Unterwegs mit der Rehkitzrettung Sottrum

Einsatz im Morgengrauen

Rehkitze verbergen sich im hohen Gras u2013 und sind deswegen nur schwer zu entdecken.
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Sottrum – Nur kurz ist das dunkle Rehkitz im hohen Gras auszumachen, als es versucht, die Flucht zu ergreifen. Mit einem Hechtsprung nach vorne macht sich Bettina Diercks daran, es zu erwischen und verschwindet dabei ebenfalls in dem Meer aus Grün. Der Wildnachwuchs gibt empörtes Fiepen von sich, als sie ihn an der Hüfte zu packen bekommt und ihn an den Rand des Feldes trägt. Marie-Louise Grimm hält bereits einen Wäschekorb bereit, den sie über das Kitz stülpt, das Diercks nun wieder ins Gras gelegt hat.

„Damit haben wir dann heute auch alles erlebt“, bemerkt sie mit einem Lachen. Noch ist es ein bisschen diesig in der Sottrumer Feldmark südlich der Bahngleise. An dem hohen Gras hängt der Tau und sorgt dafür, dass die Hose innerhalb weniger Minuten bis zum Knie klatschnass ist. Es ist 7 Uhr morgens – eine Zeit, in der sich die meisten Werktätigen fertig machen und zur Arbeit fahren. Die Rehkitzretter Sottrum dagegen haben da schon drei Stunden Einsatz hinter sich, seit gut 4 Uhr sind sie unterwegs und spüren mithilfe einer Wärmebildkamera an einem Copter Rehkitze in Feldern auf.

Der frühe Start birgt ohne Kaffee seine ganz besondere Herausforderung, hat aber einen guten Grund: Denn die Morgensonne wärmt die Umgebung schnell auf, umso schwieriger wird es daher, die Tiere über die Wärmebildkamera zu entdecken. Und so ist es drei Stunden vorher, als der Tag der Rehkitzretter beginnt, fast noch dunkel, als Thomas Hopp und Andreas Minge eine runde, mit einem weißen „H“ bedruckte Matte am Rand eines Feldes im Gras ausbreiten. Minge legt eine orangefarbene Drohne darauf. „Achtung, Copter startet!“, ruft Thomas Hopp – und schon hebt das kleine Gerät mit einem Brummen hab, für ein paar Sekunden ist es noch an den grünen Positionslichtern zu erkennen, dann verschwindet es im Grau des Morgenhimmels.

In 70 Metern Höhe überfliegt der Copter jetzt in sich überlappenden Querbahnen das Feld, den Kurs hat Thomas Hopp bereits vorher einprogrammiert. „Heute ist für uns Großkampftag“, erklärt er. Jetzt, zwischen Mitte Mai und Anfang Juni, sind die Rehkitzretter viel unterwegs, fast täglich. Immer mehr Landwirte und Pächter lassen ihre Flächen vor der Mahd kontrollieren. „Zum einen wäre alles Gemähte unbrauchbar, wenn wir ein Kitz erwischt hätten“, erklärt Asa-Cathrin Grimm. Wie ihre Schwester Marie-Louise ist sie heute als Unterstützerin dabei, denn ihr Vater, Landwirt Heinz-Jürgen Grimm, hat die Flächen, die heute gemäht werden sollen, gepachtet. „Und dann ist da auch das Emotionale, was dabei eine Rolle spielt.“ Allein für diesen Tag haben sich im Vorfeld mehrere Landwirte bei den Rehkitzrettern gemeldet und auf einer Website die Fläche, die sie an diesem Tag mähen wollen, eingetragen. Bevor das losgeht, rücken die Kitzretter an und überprüfen das Feld auf die Jungtiere.

Die zeigen sich als weiße Flecken auf den Displays, die Thomas Hopp und Andreas Minge immer im Blick behalten, während Petra Hopp mit einem Klemmbrett daneben steht. Sie behält den Zeitplan im Blick und kennzeichnet auf einer Karte Fundorte. „Da ist was!“ Auf Thomas Hopps Signal hin machen sich Bettina Diercks und Marius Söffker mit drei Wäschekörben und Zeltheringen auf den Weg, gefolgt von Asa-Cathrin Grimm, die weiße Markierungsstangen in der Hand hat. Fehlalarm, ein Feldhase macht sich schnell aus dem Staub. Dafür erwartet die ehrenamtlichen Tierschützer auf dem nächsten Feld eine ganze Kinderstube.

Bettina Diercks zeigt auf plattgedrückte Flächen im hohen Gras, dort hat offenbar eine Ricke vielleicht erst vor einem Tag ihren Nachwuchs zur Welt gebracht. Zwei Jungtiere machen die Kitzretter auf dem Feld aus. Im Gegensatz allerdings zu ihrem Artgenossen, der wenig später die Sportlichkeit von Bettina Diercks auf die Probe stellen wird, rühren beide sich nicht, als sich die Helfer nähern. Diese haben daher in Ruhe Gelegenheit, Wäschekörbe über sie zu stülpen, diese mit den Heringen zu befestigen und sie mit ausgerupftem Gras abzudecken. Damit die Landwirte wissen, wo die Körbe sind, markieren die Tierschützer die Stelle mit den weißen Stangen, damit der Landwirt sie großzügig umfahren kann. An einer ist eine Wildkamera befestigt: „Das ist nur für uns – zur Dokumentation und Qualitätssicherung“, erklärt Petra Hopp.

In etwa sechs Stunden, wenn die Felder abgemäht sind, sammeln die Retter die Körbe wieder ein und die Ricken können zu ihrem Nachwuchs zurückkehren. An diesem Morgen sind es fünf Kitze, die das Team vor dem Mähtod bewahrt. Immer mehr Landwirte setzen auf die Hilfe der Ehrenamtlichen, „manche von uns nehmen sich für diese Zeit extra Urlaub“, sagt Diercks.

Bedeutet aber auch: Die Terminkalender der Rehkitzretter füllen sich in der Saison immer schnell, allein die Sottrumer sind an diesem Tag mit zwei Teams unterwegs. „Wir können immer Unterstützung brauchen“, betont Thomas Hopp. Und wenn das Frühaufstehen schwerfällt, hilft ein Blick auf das Rehkitz – jedenfalls für Diercks: „Wenn wir die Kitze wieder freilassen und die Mütter zeitnah kommen, um sie abzuholen, ist das ein toller Moment.“

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