Positionen nicht immer konträr: Grüne und LSV diskutieren - Von Henning Leeske

In der Schnittmenge

Verschiedene Positionen, aber doch einige Überschneidungen: Grünen-Landtagsabgeordnete Miriam Staudte (von links) mit den Vertretern von "Land schafft Verbindung" Hennes Scheele und Dirk Koslowski auf dem Podium.
 ©Henning Leeske

Sottrum. Runde zwei: Der Sottrumer Gemeindeverband der Grünen hatte erneut die Aktivisten von „Land schafft Verbindung“ (LSV) zur Diskussion über Landwirtschaft eingeladen. Als fachkundige Grünenpolitikerin hatten die Organisatoren Landtagsmitglied Miriam Staudte gewonnen, um drei Reizthemen der aktuellen Landwirtschaftspolitik im Rahmen einer dreistündigen Abendveranstaltung abzuarbeiten. Mit ihr saßen Hennes Scheele und Dirk Koslowski von der Initiative „Land schafft Verbindung“ auf dem Podium. Sie lieferten die Perspektive der Landwirte.

Lühr Klee von den Sottrumer Grünen trat als Moderator auf und betonte, Schnittmengen suchen zu wollen und damit eine Initiative im Landtag oder kommunal zu starten. Beim ersten Thema, faire Preise für landwirtschaftliche Produkte, zeigten sich bereits erste Überschneidungen der Parteien. Dass es aber sehr wohl noch unterschiedliche Meinungen gab, machten die geäußerten Standpunkte bei den Themen Insektenschutz und Düngeverordnung klar. Umso kontroverser lief später die Diskussion zwischen den knapp 150 Gästen und der landwirtschaftlichen Sprecherin der Grünenfraktion im Landtag Staudte.

Zunächst stellte sie fest, dass LSV eine positive Entwicklung gemacht habe und nun nach großen Protestaktionen in den Dialog getreten sei. Gerade die LSV-Gruppe der Landkreise Verden, Osterholz und Rotenburg schlage ihrer Sicht nach diesen Weg ein. LSV fordere laut der Grünen vor allem für mehr Wertschätzung und bessere Planbarkeit in der Landwirtschaft. „Da können wir mitgehen“, sagte Staudte und sorgte damit für Aufhorchen bei den anwesenden Bauern. Die zunehmende Entfremdung zwischen den Landwirten und den Verbrauchern sei eine Hauptursache für viele Probleme, besonders bei der Wertschätzung für die Produkte der Landwirtschaft.

Die Ambitionen, die heimischen Produkte der Landwirte auf dem Weltmarkt absetzen zu wollen, sei Grund für die heutige Massenproduktion und den Preisdruck. „Grüne sind nicht gegen Welthandel, aber von was profitieren wir wirklich?“, fragte Staudte. Die Schweinemäster thematisierten dann die Vorliebe der deutschen Konsumenten für die Filetstücke, sodass die anderen Teile der Tiere exportiert werden müssten. „Es sollte noch mehr im Binnenmarkt abgesetzt werden“, forderte Staudte. Sie drückte ihr Entsetzen darüber aus, wie billig Fleisch vom Handel verramscht werde. „Zu den Preisen kann nicht produziert werden, dass alle zufrieden sind. Drei bis fünf Milliarden Euro kostet der Umbau der Tierhaltung in Deutschland pro Jahr. Das soll mit Abgaben und höheren Preisen finanziert werden“, sagte sie. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Abgaben an die richtigen Empfänger fließen werden“, sagte sie, was viele Landwirte nicht teilen konnten. „Wir sind schon zu oft von der Politik enttäuscht worden, wir haben kein Vertrauen mehr“, so die Landwirte. „Eine Weiterentwicklung der Kennzeichnungen wird von den CDU-Regierungen blockiert“, entgegnete die Landtagspolitikerin. Der Konsument solle eindeutig erkennen aus welcher Art der Tierhaltung sein Fleisch auf den Teller komme. „Er soll sich nicht mehr wegducken können an der Supermarktkasse, wenn er zum Billigfleisch aus Massentierhaltung mit wenig Tierwohl greift“, machen Staudte deutlich.

Die Landwirte waren gegenüber der Fleischsteuer skeptisch, weil sie lieber auf die Preisfindung des Marktes vertrauen, als dass mit der neuen Steuer nicht doch irgendwelche anderen Löcher gestopft werden. So sei Biofleisch schon jetzt viel zu teuer für den deutschen Markt, sodass ein Landwirt aus Osterholz sein Bio-Fleisch zu konventionellen Preisen nach Italien verkaufen musste.

Carsten Lodders von der Landwirtschaftskammer Bremervörde war als „Faktenchecker“ vor Ort und gab den Hinweis, dass die Kostenstrukturen der Betriebe meistens sehr unterschiedlich seien. „Das A und O ist die Kennzeichnung. Man kann nicht dem Markt alles überlassen“, sagte Staudte. Die Landwirte forderten von der Politikerin Unterstützung beim Schutz vor Billiglebensmitteln aus anderen Ländern und ein fair play bei den Produktionsbedingungen innerhalb der Union.

„Papa, lass uns wieder Insekten gucken“, beschrieb Koslowski von LSV das Interesse seiner Tochter an den Blühstreifen seines Betriebes. „Wir sind Teil der Lösung und nicht das Problem beim Insektenschutz“, sagte er zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzen der Grünen im niedersächsischen Landtag. Er forderte eine gemeinsame Lösung, statt über ordnungspolitische Verbote alles regeln zu wollen.

Gemeinsamkeiten sah Staudte beim Problem der Flächenversiegelung und hoffte in den Landwirten Mitstreiter zu finden. „Naturschutzmaßnahmen müssen abgegolten werden und nicht zu Lasten der Landwirtschaft erfolgen“, so Staudte.

Der Zusammenhang zwischen Fraß und Blühpflanzen für die Insekten sei so komplex, dass der Sachverstand der Naturschutzbehörden unbedingt eingebracht werden sollte. Der Schutz von Gelegen bei Bodenbrütern auf einer genutzten Fläche müsse deswegen entsprechend gefördert werden. Folglich seien laut Staudte bei der EU-Agrarförderung bezüglich Naturschutzmaßnahmen qualitative Änderungen notwendig.

„Die 20 Prozent von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sind vollkommen pauschal und viel zu undifferenziert. Die Qualität der Messstellen ist ein Problem für die Akzeptanz der neuen Düngeverordnung“, bekamen die Landwirte unerwartet Unterstützung von der Grünen beim Thema Düngeverordnung. Das Problem mit zu viel Nitrat im Wasser sei aber da und müsse gelöst werden. Der Grünen-Ansatz sei von den roten Gebieten zu den roten Betrieben zu kommen und eine flächengebundende Tierhaltung durchzusetzen, weil beispielsweise im Cloppenburger Raum strukturell Fehler bei der massiven Ausweitung der Massentierhaltung gemacht worden seien. „Wir müssen mehr zu Kreisläufen kommen, nicht nur in Betrieben“, nannte Staudte als Lösungsansatz bei den Nährstoffüberschüssen. Einige Landwirte widersprachen, weil sie Wirtschaftsdünger bedarfsgerecht verteilten.

Sachliche Diskussion, ungeahnte Schnittmengen, unterschiedlich favorisierte Lösungsansätze: Landwirte, Grüne und Zuschauer orteten einige gemeinsame Ziele. Jetzt fehlt nur die gemeinsame Erarbeitung.

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