswert ist, liegt zum einen an dem ausgefeilten Bühnenbild von Regisseur Andreas Goehrt. Da sind die etlichen Details mit Apparaturen, Hebeln und Knöpfen sowie der hydraulische Chefsessel in der Kommandokapsel. Nicht zu vergessen der einsame, an einem dünnen Faden mitten im leeren Raum hängende Apfel im Mir-Gewächshausmodul. Zudem hat Goehrt als Clou fast unauffällig Percussioninstrumente wie Röhrenglocken und Rasseln in das Konstrukt der Raumstation eingearbeitet. Immer wieder Musik und eigene Songs als Emotionskatalysator einzusetzen, ist dabei eine der besonderen Stärken von „Blackout“. Die andere Stärke sind die Darsteller, vor allem Erwing Rau (Vierschna). Er lässt den Einsiedler-Kosmonauten behutsam zum gefühligen Zentrum des Stücks werden. Vierschna ist im lebensfeindlichen All längst der Technik und damit einer künstlichen Intelligenz wie Helga auf Gedeih und Verderb ausgeliefert und weiß das auch, während sich auf der Erde die Menschheit vor dem Blackout noch in Sicherheit glaubt. Allein, wie sich der Kosmonaut am Ende für die sichere Rückkehr der anderen drei opfert: Dieses Heldentum ist großes Theater im besten Sinne. Weitere Aufführungen: Freitag und Samstag, 27. bis 29. Oktober, jeweils ab 20.30 Uhr sowie am Sonntag, 29. Oktober, ab 19.30 Uhr.

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