NATUR-LOOKS Folge 197: Blitze und Bäume - VON CHRISTIANE LOOKS

Gebt ihm eine Chance!

Ortsprägend: Trauben-Eiche mit Blitzschaden
 ©Joachim Looks

Eversen – Wer offenen Auges über unser Grundstück geht, findet auf der Dünenkuppe unserer eiszeitlichen Beckenranddüne eine Kiefer, deren Stamm eine spiralförmige Rinne vom Boden bis in die Krone zeigt – das Ergebnis eines heftigen Gewitters, bei dem der Baum von einem Blitz getroffen wurde, der auch in unserem Haus einen nicht unerheblichen Überspannungsschaden auslöste.

Meine Erinnerungen an Gewitter sind nicht die besten. Zwar mühte sich der Vater meiner Mutter, seinen kleinen Enkelkindern die Angst vor Gewittern zu nehmen, in dem er versicherte, das Grollen kämen von den Kugeln, mit denen Engel im Himmel Kegelspielen übten, und zu den Blitzen erklärte er, die entstünden, weil mal wieder alle Kegeln getroffen und umgeworfen wurden, aber so recht glaubten wir ihm nicht, obwohl er als Pastor sicher unangefochtener Fachmann für Engel und ihre Arbeit sowie Freizeitgewohnheiten war. Von ihm lernten wir beispielsweise, dass es Abendrot gäbe, weil im Himmel mal wieder Brot gebacken wurde. Nur die Sache mit dem himmlischen Kegeln ließen meine Geschwister und mich skeptisch werden, als in unser Haus, als Schule vorbildlich mit Blitzableitern ausgestattet, einmal bei einem fürchterlichen Gewitter ein Blitz in den Blitzableiter genau auf dem Dach des Lehrerhauses einschlug. Den Knall und die Erschütterung werde ich nie vergessen.

Ein großer Spannungsunterschied zwischen Wolken und Erde lässt Blitze entstehen, die sich zur Spannungsentladung den Weg des geringsten Widerstands Richtung Erde suchen. Dies kann eine kurze Strecke oder eine solche mit guter elektrischer Leitfähigkeit sein. Bäume bieten beides. Wenn sie als höchste Erhebung allein auf weiter Fläche stehen, stellen sie also den kürzesten Weg zwischen spannungsgeladenen Gewitterwolken und der Erde dar. Außerdem nässt sie ein Gewitterregenbruch oft innerhalb kürzester Zeit von oben bis unten komplett ein und erhöht so die elektrische Leitfähigkeit des Baumes. Blitze können sich über vollständig nasse Baumstämme leicht einen Weg bis in den Boden suchen. Buchen mit ihren glatten Stammoberflächen beispielsweise fördern, dass sich bei Regen an ihrer Rinde ein nahezu kompletter Wasserfilm bildet, der Blitze gut leitet.

Anders ist dieses bei Eichen. Ihre raue Rinde bietet mehr Chancen für den Baum, stellenweise trocken zu bleiben. Mit unter Umständen fatalen Folgen, denn Bäume benötigen zum Wachsen Wasser, welches über spezielle Leitbahnen von den Wurzeln bis zur Krone transportiert wird. Wird nun aber ein Blitz nicht in die Erde abgeleitet, besteht bei einem Eindringen in den Holzkörper die Gefahr von großen Schäden, weil die hohe Blitztemperatur augenblicklich alles Wasser im Baum verdampfen lässt. Da Wasserdampf aber einen hohen Ausdehnungsdrang hat, muss damit gerechnet werden, dass der Baum teilweise oder sogar im Ganzen explodiert. Doch damit nicht genug: Die hohe Hitze eines Blitzes verursacht bei trockenem Holz häufig Brände in einem betroffenen Baum, aber auch im umliegenden Bereich, was eine große Gefahr bei Sommergewittern in Phasen länger andauernder Dürren bedeutet, denn die enorme Energie des Blitzes kann auf ausgedörrtem Boden wie Brandzünder wirken. Gut, wenn heftiger Gewitterregen einen Blitzeinschlag begleitet.

Findet ein Blitz außen an einer Baumrinde einen Weg in den Boden, bleibt zumeist ein gerader Riss in der Borke, die sogenannte Blitzrinne. Häufig ist diese nur oberflächlich, kann aber auch mehr oder weniger tief ins Holz eindringen, ja sogar einen Baum spalten. Einfache Blitzrinnen überwallen Bäume, so auch der Baum bei uns, obwohl ein spiralförmig abgeleiteter Einschlag einen Baum vor größere Herausforderungen stellt.

Problematisch sind tiefere Rinnen. Sie müssen in der Regel wie bei angefahrenen Straßenbäumen behandelt werden, wenn ein getroffener Baum überleben soll. Wir haben den Blitzbaum bei uns nicht behandelt, obwohl teilweise das helle Holz des Bauminneren zu erkennen war. Aber einen spiralförmigen Schaden bei einem hohen Baum von oben bis unten zu versorgen bereitet Probleme. So holten wir Rat. Hilfreich die Auskunft des Fachmannes: „Gebt ihm eine Chance!“ Der Baum hat sie genutzt.

Neugierig geworden auf einen sehenswerten Baum mit Blitzschaden? In Ahausen-Eversen steht am Ortsausgang Richtung Westerwalsede Bahnhof gegenüber der Einmündung des „Eichenwegs“ auf einem Privatgrundstück eine bemerkenswert schön gewachsene Trauben-Eiche, deren Krone erst in sieben Meter Höhe beginnt. Der sehr gerade gewachsene Baum überragt die Straße und prägt das Ortsbild eindrucksvoll. Er weist einen Blitzschaden auf, den die Eiche erfolgreich überwand. Vom Fußweg aus ist die Blitzrinne auch ohne (!) Betreten des Grundstücks zu sehen. Die Blitzeiche ist als Naturdenkmal geschützt.

Über die Autoren

Christiane Looks ist Naturschutzbeauftragte für den Landkreis Rotenburg. Mit ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit unterstützt sie die Naturschutzbehörde in Angelegenheiten des Naturschutzes und der Landschaftspflege und fördert das Verständnis für diese Aufgaben. Alle zwei Wochen wirft sie einen Blick in unsere Natur, unterstützt durch Fotos ihres Ehemanns Joachim Looks. Wer den beiden Fragen stellen oder Anmerkungen zukommen lassen möchte, erreicht sie telefonisch unter 04269/96017.

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